Geldinstitut:Commerzbank: Waffen, Kohle, Elternzeit

Verantwortlich wirtschaften: Das hat sich die Commerzbank vorgenommen. Doch wer genau hinschaut, findet immer noch schmutzige Geschäfte. Stoff für die Hauptversammlung.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Dass sich die Commerzbank Mühe gibt mit der Nachhaltigkeit, sieht man in Frankfurt sogar im Stadtbild: Seit gut einem Jahr stehen den Mitarbeitern 60 gelb-graue Firmenräder zur Verfügung, mit denen diese von Standort zu Standort oder zu Kundenterminen radeln können. Das ist nicht einfach nur praktisch. Die Commerzbank will damit auch ein "Zeichen setzen", und zwar "in Sachen Umweltschutz", wie es auf der Internetseite steht. Deutschland brauche keine Bank, "die einfach so weiter macht", sinniert die joggende Filialdirektorin Lena Kuske in einem Werbefilm. Der scheidende Commerzbank-Chef Martin Blessing gibt sich auch nachdenklich: "Wer als Bank verantwortlich wirtschaften will, kommt nicht umhin, sich ein paar unbequeme Fragen zu stellen." So steht es im aktuellen Nachhaltigkeitsbericht des Instituts.

Das Image kitten, das Vertrauen der Kunden wiederherstellen: Seit Finanzkrise und staatlicher Rettung ist dies das oberste Ziel von Deutschlands zweitgrößter Bank. Ein Stück weit ist das sogar gelungen: In den vergangenen drei Jahren hat die Bank netto über 800 000 neue Privatkunden gewonnen. Auf der Hauptversammlung an diesem Mittwoch wird Blessing dafür Lob einheimsen, genauso wie für die erste Dividende seit sieben Jahren.

Es geht also aufwärts. Dumm nur, dass auch die Commerzbank für ein gutes Geschäft gern die Ethik außen vor lässt. Fragt man Nichtregierungsorganisationen und studiert Ratingberichte, welche die Nachhaltigkeit von Unternehmen bewerten, gibt sich die Commerzbank durchaus Mühe, verantwortlich zu wirtschaften, und zwar mehr als der heimische Marktführer Deutsche Bank. Im Detail aber finden sich mehr als nur Schönheitsfehler.

Eine Bank, deren Aktienkurs so schlecht steht wie schon lange nicht, die also dringend auf Erträge angewiesen ist, solange sie es nicht schafft, die Kosten in den Griff zu bekommen, so einer Bank tut es weh, wenn sie anständig sein will.

Beispiel Rüstung: Im Jahr 2008 hat sich die Commerzbank eine Richtlinie gegeben, wonach sie grundsätzlich keine Geschäfte finanziert, bei denen "kontroverse" Waffen im Spiel sind - also Streumunition, Landminen oder ABC-Waffen. Außerdem will sie laut Richtlinie keine Waffenlieferungen in Krisengebiete begleiten.

Geldinstitut: Nach knapp acht Jahren an der Spitze der Commerzbank verabschiedet sich Martin Blessing an diesem Mittwoch von den Aktionären. Er musste viel Kritik einstecken. Collage: SZ; Fotos: dpa (2)

Nach knapp acht Jahren an der Spitze der Commerzbank verabschiedet sich Martin Blessing an diesem Mittwoch von den Aktionären. Er musste viel Kritik einstecken. Collage: SZ; Fotos: dpa (2)

Wie die Organisationen Facing Finance und Urgewald in einer aktuellen Studie zeigen, lässt die Richtlinie allerdings Spielraum: Zu den Kunden des Konzerns gehören nicht nur Mischkonzerne wie ThyssenKrupp, deren Umsätze sich nur zu einem kleinen Teil aus Rüstungsgeschäften speisen, sondern auch Krauss-Maffei Wegmann oder Rheinmetall, die U-Boote, Panzer oder Munition liefern, und zwar auch in Spannungsgebiete wie Israel, Algerien oder Saudi- Arabien. Auch den Pistolen- und Maschinengewehrhersteller Heckler & Koch zählt die Commerzbank zu ihren Kunden, genauso sowie BAE Systems. Letzterer gilt als "lupenreiner" Rüstungskonzern, der zum Beispiel zu Saudi-Arabien intensive Kontakte pflegt, wie Facing Finance kritisiert. Insgesamt hat die Commerzbank für 1,2 Milliarden Euro Kredite an solche Firmen vergeben oder ihnen anderweitig geholfen, sich zu finanzieren.

Auch im Punkto Klimaschutz kann sich die Commerzbank offenbar noch verbessern. Die Organisation "kritische Aktionäre" lobt die Bank zwar dafür, dass sie jüngst das Pariser Abkommen zum Klimaschutz unterzeichnet habe, außerdem erneuerbare Energien finanziere und sich dem betrieblichen Umweltschutz verschrieben habe. Was aber fehle, sei ein Bekenntnis, den Kohlesektor nicht mehr zu unterstützen. Andere Banken hätten bereits erklärt keine neuen Kohlekraftwerke oder Kohleminen zu finanzieren. "Auf eine solche Erklärung warten wir bei der Commerzbank seit Jahren", sagt Regine Richter von Urgewald. Die Organisation hat ermittelt, dass die Commerzbank den europäischen Braunkohlesektor zuletzt mit 3,1 Milliarden Euro unterstützt hat. Wann sich das ändert, ist offen. Der Konzern teilte dazu mit, man sei "zurzeit dabei, die Kohleposition zu überarbeiten". Diese Richtlinie werde dann die gesamte Wertschöpfungskette von der Exploration und Förderung bis zur Verstromung der Kohle abdecken.

Aber nicht nur Klimaschutz und Rüstung dürften auf der Hauptversammlung zur Sprache kommen. Da ist auch das Thema Steuerehrlichkeit. Insgesamt 17,1 Millionen Euro Strafe musste die Luxemburger Tochter der deutschen Großbank unlängst zahlen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Wie die Ermittlungsbehörden herausgefunden hatten, hat die Bank ihren reichen Kunden bis 2008 systematisch Briefkastenfirmen aus Panama angeboten.

In der Finanzkrise schämten sich viele Mitarbeiter für die Bank - diese Zeiten sind wohl vorbei

Das Amtsgericht Köln bescheinigte den Verantwortlichen der Commerzbank zwar, "vollständig" aufgeräumt zu haben mit Schwarzgeldkonten. Die Experten der Ratingagentur Oekom - ein Dienstleister, der für Investoren untersucht, wie sauber Unternehmen wirtschaften - sahen bei der Bank trotzdem Verbesserungsbedarf. Es fehle weiterhin an einer "umfangreichen Strategie zu Offshore-Bankaktivitäten und zur Einhaltung von Steuervorschriften". Bei Oekom erhielt die Commerzbank daher nur eine mittelmäßigen Ratingnote.

Bleibt die Frage, wie das Institut mit seinen Mitarbeitern umgeht? In diesem Punkt gibt das Geldhaus - dem jüngsten Stellenabbau zum Trotz - ein besseres Bild ab. Während die Deutsche Bank die Ergebnisse ihrer letzten Mitarbeiterumfrage am liebsten verheimlicht hätte, konnte die Commerzbank sogar damit werben: Insgesamt 63 Prozent der rund 52 000 Mitarbeiter seien inzwischen stolz für die Commerzbank zu arbeiten, kam 2014 heraus, nach nur 41 Prozent im Jahr 2011. Und auch bei vermeintlichen weichen Themen kann die Commerzbank einiges vorweisen: 2015 waren ganze 16,9 Prozent der Väter in Elternzeit. Für die "Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben" bekam die Bank denn auch einen Pluspunkt von der Ratingagentur Oekom. Und nicht zu vergessen: Die Hauptversammlung soll klimaneutral ablaufen. Vor der Messehalle in Frankfurt werden wieder viele Commerzbank-Räder parken.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: