UN-Sicherheitsrat:Sisyphus aus Ramallah

(151123) -- NEW YORK, Nov. 23, 2015 -- Riyad H. Mansour, Palestinian permanent observer at the Unite

Krieg der Worte: Riad Mansour und sein israelischer Kollege bei den Vereinten Nationen lieferten sich einen harten Schlagabtausch.

(Foto: imago)

Manchmal hat auch der Härteste genug. Warum der palästinensische UN-Vertreter Riad Mansur im Sicherheitsrat in Tränen ausbrach.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Altersmilde oder Müdigkeit soll ihm keiner nachsagen, auch nach Jahrzehnten im Job zeigt sich Riad Mansur kampfbereit. Auf der Bühne der Vereinten Nationen in New York duelliert sich der 68-Jährige als Vertreter der Palästinenser fast schon rituell mit seinem israelischen Gegenüber. Doch einen solchen Eklat wie bei der jüngsten Sitzung des Sicherheitsrats hat es auch hier lange nicht mehr gegeben: Da inszenierten zwei ehrenwerte Botschafter den Konflikt ihrer beiden Völker gänzlich unbeeindruckt von Ordnungsrufen als Krieg der Worte.

Danny Danon, der israelische UN-Vertreter, brüllte: "Ihr verherrlicht Terroristen. Ihr bezahlt Selbstmordattentäter. Ihr benennt Straßen nach ihnen. Schande über euch." Und Mansur gab ebenso laut zurück: "Schande über euch, ihr bringt Tausende unserer Leute um." Chinas UN-Botschafter Liu Jieyi versuchte, Ruhe zu stiften, doch die beiden schrien sich weiter an. Mansurs Mikrofon wurde zeitweise abgedreht, aber er wusste sich Gehör zu verschaffen. Und am Ende der hitzigen Redeschlacht, da brach Mansur in Tränen aus. Zum Ausbruch kamen die Frustration und ungebremste Wut eines Diplomaten, dem die Grenzen der Diplomatie täglich aufgezeigt werden. Alle Friedensinitiativen in der Sackgasse, alle palästinensischen Resolutionen prallen spätestens am Veto der USA ab, und die seit Jahrzehnten versprochene palästinensische Staatsgründung liegt in weiter Ferne.

Just zu dem Zeitpunkt, als sich in New York wieder mal der Sicherheitsrat mit dem Dauerthema befasste und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gefordert hatte: "Hört auf, euch zu beschimpfen, redet miteinander", da explodierte in Jerusalem eine Bombe in einem Linienbus. Das ist die Realität des Nahost-Konflikts, die einen Sisyphus wie Mansur in seinem New Yorker Paralleluniversum immer wieder einholt.

Geboren wurde er in Ramallah, doch schon mit 20 Jahren war er zur Ausbildung in die USA gegangen. 1983 heuerte er bei der PLO-Vertretung in New York an, 2005 wurde er nach einem Ausflug in die Privatwirtschaft zum palästinensischen UN-Botschafter berufen. Bei aller Mühsal durfte er dort auch ein paar Freudentage erleben: im November 2012 etwa, als Palästina von der Vollversammlung zum "beobachtenden Nicht-Mitgliedstaat" aufgewertet wurde; oder Ende September 2015, als zum ersten Mal die Flagge Palästinas vor dem UN-Hauptquartier wehte. Solche Erfolge darf man auch der Beharrlichkeit von Riad Mansur zugute schreiben. An der hoffnungslosen Lage seines Volkes im Westjordanland und im Gazastreifen aber haben solche symbolischen Akte nichts geändert - und auch nicht am Auftrag Mansurs, weiterhin bei jeder Gelegenheit Israel an den Pranger zu stellen.

Beständig zieht er gegen den Siedlungsbau zu Felde, klagt über "israelische Kriegsverbrechen", vor wenigen Monaten provozierte er einen Skandal mit der Behauptung, die Israelis würden Handel treiben mit den Organen getöteter Palästinenser. Nun rief Mansur dem israelischen Kollegen zu: "Sie sind ein Besatzer, eine Kolonialmacht, lasst uns in Frieden." Selten war der Frieden ferner.

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