Karlsruhe:BKA-Gesetz: Verfassungsgericht schützt Bürger vor zu viel Überwachung

Illustration Cybercrime

Unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte der Bürger: Das Bundesverfassungsgericht setzt dem BKA Grenzen (Symbolbild).

(Foto: dpa)

Die weitreichenden Befugnisse des BKA zur Terrorabwehr sind zum Teil verfassungswidrig. Das entschieden die Karlsruher Richter. Das Gesetz greift demnach in der Praxis unverhältnismäßig in die Grundrechte der Bürger ein.

Die weitreichenden Befugnisse des Bundeskriminalamts zur Terrorabwehr sind zum Teil verfassungswidrig. Diese Entscheidung gab das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bekannt. Die Befugnisse der Behörde zur heimlichen Überwachung griffen in der Praxis unverhältnismäßig in die Grundrechte der Bürger ein. Das Gericht machte zahlreiche Vorgaben, damit die Regelung vorerst weiter angewendet werden kann, und setzte dem Gesetzgeber eine Frist zur Nachbesserung bis Ende Juni 2018.

Das BKA-Gesetz von 2008 umfasst dem Gericht zufolge 14 Paragrafen mit 49 Absätzen, die zahlreiche Befugnisse des BKA zur heimlichen Überwachung bei der Abwehr des internationalen Terrorismus regeln. Das BKA darf dazu etwa Wohnungen Verdächtiger mit Kameras und Mikrofonen verwanzen und sie auch im Bad und Schlafzimmer rund um die Uhr bespitzeln. Zudem ist dem BKA die Bespitzelung von unbeteiligten Kontaktpersonen erlaubt. Die Behörde darf Telefonate mithören, Computer heimlich online durchsuchen, alle Kommunikation, die per Computer geführt wird, aufzeichnen und gewonnene Daten an in- und ausländische Dienste weitergeben.

Nach den Worten von Vize-Gerichtspräsident Ferdinand Kirchhof ist dies zwar im Grundsatz mit den Grundrechten vereinbar. Die konkrete Ausgestaltung der Befugnisse durch den Gesetzgeber sei aber in verschiedener Hinsicht ungenügend. Der Senat habe "in etlichen Einzelvorschriften unverhältnismäßige Eingriffe festgestellt". Das Gericht entschied, dass viele der Ausführungsbestimmungen des Gesetzes teils zu unbestimmt sind oder zu weit gehen, dass es an Transparenz oder richterlicher Kontrolle sowie der Pflicht fehlt, das Parlament und die Öffentlichkeit über Maßnahmen zu informieren.

Die Furcht vor einem deutschen FBI

Der ehemalige Innenminister Gerhart Baum (FDP), einer der Beschwerdeführer vor dem Verfassungsgericht, sieht das BKA auf dem Weg zu einer Art deutschem FBI - eine schlagkräftige nationale Polizei mit geheimdienstähnlichen Befugnissen. Eine solch starke Zentralpolizei sollte es in der Bundesrepublik aber nach den Erfahrungen mit der Gestapo während der Nazi-Zeit nicht geben. Bis 2008 war das BKA in vielen Bereichen eher eine Koordinationsstelle für die Landespolizeien, dort waren zum Beispiel Waffendatenbank und Antiterrordatei angesiedelt.

Kameraüberwachung zu Hause und "Bundestrojaner"

Seit 2008 wurde über das neue Gesetz gestritten, das dem BKA mehrere Kompetenzen quasi im Paket zugesteht, von denen einzelne schon zuvor Gegenstand von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes gewesen waren. Die Frage war vor allem, wie weit das BKA in den privaten Lebensbereich der Bürger vordringen darf und wie konkret die Verdachtsmomente dafür sein müssen. Die Ermittler sollen neue Kompetenzen bekommen. So sollen sie unter anderem Verdächtige per Mikrofon und Kameras in Wohnungen überwachen und auf ihre PCs und Smartphones zugreifen dürfen, letzteres durch "Bundestrojaner".

Es gibt zwei Formen dieser Schnüffel-Software: Eine von ihnen, die zur sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ), wird eingesetzt, um die laufende Kommunikation abzufangen, bevor sie von bestimmten Diensten verschlüsselt wird. Vor kurzem wurde bekannt, dass die derzeit vom BKA verwendete Software nur den Videodienst Skype überwachen können soll (und das nur auf Windows), an moderneren Kommunikations-Apps wie Whatsapp aber scheitert.

Die zweite Form ist die Online-Durchsuchung: Mit diesen Programmen können Ermittler PCs und Smartphones nach Dateien durchsuchen und zum Beispiel Screenshots auf den Geräten machen. Gegner der dazu nötigen "Bundestrojaner" genannten Software argumentieren, dass beide Formen der Überwachung nicht trennscharf seien. Der Chaos Computer Club hatte 2011 eine solche Software bayerischer Behörden analysiert und war zu dem Schluss gekommen, dass diese nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben erfüllte. Obwohl sie nur zur Quellen-TKÜ eingesetzt werden sollte, soll es möglich gewesen sein, Geräte weitgehend zu durchsuchen.

Polizei sehnt sich nach neuen Befugnissen

Die Lobby der Polizei sehnt sich nach den neuen Befugnissen. Vor dem Urteil hatte der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) die zusätzlichen Befugnisse bei der digitalen Jagd nach Verbrechern gefordert. "Die Sicherheitsbehörden dürfen vieles in der analogen Welt, was sie in der digitalen nicht dürfen", sagte der BDK-Bundesvorsitzende André Schulz der Tageszeitung Die Welt. Es sei "hysterisch, wenn immer gleich mit der Keule 'Überwachungsstaat' geschwungen wird".

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