Konzert:Ungewohnte Akkorde

Lesezeit: 2 min

Beim ersten Hinhören klingt die Musik der chinesischen Indie-Band "Chui Wan" so, als könnte sie auch aus London oder Berlin kommen. Dann mischt sich aber doch Asiatisches dazu

Von Henrik Oerding

Touristische Besucher aus China hat München viele, musikalische Besucher aber deutlich weniger - zumindest abseits der klassischen Konzerte. Das liegt nicht zuletzt daran, dass chinesische Bands in Deutschland kaum bekannt sind, auch wenn sie sich "westlichen" Musikgenres wie Rock, Punk oder Pop zurechnen lassen. Chui Wan ist eine dieser in Europa noch weitgehend unbekannten Bands aus der Pekinger Musikszene. Gerade ist sie auf Europa-Tournee durch Portugal, die Niederlande und Frankreich unterwegs, nun kommt sie für ihr einziges Konzert in Deutschland ins Import-Export. Drei der vier Mitglieder von Chui Wan lernten sich im Internet kennen, 2010 war die gemeinsame Band gegründet. Deren Dreh- und Angelpunkt ist Sänger und Multi-Instrumentalist Yan Yulong. Er genoss schon als Kind eine klassische Musikausbildung, spielte Geige und Klavier. Später zog es ihn dann aus Chinas Norden nach Peking, wo er die Indie-Musikszene der Stadt kennenlernte. Entsprechend kommen in Chui Wans Songs neben Gitarre, Bass und Schlagzeug auch immer wieder E-Geige oder Orgel vor, die oft mit vielen Effekten verzerrt werden.

Damit klingt Chui Wan ganz anders als die Carsick Cars, eine der im Ausland erfolgreichsten chinesischen Indie-Bands, die im vergangenen Jahr in München spielte. Deren Frontmann Zhang Shouwang ist dennoch einer der größten Förderer von Chui Wan und wird selbst wiederum von Blixa Bargeld von den Einstürzenden Neubauten gefördert. Chui Wan veröffentlichen ihre Alben wie die Carsick Cars beim chinesischen Indie-Label "Maybe Mars", dem Label des D-22, dem bekanntesten Punk-Club Pekings. 2012 brachten sie dort ihr Debütalbum "White Night" heraus, im letzten Jahr folgte das zweite Album "Chui Wan".

Staatlich geförderten Indie-Pop aus China spielen "Chui Wan" im Import Export. (Foto: Chui Wan)

Gerade das zweite Album atmet eine innere Ruhe: Langsam bauen sich die Songs auf, graduell treten kleine Melodien dazu, meditativ haucht Yan Yulong seine Texte dazu. Sie klingen sehr impressionistisch, allerdings nach urbanen Impressionen: Im ersten Moment könnte man die Herkunft der Stücke auch in Berlin oder London vermuten, beim zweiten Hören entdeckt man aber doch Ungewohntes: Akkorde, die man so nicht erwartet, Tonfolgen, denen etwas Asiatisches anhaftet. Chui Wan nennen als ihre maßgeblichen Einflüsse spanische House-Musik, die schwedische Band Goat, aber auch Komponisten wie John Cage oder den Minimalisten La Monte Young. Dazu kommen traditionelle asiatische Elemente, die die vier Künstler in ihre Musik aufnehmen wollen.

Es kommen also viele Genres zusammen, was sich auch im namensgebenden Sprichwort der Band wiederfindet, das auf den taoistischen Philosophen Zhuangzi zurückgeht: "Wenn der Wind weht, kann jeder Klang darin gehört werden." Für ihre Europa-Tournee haben sich Chui Wan jedoch einen anderen Philosophen als Türöffner ausgesucht: Viele der Konzerte werden vom chinesischen Konfuzius-Institut mitorganisiert, so auch das in München. Das Institut ist eine vom chinesischen Staat getragene Einrichtung und damit in Deutschland nicht unumstritten - häufig wird ihm vorgeworfen, sich nicht auf die Vermittlung von chinesischer Kultur und Sprache zu beschränken, sondern vielmehr Propaganda zu betreiben.

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Ob Propaganda oder nicht, eine Underground-Band, gefördert vom chinesischen Bildungsministerium, wirkt zuerst seltsam. Das liegt vor allem daran, dass westliche Indie-Bands fast immer auch politische Aussagen in ihren Songs transportieren. Der Widerspruch lässt sich leicht auflösen, versteht man Chui Wan - wie viele chinesische Bands - als apolitisch. In einem Interview sagten die Bandmitglieder, sie seien durch die chinesische Regierung nicht eingeschränkt, da sie sich nicht mit Politik beschäftigen. Songs wie "Beijing Is Sinking" beziehen sich nicht auf politische Dimensionen, sondern das urbane Leben - und das hat seine ähnlichen Probleme in New York, London oder eben München.

Chui Wan , Freitag, 22. April, 21 Uhr, Import Export, Dachauer Straße 114

© SZ vom 22.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: