Nach dem Tod des US-Künstlers:Was Prince dem Pop bescherte

Er lebte für die Musik, die Kunst - und inspirierte die Pop-Nachwelt in vielerlei Hinsicht.

Von Carolin Gasteiger

Langsam setzt sich die immer noch unfassbare Nachricht von Prince' Tod. Mit jeder Minute, in der man seinen Tod verarbeitet, wird klarer, dass nicht nur die Musik umgemein viel für Prince bedeutete - sondern umgekehrt auch, wie sehr Prince die Popmusik beeinflusst hat.

Zuallererst wäre da diese Stimme, wenn der Ausdruck "Stimme" überhaupt zutrifft. Prince säuselte, hauchte, kiekste ins Mikrofon. In "Kiss" schwingt sein Falsett sich hoch, höher, um nach "I wanna be your fantasy" in einem einzigen Piepser zu verklingen. In "Purple Rain" kontrastierte er das Kieksen mit ganz tiefem Bassgesang. Zweifellos - und sorry, Morten Harket, aber: Falsett klang im Pop nie so authentisch exaltiert wie bei Prince.

Mit dieser Kunststimme tauchte Prince in die unterschiedlichsten musikalischen Stile ein. Die eine, typische Prince-Musik gibt es nicht. Als Musiker bediente er sich bei schwarzer wie weißer Musik, Soul wie Funk, Balladen wie Beats. In Prince gingen sowohl seine Wurzeln als Sohn eines schwarzen Jazzmusikers und einer weißen Sängerin auf als auch die Musik seiner Vorbilder, James Brown, Jimi Hendrix, Curtis Mayfield. Er wollte sich nie festlegen, hatte nie Bedenken, die unterschiedlichen Stile zu vermischen. Als er 2004 in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen wurde, sagte er etwas, das sinnbildlich für sein Schaffen steht:

"Als ich begann, Musik zu machen, ging es mir vor allem um Freiheit. Die Freiheit zu produzieren, die Freiheit alle Instrumente selbst zu spielen, die Freheit alles zu sagen, was ich wollte."

Tatsächlich wollte Prince nie die Kontrolle über sein künstlerisches Werk abgeben. Von Anfang an, als er bei Warner unter Vertrag genommen wurde, produzierte er seine Songs selbst - und war damit der jüngste Plattenproduzent in der Warner-Firmengeschichte. Klavierspielen konnte er, seit er sieben war, Gitarre und Schlagzeug brachte er sich selbst bei. Er war ein musikalisches Universalgenie - und setzte sich lange vor dem Aufkommen von Musikpiraterie und Streamingdiensten für das Urheberrecht ein. "Ein Jahrzehnt lang hat sein trotziges Gezeter um die Plattenindustrie seine Musik bei weitem übertönt", schrieb die Welt über Prince' Rechtsstreit in den Neunzigern mit Warner. Unabhängigkeit, nicht nur musikalisch, war ihm ein wichtiges Gut, womit er viele nachfolgende Künstler inspirierte.

Universalkunstwerk in zehn Buchstaben

Wie umfassend, wie universell sich Prince als Künstler verstand, manifestiert sich in zehn Buchstaben: "Purple Rain". Allein der Song hat Musikgeschichte geschrieben, eine gefühlige Ballade, das griffige Gitarrensolo, dazu Prince' Stimme, die sich von ganz tief unten in die höchsten Lagen schwingt. Das gesamte Album zählt für viele zu den besten Pop-Alben überhaupt, mit ihm gelang dem Künstler der internationale Durchbruch. Aber das reicht noch nicht. "Purple Rain" ist nicht nur Song, nicht nur Album, sondern auch ein Film, in dem Prince die Hauptrolle spielt - und üppig berüscht gleichsam sich selbst. Einen Musiker, der versucht, Erfolg zu haben. Auf diese Weise hat Prince Grenzen gesprengt und dem Pop gezeigt, wie umfassend man sich künstlerisch verwirklichen kann. Und dann beginnt er sein Werk auch noch mit einem Appell, bezieht seine Fans, die ihm stets wichtiger waren als jeder Erfolg, mit ein: "Dearly beloved, we're gathered here today to get through this thing called life ..."

Prince stilisierte sich selbst als Gesamtkunstwerk, wechselte dafür auch mal den Namen und thematisierte in den oftmals zensierten Songtexten seine sexuelle Zerrissenheit. Womit Miley Cyrus oder Robin Thicke heute allenfalls noch irritieren, wirkte in den Achtzigern maximal verstörend. Hören Sie sich mal die Masturbationshymne "Darling Nikki" an ("I wanna grind, grind, grind").

In Prince' Musik ging es immer auch um ihn. Im Musikvideo zu "Cream" marschiert er selbst als begehrter Künstler samt geschniegelter Entourage durch die Bahnhofs-Wartehalle. Sich lediglich als Musiker, Sänger, Gitarrist zu sehen, war dem freiheitsliebenden Popstar immer zu wenig. Prince konnte alles, er lebte für die Musik, den Pop, die Kunst.

Wenig verwunderlich, wie vielfältig Prince andere Künstler musikalisch geprägt und beeinflusst hat. Allein die vielen Coversongs und -versionen, seine mannigfaltigen Einflüsse auf unterschiedliche Musikgenres. Prince hinterlässt vor allem, aber nicht nur ein immenses musikalisches Erbe. Und das mit nicht einmal 60 Jahren.

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