Experimentelle Studie:Universität untersucht Vorwürfe gegen Direktor der Haunerschen Kinderklinik

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Christoph Klein leitet seit 2011 das Haunersche Kinderspital in München. (Foto: Robert Haas)
  • Nach einem Bericht des SZ-Magazins hat der Direktor des Haunerschen Kinderklinikums eine Studie vorangetrieben, bei der es zu Todesfällen kam, die möglicherweise hätten verhindert werden können.
  • Die Uniklinik der Ludwigs-Maximilians-Universität hat angekündigt, die Vorwürfe zu untersuchen.
  • Auch Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle dringt auf Aufklärung.

Von Christina Berndt, Heiner Effern, Christian Krügel und Sebastian Krass, München

Das Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) hat eine Untersuchung der Vorwürfe gegen Christoph Klein, den Direktor der Haunerschen Kinderklinik, angekündigt. Das SZ-Magazin hatte am Freitag berichtet, der Mediziner habe über Jahre eine experimentelle Studie vorangetrieben, bei der es zu Leukämie- und Todesfällen gekommen sei, die womöglich hätten verhindert werden können.

Das Uni-Klinikum weist diese Vorwürfe zwar zurück; Bayerns Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle (CSU), der zugleich Aufsichtsratschef des Klinikums ist, dringt aber auf eine "sorgfältige, aber umfassende Aufklärung". Das "Vertrauen in die universitäre Medizin in München" dürfe nicht erschüttert werden. Deshalb sei eine Untersuchung richtig - "so zeitnah wie möglich, so gründlich wie nötig", sagte Spaenle der Süddeutschen Zeitung.

Seit 2011 leitet Christoph Klein die Haunersche Kinderklinik. Er gilt als hervorragender Wissenschaftler und zugleich umtriebiger Medizin-Manager. So hat er mit zahlreichen Spendenaktionen und viel gesellschaftlichem Engagement den Neubau der Kinderklinik durchgesetzt und zudem eine Stiftung zur Erforschung seltener Kinderkrankheiten gegründet, die Care-for-rare-Foundation.

Vor seiner Zeit in München versuchte Klein zwischen 2006 und 2009 in Hannover, die seltene, lebensbedrohliche Krankheit Wiskott-Aldrich-Syndrom (WAS) mit Hilfe einer experimentellen Gentherapie zu behandeln. Im Rahmen dieser Studie behandelten er und sein Team an der Medizinischen Hochschule Hannover insgesamt zehn Jungen.

Welche Vorwürfe gegen Klein im Raum stehen

Bei neun davon wurde die Therapie vollständig durchgeführt. Nachdem die Therapie den Kindern zunächst Linderung verschaffte, erkrankte mehr als die Hälfte der Jungen an Leukämie - sehr wahrscheinlich infolge der Gentherapie. Bis heute sind drei der Kinder gestorben. Bei der Behandlung der Leukämie fanden Krebsärzte für mehrere Kinder passende Stammzellspender. Nicht nur Leukämie, sondern auch die Ursprungskrankheit der Kinder, WAS, wird aber standardmäßig mit einer Stammzelltransplantation behandelt.

Daher steht gegen Klein der Vorwurf im Raum, er habe Kinder einer experimentellen Gentherapie unterzogen, die möglicherweise mit einer Standardtherapie hätten behandelt werden können. Der Mediziner sagte dem SZ-Magazin dazu, in Anbetracht vieler ethischer Argumente habe man sich entschlossen, "die Frage der Verfügbarkeit eines allogenen Stammzellenspenders nicht in die Einschlusskriterien aufzunehmen". Nach Ansicht von Experten entspricht das Vorgehen aber nicht wissenschaftlichen Standards.

Das will Wissenschaftsminister Spaenle nun geklärt wissen. Er begrüße daher die Untersuchung, welche die Uni-Klinik am Freitag ankündigte. "Wir werden das ganz eng begleiten", sagte Spaenle. Zu möglichen Auswirkungen auf die Haunersche Klinik und deren Neubau wollte er sich nicht äußern. Es sei aber klar, dass dieses Projekt im besonderen Fokus der Öffentlichkeit stehe - auch deshalb sei Aufklärung dringend geboten, so Spaenle.

Die Uni-Klinik nahm Christoph Klein in Schutz: Die in der Kritik stehende Studie sei "gemäß Standards der ärztlichen Ethik und regulatorischen Vorgaben sowie im Interesse der einzelnen Patienten" erfolgt, "dies ist dokumentiert", heißt es in einer Erklärung des Uni-Klinikums. Dennoch habe man die Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft in der Medizinischen Fakultät der LMU "beauftragt, die geübte Kritik zu prüfen", erklärte das Uni-Klinikum am Freitag.

Welche Kritik es intern an Klein gibt

Die Vorwürfe gegen Klein sind auch deshalb brisant, weil es unter Mitarbeitern der Kinderklinik schon länger Diskussionen über die Ausrichtung des Hauses gibt. Direktor Klein habe die Klinik immer stärker forschungsorientiert ausgerichtet, heißt es. Für die Basisversorgung der Patienten sei angeblich zu wenig getan worden. "In einer Kinderklinik würde man sich doch Empathie gegenüber Kindern als höchstes Gut wünschen", sagt ein Professor, der namentlich ungenannt bleiben will. "Forschungsambitionen sollten da zweitrangig sein."

Wolfgang Heubisch dagegen verteidigt Kleins Forschungsarbeit. Als Wissenschaftsminister hatte er 2011 der Berufung Kleins nach München zugestimmt. Es sei klar gewesen, dass ein Chef verpflichtet wurde, der seinen Fokus stark auf die Wissenschaft gerichtet habe. Eine Exzellenz-Uni wie die LMU habe schließlich auch die Aufgabe zu forschen, sagt Heubisch.

Es sei als verdienstvoll angesehen worden, dass sich Klein der Heilung seltener Krankheiten bei Kindern widme. Seinen Weg sei Klein "mit klarer und konsequenter Haltung" gegangen, was möglicherweise nicht bei allen Mitarbeitern immer gut angekommen sei.

Er habe den Direktor als "sehr durchsetzungswilligen und starken Wissenschaftler und Arzt" kennengelernt - gerade auch, was das Neubauprojekt anbelangt, das Neue Haunersche. Die Spendenaktionen dafür laufen weiter auf Hochtouren.

Am Donnerstag erst verschickte die "Stiftung Das Neue Hauner" tausende Spendenaufrufe per Post. Darin bitten der Ärztliche Direktor Karl-Walter Jauch, Christoph Klein und zwei weitere Professoren um Geld. "Gemeinsam können wir Leben retten" heißt es. "Unterstützen Sie mit Ihrer Spende die Forschung am Neuen Hauner."

© SZ vom 23.04.2016 / bern, heff, kc, sekr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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