Bye, bye, Butterfly:Alter Falter!

Andreas Segerer ist einer von ganz wenigen Lepidopterologen in Deutschland. Für die Zoologische Staatssammlung in München hat er einen Atlas aller in Bayern nachgewiesenen Schmetterlingsarten erstellt. Und stellte fest: Die Vielfalt nimmt drastisch ab

Von Martina Scherf

Die Tage werden langsam wärmer, und die Natur wacht endlich aus dem Winterschlaf auf. Eine der ersten Frühlingsboten sind die Schmetterlinge, die sich beim Naschen aus Blüten oder beim Sonnenbaden beobachten lassen. Es gibt in Bayern viel mehr Schmetterlingsarten als man denkt, genauer gesagt: 2815. Klingt viel, ist aber weit weniger als in früheren Zeiten. Das hat Andreas Segerer von der Zoologischen Staatssammlung in München jetzt dokumentiert, unterstützt von freiwilligen Helfern. "Ein Jahrhundertwerk" nach Aussage der Staatssammlung, es ist Teil des Projekts "Barcoding Fauna Bavarica", mit dem die Zoologen die bayerische Tierwelt genetisch erfassen wollen.

Wer ein altes Kinderbuch aufschlägt, der sieht sie noch: den Schwalbenschwanz oder das Tagpfauenauge, den Zitronenfalter oder den Kleinen Fuchs. Heute kennt kaum noch jemand die schönen Namen, die Biologen den Schmetterlingen gegeben haben: das Federgeistchen, der Kaisermantel oder das Schachbrett. Für Andreas Segerer, 54, ist das kein Problem, Lateinisch oder Deutsch, er nennt sie beim Namen, weiß um ihre Lebensgewohnheiten. Seit Kindertagen ist er auf der Pirsch, "schon als Fünfjähriger habe ich Schmetterlinge gesammelt". Heute ist er einer von ganz wenigen Lepidopterologen in Deutschland.

Bye, bye, Butterfly: Andreas Segerer im Feldeinsatz in Peru.

Andreas Segerer im Feldeinsatz in Peru.

(Foto: privat)

Gerade ist Bayerns oberster Schmetterlingsforscher aus dem Urwald von Peru zurück. Noch am Flughafen beantwortet er die aufgelaufenen E-Mails und ruft - ein bisschen übermüdet - gleich zurück. Aber wie hatte sein Vorgesetzter an der Zoologischen Staatssammlung gesagt? "Ein Schmetterlingsforscher schläft sowieso nie." Stimmt fast, sagt Segerer. Zumal sein Spezialgebiet die Motten sind. Und die scheuen nun mal den Tag. Deshalb geht er nachts auf die Pirsch, stellt ultraviolette Lampen im Dschungel auf, um die Falter anzulocken. Die Forschungsstation der Zoologischen Staatssammlung liegt mitten im Regenwald, am Osthang des Amazonasbeckens. Ein bis zwei Mal im Jahr ist Segerer dort auf Schmetterlingsfang, kämpft sich mit der Machete durch den Regenwald, ausgestattet mit Netz, Stiefeln und Tropenhelm. Die restliche Zeit widmet er sich dem Auswerten der Daten und der heimischen Fauna.

Zwei Jahre hat die Arbeit an dem bayerischen Schmetterlingsatlas gedauert. "Ohne die freiwillige Hilfe von Fachamateuren könnten wir das gar nicht schaffen", betont Segerer. Sein Partner in diesem Projekt war der Traunsteiner Krankenhausapotheker Alfred Haslberger, auch er von Kindheit an von Schmetterlingen begeistert. Die Forscher haben gesammelt, kategorisiert, Datenbanken gewälzt und ihre Erkenntnis mit jenen aus 250 Jahren Schmetterlingsbeobachtung verglichen. Traurige Erkenntnis: "13 Prozent der früher bekannten Arten in Bayern haben wir nicht mehr nachweisen können", sagt Segerer. Andererseits gab es aber auch eine erstaunliche Entdeckung: "Wir haben 100 Neuzugänge gefunden, wie drei Arten aus der Familie der Miniersackträger, die bisher in Mitteleuropa noch nie gesehen wurden."

Das freut das Herz des Lepidopterologen. Aber Segerer hat noch andere Leidenschaften. Katzen, zum Beispiel, und Sterne. 14 Jahre lang leitete er ehrenamtlich die Sternwarte in seiner Heimatstadt Regensburg. Ferne Galaxien und winzige Schmetterlinge, ist das nicht ein weiter Bogen? "Die einen gäbe es ohne die anderen nicht", sagt er, "zuerst war das All, dann die chemischen Elemente, aus denen die Erde entstand, dann das Leben , die Evolution und dabei eben auch die Schmetterlinge. Ist doch logisch . . ."

Zu Hause in seinem Garten in Regensburg züchtet er Raupen für seine Forschung. Viele Tiere findet man nur noch selten in freier Natur. Denn immer mehr Arten sind durch die intensive Landwirtschaft und den Eingriff des Menschen in die Natur bedroht. Dass eine Art nicht mehr gefunden wird, heißt zwar noch nicht, dass sie ganz ausgestorben ist, sagt Segerer, "aber die Bestände vieler Schmetterlinge sind dramatisch rückläufig, bei manchen Arten bis zu 90 Prozent". Zum Beispiel auch beim Tagpfauenauge, "das war früher ja ein Allerweltsschmetterling". Es braucht also Glück und ein geschultes Auge, um manche der zierlichen Tierchen zu entdecken. Wer ihnen zuschaut, ist dann vielleicht genauso wie Andreas Segerer fasziniert von ihrer Leichtigkeit des Seins.

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