Zweitwohnungen:Das Problem mit den Stufen

Verwaltungsgerichtshof überprüft, ob die Zweitwohnungssteuer fair berechnet wird

Von Lisa Schnell

Es geht um eine "Revolution", eine "totale Wende", sagt der Richter des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs diesen Mittwoch. Eine Wende, von der unzählige Wohnungsbesitzer und Mieter sowie etwa 140 Gemeinden betroffen wären. Bis jetzt bessern die ihren Haushalt mit der Zweitwohnungssteuer auf. Doch die Satzung, nach der sie das tun, ist laut dem Verwaltungsgericht München keine "wirksame Rechtsgrundlage", also nicht gültig. So entschied das Gericht Ende Oktober 2015, als zwei Wohnungseigentümer gegen die Gemeinden Bad Wiessee und Schliersee klagten. Folgt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dieser Interpretation, könnte das für viele Gemeinden das Ende des Steuersegens sein. Als Ende einer jahrelangen Ungerechtigkeit würden es wohl die Kläger wie Olaf K. feiern.

Von ihm verlangte die Gemeinde Bad Wiessee jahrelang 225 Euro Zweitwohnungssteuer im Jahr. Vor zwei Jahren aber wurde der Wert seiner Wohnung, nach der sich die Steuer bemisst, neu begutachtet. K. sollte von nun an doppelt so viel Steuern zahlen, obwohl der Wert seiner Wohnung bei weitem nicht doppelt so hoch eingeschätzt wurde. Grund dafür ist ein Stufenmodell, wie es die Mustersatzung des bayerischen Gemeindetags vorsieht. Danach zahlen etwa Bewohner, deren Wohnung zwischen 1250 und 2500 Euro im Jahr kostet, 225 Euro im Jahr, bei nur einem Cent mehr aber müssen sie 450 Euro zahlen. Ein Rechenbeispiel: Jemand, der wegen des einen Cents zu viel in die nächste Stufe rutscht, zahlt 18 Prozent Steuern, während ein besser Betuchter am oberen Ende derselben Stufe nur neun Prozent zahlt, also halb so viel. Das sei ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, sagt Wolfgang Schuhbaur, Anwalt von Olaf K. Wer mehr habe, der müsse auch mehr Steuern zahlen. Er beruft sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 2014. Darin hatten die obersten Richter eine ähnliche Stufenregelung der Stadt Konstanz gekippt.

Doppelter Steuersatz bei nur einem Cent mehr - Kerstin Funk kann verstehen, dass die Kläger das als ungerecht empfinden. Aus der Sicht der Gemeinden aber, die sie vertritt, sei eine andere Regelung gar nicht möglich. Die Kläger favorisieren eine lineare Besteuerung, wie sie etwa Bad Tölz schon beschlossen hat. Dort will die Gemeinde nun neun Prozent der exakten Nettokaltmiete der Wohnung verlangen. Jedes Jahr den genauen Wert einer Wohnung zu ermitteln, das wäre laut Funke "eine schwierige Rechnerei". Für viele Gemeinden würde sich der Aufwand und damit die Zweitwohnungssteuer gar nicht mehr lohnen, sagt Wilfried Schober vom bayerischen Gemeindetag.

Wie das Gericht sich entscheiden wird, ist für den Klägeranwalt Schubaur völlig offen, Funke dagegen ist zuversichtlich, dass die Richter die Satzung als zulässig ansehen. Ein Abweichen vom Gleichheitsgrundsatz ist nämlich dann möglich, wenn es für die Verwaltung eine Vereinfachung bedeutet. Hinzu kommt, dass der Fall Konstanz nicht direkt mit der bayerischen Satzung zu vergleichen ist. In einer Woche wird der Beschluss verschickt. Der mehr als zehn Jahre währende Streit um die Zweitwohnungssteuer ist damit aber wohl nicht zu Ende: Welche Partei auch verlieren mag, sie wird wohl Revision einlegen.

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