Bundestag:Maas' Pläne zum Sexualstrafrecht greifen zu kurz

Bundestag: Schon seit Jahren fordern Frauen, dass Männer ein "Nein" akzeptieren sollen. Inzwischen sehen das auch CSU-Politiker so.

Schon seit Jahren fordern Frauen, dass Männer ein "Nein" akzeptieren sollen. Inzwischen sehen das auch CSU-Politiker so.

(Foto: imago stock&people)
  • Es gibt im Strafgesetzbuch keinen Paragrafen, der den Grapscher bestraft, der seine Hand unter einen fremden Rock schiebt.
  • Deshalb ist es gut, dass selbst die CSU neufeministische Züge annimmt.
  • Das geplante Sexualstrafgesetz kann nur ein Anfang sein, mehr nicht.

Kommentar von Constanze von Bullion

Nein heißt Nein - hinter dieser Parole versammeln sich Frauenrechtlerinnen und Neufeministen aller Sorte im Kampf gegen die Reform des Sexualstrafrechts. Der Bundesjustizminister hat sie auf den Weg gebracht, weil sexuelle Übergriffe so definiert sind, dass kaum ein Täter zur Verantwortung gezogen werden kann.

Finger unter fremdem Kleid oder unerwünschte Hand auf Brust - dafür gibt es im Strafgesetzbuch keinen Paragrafen. Und der Tatbestand der Vergewaltigung setzt voraus, dass der Täter Gewalt anwendet oder das Opfer um sein Leben fürchten muss. Kann es keine Gegenwehr nachweisen oder das Messer am Hals, geht der Täter in der Regel straflos aus.

Justizminister Heiko Maas will das ändern, mit Grund. Denn nur die wenigsten Vergewaltigungen spielen sich so ab, wie der Gesetzgeber sich das mal vorgestellt hat: per Überfall im Wald. Oft zwingen Verwandte oder Bekannte Frauen zu sexuellen Handlungen - nicht alle, aber die meisten Opfer sind Frauen.

Sexuelle Gewalt kommt auch nicht notwendig mit der Waffe daher, sondern unter Ausnutzung von Angst, durch Überrumpelung oder mit dem Mythos von der Frau, die zwar Nein sagt, aber Ja meint. Das geplante Gesetz lässt Gerichte also genauer hinschauen. Es ist ein Anfang, mehr aber nicht.

Silvester hat mehr bewegt als 100 Jahre Frauenrechtlertum

Gegen die Reform aus dem Hause Maas wird protestiert, zu Recht, und wer am Donnerstag die Bundestagsdebatte verfolgt hat, durfte sich schon mal kurz wundern. Von der Linkspartei bis zur Union sind neuerdings alle dafür, dass Frauen besser vor Anmache und Übergriffen geschützt werden.

Da schau her. Jetzt kämpft sogar die CSU für einen zusätzlichen "Grapschparagrafen". Keine Frage, das ist ein zivilisatorischer Fortschritt, auch wenn er nur der Silvesternacht in Köln geschuldet ist. Muslimische Männer haben da einheimische Frauen angegriffen. Das hat eine Urangst des weißen Mannes geweckt und mehr Empörung als 100 Jahre Frauenrechtlertum.

Egal, die Neufeministen sind willkommen, denn das Gesetz darf nicht verabschiedet werden wie vom Justizminister geplant. Nach wie vor sind es die Opfer, die vor Gericht belegen müssen, wie sie sich gegen Vergewaltigung gewehrt haben. Ein Nein reicht da nicht. Sexuelle Selbstbestimmung bleibt nach dieser Logik weniger geschützt als etwa der Besitz eines Fahrrads. Das Fahrrad darf kein anderer nehmen, solange die Besitzerin nicht zustimmt. Ihren Körper aber muss eine Frau erst verteidigen, sonst gehört er, so die Botschaft, dem Grunde nach dem Mann.

Nein heißt Nein - das ist kein platter Spruch, sondern sollte selbstverständlich sein.

Jede sexuelle Handlung ohne Einvernehmen gehört bestraft. Der Justizminister führt auch in die Irre, wenn er meint, ein Nein allein sei schwer nachzuweisen. Das gilt auch für den jetzt geplanten Tatbestand der Drohung oder Überraschung. Auch Warnungen vor massenhaften Falschanzeigen gehen fehl. Im Zweifel für den Angeklagten, das gilt auch in Vergewaltigungsprozessen. Sie bleiben eine Tortur, so oder so, und insbesondere für das Opfer.

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