SZ Kultursalon:Nur wer die Sehnsucht kennt

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Der Leiter des "Instituto Cervantes", Ferran Ferrando, erzählt beim SZ Kultursalon in der Sammlung Schack vom wechselvollen Verhältnis Spaniens zu Bayern im Spannungsfeld zwischen romantischer Verklärung und brutaler Realität

Von Susanne Hermanski

So nah und doch so fern. Die Sammlung Schack steht mitten in München, in der Prinzregentenstraße, da wo sie die Isar kreuzt, sie gehört neben den Pinakotheken zu den Big Five der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Trotzdem kennt sie kaum jemand. Und wer sie kennt, war oft eine halbe Ewigkeit nicht mehr dort. Sie ist Münchens unbekanntestes Museum - da widerspricht nicht einmal Herbert W. Rott, der Kurator und Hüter dieses Schatzes, um den er sich seit dem Jahr 2000 kümmert. In all der Zeit wurde die Sammlung etagenweise von unten nach oben restauriert. In dieser Woche ist nun des oberste Stockwerk fertig geworden, voll mit Gemälden von spanischen Landschaften und anderen Sehnsuchtsorten, die sich der Sammler, Mäzen und Romantiker Graf Adolf Friedrich von Schack Mitte des 19. Jahrhunderts von Münchner Künstlern hatte malen lassen.

Kopien Alter Meister und ein Original: Der Leiter des Spanischen Kulturinstituts Ferran Ferrando war der Gast des SZ Kultursalons. (Foto: Stephan Rumpf)

Diese Komplettierung war der Anlass für ein Führungs- und Veranstaltungsprogramm, das noch bis zu diesem Samstag bei freiem Eintritt läuft, und das der Sammlung Schack innerhalb weniger Tage beinah die Hälfte jener Besucherzahl bescherte, auf die sie es sonst oft im ganzen Jahr bringt: Nur 8000 Besucher zählte man 2015. Zu diesem sprunghaften Anstieg der hat auch der Kultursalon der Süddeutschen Zeitung beigetragen, der diesmal dort im Kopiensaal stattgefunden hat. Als Gast war Ferran Ferrando, der Leiter des spanischen Kulturinstituts eingeladen, das 2016 sein 60-jähriges Bestehen in München feiert. Auch er war noch nie in diesen Räumen gewesen, bevor ihn die SZ eingeladen hatte, hier über "Sehnsuchtsorte" und das Bayerisch-Spanische Verhältnis zu sprechen.

"Ich bin ganz überwältigt von der Aura dieses wunderbaren Orts", sagt er zum Auftakt des Salongesprächs. Und er deutet auf die große Tizian-Kopie von Lenbach, die im Originalformat im Saal hängt. Sie zeigt Kaiser Karl V. "und der war ja der Letzte, der Spanien und Deutschland unter einen Hut brachte - vor der EU." Die Verbindung zwischen Spanien und Bayern war dennoch über Jahrhunderte intensiv, das ist den Verwandtschaftsverbindungen zwischen den Königshäusern zu verdanken und Personen wie Schack. "Auch der historische Kontext von 1956, in dem unser Institut gegründet wurde, ist interessant", erzählt Ferrando. "Denn die Gründung war zur Zeit des Kalten Krieges, in der in Spanien Diktatur herrschte und es isoliert war." Konrad Adenauer habe mit Franco, dem erklärten Anti-Kommunisten, trotzdem 1954 das erste Kulturabkommen abgeschlossen.

Die Malerin und Wittelsbacherin Pilar von Bayern - zu einem Viertel Spanierin - habe damals dem "Instituto" eine außergewöhnlich gute Adresse vermittelt: in der Münchner Residenz. Pilar war wie Schack begeisterte Reisende, Mäzenin, und sie saß lange im Kuratorium des Kulturinstituts. Ihr Bruder Adalbert von Bayern "war als erster Botschafter der Bundesrepublik in Spanien ebenfalls gut verzahnt", sagt Ferrando. Er erzählt auch, wie Franz Josef Strauß bei der Ansiedlung des Instituts geholfen haben soll: "Es wird kolportiert, dass er damals als ,Bundesminister für besondere Aufgaben' eine Million Peseten angeboten hat, wenn Spanien das Institut in München aufbaut." Die sei aber wohl gar nicht nötig wesen. Denn Franco habe im übrigen Deutschland drei Probleme gesehen. "Zum einen: seine eigene einstige Zusammenarbeit mit Hitler, zum anderen: Protestanten, zum dritten: Sozialdemokraten. Dann hat er sich gefragt, wie kann man die umgehen? - Indem wir nach München gehen."

Ferran Ferrando hat in seiner Familie selbst wechselvolle Momente der deutsch-spanischen Geschichte: "Mein Vater ist 33 geboren. Er hat seine Mutter 1938 bei Experimenten der Legion Condor verloren, die ihre Stukas im spanischen Hinterland ausprobierten und gezielt Häuser bombardierte." Trotzdem sei er mit seiner Familie und dem damals fünfjährigen Ferran später nach Deutschland gegangen. "Er hat sich als Gastarbeiter anwerben lassen, weil er raus wollte aus dem wirtschaftlichen und kulturellen Elend Spaniens. Für ihn war das eine Hoffnung, selbst in Würde zu leben und seine Kinder großziehen zu können." Deutschland sei für seinen Vater damals eben auch "ein großer Sehnsuchtsort" gewesen. Schließlich habe es schon seit Schacks Zeiten, der Spanien in den Bildern der Maler hemmungslos verklärten ließ, "als Mekka des Fortschritts" gegolten. Ferran Ferrando, der in Göttingen Literaturwissenschaft studiert hat, wollte als Kind übrigens nicht nach Deutschland kommen. "Jetzt bin ich aber froh und den Deutschen dankbar, dass sie uns aufgenommen haben. Dass wir hier bleiben durften, ohne so große Probleme, wie es die jetzigen Flüchtlinge haben." Er selbst habe nun als Erwachsener aber keinen besonderen Sehnsuchtsort mehr. "Wenn man so zwischen den Welten lebt, halb hier, halb dort, ist man ein glücklicher Mensch. Ich lebe gern damit - und in der Sehnsucht ist das alles miteinander vereinbar."

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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