Prozess:Videobeweis bewahrt Fußballfan vor Verurteilung

  • Nach einem Fußballspiel war es im Dezember 2014 zu einer Schlägerei gekommen.
  • Angeklagt war nun ein 20-Jähriger aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck wegen gefährlicher Körperverletzung; er soll einem Mann mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben.
  • Ein Video entlastet ihn: Die Aggression war vom vermeintlichen Opfer ausgegangen.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Um strafbare Handlungen bei Krawallen in Fußballstadien nachweisen zu können, macht die Polizei regelmäßig Videoaufnahmen von den Zuschauerrängen. Einen Fan des TSV 1860 München aus Alling haben solche Bilder nun allerdings vor der Verurteilung bewahrt: Der Münchner Amtsrichter schaute ganz genau hin und entdeckte, dass der als mutmaßlicher Schläger angeklagte 20-Jährige in Wirklichkeit das Opfer war.

Das Fußballspiel, wegen dem der junge Mann aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck auf der Anklagebank saß, fand schon im Dezember 2014 statt. Nach Spielende war es in der Nordkurve zu einer Schlägerei gekommen. Dabei war der junge Mann als mutmaßlicher Raufbold ins Video-Visier der Polizei geraten. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage am Jugendgericht München mit dem Vorwurf, dass zunächst der Freund dieses Fans und dann der Allinger selbst einen unbekannten Mann mit der Hand ins Gesicht geschlagen haben sollen.

Der Richter ließ sich in der Verhandlung die maßgeblichen Videosequenzen vorspielen. Daraufhin großes Erstaunen, selbst bei der Staatsanwältin im Sitzungssaal: Es war deutlich zu sehen, dass die Aggression zunächst eindeutig nicht von dem jungen Mann ausgegangen ist, sondern von dem vermeintlichen Opfer.

Auf dem Video war zu erkennen, dass der Allinger ein über die Reling hängendes Banner abnehmen wollte. Dabei wurde ihm von einem nach wie vor unbekannten Mann der Weg versperrt. Offensichtlich blieb der 20-Jährige dabei jedoch völlig entspannt. Er schaffte es schließlich, ohne jegliche Aggression an diesem Mann vorbei zu kommen.

Dabei schob er ihn ein Stück von sich weg. In diesem Moment versetzte ihm der Fremde einen Fausthieb ins Gesicht. Erst daraufhin habe der junge Fan "reflexartig", wie der Richter die Bilder kommentierte, dem Unbekannten mit der offenen Hand ins Gesicht geschlagen.

Auf diesen Videobeweis hin beantragte die Staatsanwältin sofort einen Freispruch. Der Richter beurteilte den Fall ebenso: "Dieser Schlag war gerichtlicher Einschätzung nach durch eine Notwehrlage gerechtfertigt", sagte er. Durch das aggressive Verhalten des vermeintlich Geschädigten, das letztlich in einem Faustschlag in sein Gesicht mündete, habe sich der junge Allinger der Gefahr ausgesetzt gesehen, weiter körperlich angegriffen und möglicherweise verletzt zu werden, erklärte das Gericht.

"Gegen die Fortsetzung des körperlichen Angriffs des ,Geschädigten' auf ihn durfte er sich auf die erfolgte Art und Weise zur Wehr setzen", heißt es nun im Urteil. "Sein Verhalten war daher durch Notwehr gerechtfertigt und nicht strafbar." Der 20-Jährige wurde vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen.

Das Urteil (Az.: 1031 Ds 467 Js 203867/15 jug) ist rechtskräftig.

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