Griechenland:IWF droht mit Rückzug von Griechenland-Hilfe

  • IWF-Chefin Lagarde fordert einen Plan für einen Schuldenschnitt für Griechenland.
  • Andernfalls will sich der IWF nicht an weiteren Krediten für Athen beteiligen.
  • Das Ultimatum bringt Finanzminister Schäuble in die Bredouille - seine Verhandlungsposition könnte kaum schlechter sein.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Entweder - oder. Unmittelbar vor dem Sondertreffen der internationalen Gläubiger Griechenlands am kommenden Montag hat Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Bundesregierung ein Ultimatum gestellt: Entweder die Gläubiger stellen jetzt ihre fruchtlosen Verhandlungen über zusätzliche Sparmaßnahmen ein und einigten sich stattdessen auf einen Plan für einen Schuldenschnitt, der noch vor Juli in Kraft treten und damit eine Pleite Griechenlands verhindern könnte. Oder der IWF werde sich trotz des ausdrücklichen Wunsches aus Berlin nicht am dritten Kreditprogramm für Griechenland beteiligen.

Lagarde hatte ihre Forderung am Donnerstagabend nach Europa übermittelt. Der Brief war formal korrekt an die Finanzminister der 19 Euro-Länder adressiert, vor allem aber an die Bundesregierung gerichtet. "Ich denke, es ist Zeit für mich, unsere Position klarzustellen und die Gründe zu erklären, warum wir denken, dass spezielle Maßnahmen, Schuldenrestrukturierung und Finanzierung jetzt gleichzeitig diskutiert werden müssen", schreibt Lagarde. Der Brief erreichte Berlin am Freitag, einem Brückentag, an dem die meisten der mit Griechenland beschäftigten Beamten und Politiker frei hatten und nicht zu erreichen waren. Das Bundesfinanzministerium wollte sich zu dem, wie es hieß, vertraulichen Schreiben nicht äußern.

Griechenland habe maximal ein Fünftel der Auflagen erfüllt, so der IWF

Sicher ist allerdings: Lagardes Forderung, jetzt gleichzeitig über Reformen, Schuldenerlass und Finanzierung zu verhandeln, hebelt die Planungen der Bundesregierung zu Griechenland komplett aus. Bisher pocht Berlin darauf, die drei Ziele - Reformen, Schulden, Finanzierung - nacheinander abzuhandeln. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wiederholt seit Monaten, dass Griechenland zuerst die Spar- und Reformauflagen erfüllen müsse und danach erst, wenn nötig, über Schuldenerleichterungen gesprochen werden könne. Wobei Schäuble jedesmal klarstellt: Aus seiner Sicht sei es unnötig, Athen bei den Schulden weiter entgegenzukommen.

IMF Managing Director Christine Lagarde speaks about strengthening global tax policy at the 2016 IMF World Bank Spring Meeting in Washington

IWF-Chefin Christine Lagarde stellt sich gegen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

(Foto: REUTERS)

Doch schon beim ersten Ziel, der Verabschiedung der Spar- und Reformauflagen, sind alle Beteiligten seit zehn Monaten nicht weitergekommen. Maximal 20 Prozent der im Sommer 2015 vereinbarten Auflagen habe die griechische Regierung umgesetzt, haben die Experten des IWF herausgefunden. Das ist viel zu wenig, um mit gutem Gewissen die Augen zudrücken zu können und die nächste Tranche aus dem 86 Milliarden Euro umfassenden dritten Kreditprogramm anweisen zu lassen.

Eigentlich sollten genau aus diesem Grund am Montagnachmittag die internationalen Gläubiger Griechenlands nach Brüssel fliegen: um sich auf die Auszahlung der nächsten Kredittranche zu einigen. Als sich aber die IWF-Experten auf das Treffen vorbereiteten, mussten sie feststellen, dass man trotz monatelanger Verhandlungen über Reformen und Reförmchen in Athen einer Vereinbarung keinen Schritt näher gekommen war. Diese schlechte Nachricht überbrachten sie ihrer Chefin Lagarde und die entschloss sich, das Gezerre zu beenden und das Ultimatum zu stellen.

Schäubles Verhandlungsposition könnte kaum schlechter sein

Lagardes Brief setzt der deutschen Hoffnung ein Ende, wonach es mit einem Zusatzpaket an Spar- und Reformmaßnahmen gelingen könnte, die Auflagen ohne Schuldenschnitt einhalten zu können. Mitte April hatte Schäuble vorschlagen lassen, die griechischen Abgeordneten mögen doch Maßnahmen im Umfang von zwei Prozent des Bruttosozialproduktes auf Vorrat beschließen, die nur dann umgesetzt werden müssten, wenn es bei den ursprünglich beschlossenen Maßnahmen hapere. Der IWF hatte dem deutschen Vorschlag nur mit großem Zögern zugestimmt. Doch Lagardes Geduld ist zu Ende. Sie signalisiert in dem Brief, dass die Gespräche "fruchtlos" verlaufen seien und zudem "eine Verzögerung in den Verhandlungen und in der Auszahlung der dringend benötigten Kredite hervorgerufen haben". Sie lehnt weitere Verhandlungen über zusätzliche Auflagen ganz klar ab. "Es besteht kein Zweifel, dass es nicht nur sehr schwer sein würde, diese höheren Ziele zu erreichen, sondern möglicherweise sogar kontraproduktiv."

Die Verhandlungsposition für Schäuble am Montag könnte kaum schlechter sein. Die politische Stimmung in Deutschland erlaubt keine weiteren Griechenland-Kompromisse. Schäuble kann sich vorstellen, was passierte, müsste er jetzt im Bundestag dafür werben, Athen Schulden zu erlassen oder Auflagen zu lockern. Ziemlich sicher würde eine Mehrheit der Abgeordneten den Antrag der Regierung stützen. Aber die Mehrheit würde nicht mehr von der Union getragen. Es wäre der Anfang vom Ende der Regierung Angela Merkel.

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