Mietpreisbremse:Warum die Mietpreisbremse nicht funktioniert

Münchner Mieten

"Die meisten sind froh, wenn sie überhaupt eine Wohnung finden", sagt Anja Franz vom Mieterverein München.

(Foto: dpa)
  • Zahlen von Internetportalen legen nahe, dass die Mietpreisbremse in Großstädten wie München, Hamburg und Berlin nicht eingehalten wird.
  • Ein Grund: Vermieter müssen keine Sanktionen fürchten, wenn sie die Grenze ignorieren.
  • In der Bundespolitik gibt es kaum Anstalten, das zu ändern.

Von Kristiana Ludwig, Berlin, und Jan Bielicki

Mag sein, dass in dieser Ecke von Berlin-Neukölln auch im Mai noch ein Weihnachtsbaum auf dem Gehsteig vertrocknet. Dass dem Wasserboiler nach fünf Minuten die Kraft ausgeht und sich auf den Dielen zehn Jahre lang Kerben gesammelt haben. Doch für Luise Winter ist die Wohnung gut, zwei Zimmer, Südseite, und sie kann sie sich leisten. Knapp 320 Euro Kaltmiete zahlte ihre Vormieterin.

Doch als Winter sich bei dem Immobilienunternehmen meldet, schickt es ihr einen anderen Vertrag. Nun koste die Wohnung rund 450 Euro im Monat. Eine Eigenberechnung, erklärt die Firma: Sie habe die Preise von drei Wohnungen in der Nachbarschaft miteinander verglichen. Winter ist 29 Jahre alt, Freiberuflerin, schwankendes Einkommen. Viele Angebote hatte sie nicht in zwei Jahren Wohnungssuche. Also zieht sie ein.

Dreieinhalb Zimmer, 75 Quadratmeter, macht 1350 Euro kalt

Eigentlich gilt in Berlin seit Juni 2015 die Mietpreisbremse: Wenn eine Wohnung nicht saniert wurde, dürfen Vermieter nicht mehr als zehn Prozent auf den ortsüblichen Preis aufschlagen. Tun sie es doch, können Mieter klagen. Luise Winter, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte, hat jetzt einen Anwalt beauftragt. Sie gehört damit zu einer sehr raren Spezies. Dass neu eingezogene Mieter sich auf die Mietpreisbremse berufen und gegen das vorgehen, was ihr Vermieter von ihnen verlangt, kommt nicht oft vor - nicht in Berlin und selbst in München nicht, wo bundesweit am tiefsten in die Tasche greifen muss, wer dort wohnen will.

Zwar gilt die Mietpreisbremse auch hier seit August, aber der örtliche Mieterverein hat laut seiner Sprecherin Anja Franz seither nur "eine verschwindend kleine Zahl" an Mietern registriert, die sich in dieser Sache überhaupt haben beraten lassen - geschweige denn, sich gegen überhöhte Forderungen wehren. "Die meisten sind froh, wenn sie in München überhaupt eine Wohnung finden", sagt Franz, "da wollen sie sich es nicht gleich als Erstes mit dem neuen Vermieter verscherzen."

Aus diesem mangelnden Klagewillen wollen die Mieterlobbyisten allerdings nicht schließen, dass sich alle brav an die neue Bremse halten. Im Gegenteil: Eine Studie des Forschungsinstituts Regiokontext im Auftrag des Berliner Mietervereins hat ergeben, dass die Preise in der Hauptstadt 31 Prozent über der zulässigen Miete liegen. Auch in München zeigt ein Blick ins Angebot der Immobilienportale, wo sich die allermeisten Angebote bewegen: auf Preisniveaus sehr deutlich oberhalb der durch die Bremse vorgegebenen örtlichen Vergleichsmiete, plus zehn Prozent.

Durchschnittsmieten von mehr als 20 Euro pro Quadratmeter

Dreieinhalb Zimmer, 75 Quadratmeter im nicht gerade zentralen Stadtteil Johanneskirchen - das macht halt schon mal 1350 Euro kalt, also 18 Euro pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Der geltende Mietspiegel der Stadt von 2015, an dem sich das erlaubte Mietniveau misst, kommt bei Neuvermietungen auf einen Quadratmeterschnitt von 11,68 Euro, doch da lag das städtische Wohnungsmarktbarometer, das Annoncen in der Süddeutschen Zeitung auswertet, schon vor einem Jahr mit 15,57 Euro weit darüber.

Große Internetportale errechnen aus den bei ihnen veröffentlichten Anzeigen Durchschnittsmieten münchenweit von mehr als 20 Euro. Dort jedenfalls findet sich von einer Mietbremsspur kaum ein Partikelchen Abrieb.

Mietpreisbremse

Die sogenannte Mietpreisbremse, im Juni 2015 in Kraft getreten und für fünf Jahre gültig, schreibt fest, dass bei einer Neuvermietung die Miete nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Sie gilt jedoch nur in von den Bundesländern festgelegten Gebieten "mit angespannten Wohnungsmärkten" - also meist Ballungsräumen und Uni-Städten. Neubauten und "umfassend renovierte Wohnungen" fallen jedoch nicht unter diese Regel.

Ob dieser Anschein stimmt, lässt sich freilich noch nicht belegen. Der Münchner Statistikprofessor Göran Kauermann etwa bekommt belastbare Daten erst im Sommer, wenn die Befragungen für den nächsten Mietspiegel ausgewertet sind. Kauermann hat allerdings schon einmal geschaut, wie viele Angebote zwischen 2013 und 2015 die Obergrenzen der Mietpreisbremse eingehalten hätten, wenn die bereits gegolten hätte. 55 Prozent taten das nicht.

Auch in Hamburg liegen die Preise weit über der Mietpreisbremse

In Hamburg, sagt Siegmund Chychla, Vorstand beim Deutschen Mieterbund, verhalte es sich ähnlich. Mehr als die Hälfte der aktuellen Angebote seien trotz Mietpreisbremse deutlich höher als zulässig. Besonders stark seien die Preise am Stadtrand gestiegen, in sogenannten B-Lagen, Orten wie Allermöhe oder Finkenwerder. "Ein informierter Vermieter ignoriert die Mietpreisbremse", sagt Steffen Sebastian, Professor für Immobilienwirtschaft an der Universität Regenburg - und ein erklärter Gegner staatlicher Eingriffe in die Preisbildung auf dem Mietmarkt.

Schließlich haben Vermieter, die diese Regel übertreten, keine Nachteile oder gar Sanktionen zu fürchten. "Die meisten halten sich nicht daran", sagt Sebastian, wenigstens nicht die Mehrzahl der Privatvermieter. Anders, das bestätigen auch Mieter-Vertreter, sieht es bei den großen Wohnungsgesellschaften aus, vor allen bei den öffentlichen und genossenschaftlichen. Doch die gehörten auch schon bisher nicht zu den Preistreibern auf dem Markt.

Der Berliner Bausenator Andreas Geisel (SPD) wirbt nun bei seinen Amtskollegen in Hamburg und Nordrhein-Westfalen dafür, die Mietpreisbremse per Bundesratsinitiative zu verbessern. Er will Vermieter verpflichten, die bisherigen Mietpreise anzugeben. Auch im Bundestag fordern Grüne und Linke, die Bremse nachzujustieren - etwa, indem Ausnahmeregeln aus dem Gesetz gestrichen werden und indem der Staat Wuchermieten in Zukunft wieder bestraft.

In der großen Koalition ist die Neigung jedoch gering, den so mühsam gefundenen Kompromiss anzutasten. "Wir behalten die Entwicklungen im Blick", sagt zwar der parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium, Ulrich Kelber (SPD). Doch vor einer Auswertung der Mietpreisbremse im Jahr 2017 werde er nicht an ihr rütteln. Denn schon jetzt stemmt sich die Union gegen Pläne von Minister Heiko Maas (SPD), das Mietrecht zu ändern. Der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak sagt: Dauerhaft niedrige Mieten könnten die Wohnungsbauwirtschaft bremsen.

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