USA:Vom Whistleblower zum Millionär

  • Wer in den USA Fälle von Steuerhinterziehung aufdeckt, kann von der Steuerbehörde Belohnungen in Millionenhöhe kassieren.
  • Allein im Haushaltsjahr 2015 trieb der IRS mit Hilfe von Tippgebern zusätzlich gut 500 Millionen Dollar an Steuern ein und schüttete 103 Millionen an die Tippgeber aus.
  • Doch das System hat mehrere Haken. Das Programm schützt nicht vor Strafverfolgung und ist an strenge Auflagen gebunden.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Um in Amerika zu Reichtum zu kommen, reicht oft eine gute Idee, das richtige Näschen, manchmal auch eine ordentliche Portion Rücksichtslosigkeit. Oder das Formular 211. Gemessen an anderen behördlichen Vordrucken ist das Papier recht einfach gestaltet - eine einzige Seite, zart-lila unterlegt dort, wo es etwas einzutragen gilt, und die Fragen lauten sinngemäß: Wer? Was? Wann? Wie viel? Bradley Birkenfeld hat mit Hilfe dieses Formulars genau 104 Millionen Dollar verdient.

Seit 2006 gibt es das sogenannte Whistleblower-Programm der US-Steuerbehörde IRS in seiner heutigen Form. Die Idee: Wer beim IRS Alarm schlägt ("whistle-blowing") und über das Formular 211 einen Fall von Steuerhinterziehung aufdeckt, erhält bis zu 30 Prozent der Summe, die der überführte Täter oder das betrügerische Unternehmen nachzahlen muss. Oft gehen die hinterzogenen Beträge in die Millionen - und mit ihnen die Belohnungen.

Pro Jahr gehen beim Whistleblower Office mehr als 10 000 Hinweise ein

Allein im Haushaltsjahr 2015 trieb der IRS mit Hilfe von Tippgebern zusätzlich gut 500 Millionen Dollar an Steuern ein. Rund 103 Millionen davon wurden wieder ausgeschüttet - an insgesamt 99 Enthüller, darunter der ehemalige Mitarbeiter einer Firma, die Kunden bei der Verschleierung ihres Vermögens geholfen hatte. Allein er erhielt 11,6 Millionen Dollar. Seit 2007 hat die Steuerbehörde über das Programm mehr als drei Milliarden Dollar zusätzlich eingenommen und 403 Millionen an Belohnungen ausgezahlt.

Pro Jahr gehen beim Whistleblower Office mehr als 10 000 Hinweise ein, von denen sich die allermeisten allerdings als zu unkonkret oder als unglaubwürdig erweisen. Die Anforderungen der Behörde sind streng, eine "begründete Vermutung", etwa gegen den Arbeitgeber, reicht nicht. Das Amt verlangt Fakten: Namen, Daten, Kontoauszüge, Rechnungen, E-Mails.

Um zu verhindern, dass Bürger einfach missliebige Nachbarn anschwärzen, hat der IRS weitere Barrieren eingezogen: Die 30-Prozent-Belohnung gibt es nur, wenn die nachgezahlte Steuerschuld zwei Millionen Dollar übersteigt und der Täter über 200 000 Dollar pro Jahr verdient. Ist eines der Kriterien nicht erfüllt, zahlt der IRS höchstens 15 Prozent - oder gar nichts. "Das ist kein Programm, um private Konflikte oder Streitigkeiten mit Geschäftspartnern auszutragen", so die Behörde. Sie sucht vor allem nach Fällen, die sich ohne Tippgeber kaum entdecken lassen.

Das Programm schützt nicht vor Strafverfolgung

So finanziell verlockend das Whistleblower-Programm ist - es hat auch gewaltige Tücken: Oft muss der Tippgeber jahrelang auf die Belohnung warten, zudem kann er als Zeuge vor Gericht geladen werden, etwa gegen den eigenen Chef. Damit fliegt seine Identität auf, der Chef kann ihn rauswerfen oder ihm nachts auflauern. Auch schützt das Programm nicht vor Strafverfolgung, wenn der Hinweisgeber selbst an dem Betrug beteiligt war.

Genau diese Erfahrung musste Bradley Birkenfeld machen, der als Mitarbeiter der Großbank UBS amerikanischen Bürgern dabei half, ihr Geld auf Schweizer Konten zu verstecken. Nachdem er die Praktiken seines Instituts an den IRS gemeldet und das Geldhaus so zu einem teuren Vergleich mit der US-Regierung gezwungen hatte, erhielt er besagte 104 Millionen Dollar Belohnung. Zunächst einmal allerdings ging er für zwei Jahre ins Gefängnis.

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