Neue Zentrale:So sieht es bei Microsoft in Schwabing aus

Familienfotos? Nein, danke. Wer in der neuen Zentrale arbeitet, hat keinen eigenen Schreibtisch mehr - sondern den "Arbeitsplatz der Zukunft". Ein Baustellenbesuch.

Von Katharina Kutsche

Noch hundert Tage, dann zieht Microsoft vom bisherigen Sitz in Unterschleißheim in die neue Münchner Unternehmenszentrale in der Parkstadt Schwabing. Damit wechseln knapp 2000 Mitarbeiter des Software-Herstellers an den "Arbeitsplatz der Zukunft", den Microsoft-Personalchef Markus Köhler bei einer Baustellenbegehung am Mittwoch präsentierte. Dahinter verbirgt sich ein sogenanntes "Smart Workspace"-Konzept, das flexibel auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zugeschnitten sei, sagt Köhler: "Wir freuen uns riesig, hier bald einziehen zu können."

Das Smarte an den zukünftigen Arbeitsplätzen ist demnach die Unterteilung in vier Zonen, die "die wesentlichen Aktivitäten der Arbeit abdecken", wie es Köhler beschreibt. Den "Think Space" etwa können die Mitarbeiter für konzentrierte Alleinarbeit nutzen, im "Converse Space" wird gemeinsam an einem Projekt oder einer Präsentation gearbeitet. Für Konferenz und Gedankenaustausch steht der "Share & Discuss Space" zur Verfügung, wer ungestört telefonieren möchte, zieht sich in Telefonkabinen zurück.

Die vier Zonen finden sich mehrmals auf allen Fluren der drei zusammenhängenden neuen Gebäude in der Walter-Gropius-Straße. Die Erwartung an die Mitarbeiter: Jeder sucht sich den Arbeitsraum, den er für seine Aufgaben gerade benötigt.

Um sich das vorzustellen, braucht es zurzeit noch viel Fantasie. Der Innenausbau ist in vollem Gange, Kabelrollen hängen von den Decken, Lüftungsrohre liegen frei. Die fensterlosen Telefonkabinen sehen ohne Möbel noch trist aus. Die Schreibplätze sind noch in Folie eingewickelt. Immerhin ist bereits ein grauer Teppich verlegt, in den bunte Quader gewebt sind - je nach Etage in einer der vier Microsoft-Farben.

Bei der Entwicklung des Konzeptes hat sich Microsoft Unterstützung beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation geholt. Das Team um Udo-Ernst Haner hat in einer Studie über vier Monate hinweg die Bedürfnisse der Microsoft-Mitarbeiter erhoben und dabei die räumlichen und technischen Faktoren in dem Software-Unternehmen verknüpft. "Ein Tablet bringt mir nichts, wenn ich eine Anwesenheitspflicht am Schreibtisch habe", sagt Haner, "die Geräte sind für Flexibilität gemacht."

In den vier Zonen des Workspace-Konzepts bewegen sich die Mitarbeiter daher mit ihren Arbeitsgeräten - eigene, das heißt feste Arbeitsplätze gibt es dabei nicht mehr. Zwar verfügt jeder Microsoft-Angestellte über ein eigenes Schließfach für seine persönlichen Sachen, eine individuelle Gestaltung des Arbeitsraums mit einem Kalender, Fotos oder Pflanzen ist allerdings nicht erwünscht: Am Arbeitsplatz der Zukunft gilt eine "clean desk policy", der Schreibtisch ist leer zu hinterlassen. "Das ist vom Prinzip her nichts Neues", sagt Betriebsrat-Chef Andreas Pagel über die Arbeitsplatz-Gestaltung, das Konzept sei in anderen Ländern bereits erprobt. Auch er muss zukünftig seine Bilder vom Schreibtisch nehmen: "Letztlich ist das ein Entwicklungsprozess, und ich traue unseren Mitarbeitern zu, dass sie diesen Schritt mitgehen."

Das Bedürfnis zum eigenen Arbeitsplatz sei jedenfalls nicht besonders ausgeprägt, sagen Köhler und Haner. Die Erfahrungen der letzten Jahre hätten gezeigt, dass sich in der Regel nur etwa ein Drittel der Microsoft-Mitarbeiter zeitgleich in der Zentrale aufhalte, die anderen zwei Drittel arbeiten entweder zu Hause oder "sind vor Ort beim Kunden", sagt Personalchef Köhler. Mit dem Betriebsrat sei schon vor Längerem sowohl die Vertrauensarbeitszeit als auch der Vertrauensarbeitsort abgestimmt worden. Für die Mitarbeiter bedeutet das, sie haben keine generelle Anwesenheitspflicht am Standort, ihre Arbeitszeit wird nicht registriert. Das spart Arbeitsplätze im Wortsinn: Den 1900 Microsoft-Mitarbeitern stehen 1100 Arbeitsplätze in der neuen Zentrale gegenüber.

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