Datenschutz:Google will weniger vergessen, als den Franzosen recht ist

  • Google zieht vor Frankreichs oberstes Verwaltungsgericht, weil die Datenschützer des Landes das Recht auf Vergessenwerden hart auslegen.
  • Es geht darum, ob Suchergebnisse, die aus Gründen der Privatsphäre gelöscht wurden, global unsichtbar bleiben sollen oder nur für Menschen in Europa.
  • Google argumentiert, der französische Vorstoß würde die Freiheit des Internets einschränken.

Der Streit zwischen Google und europäischen Datenschützern um das so genannte Recht auf Vergessenwerden eskaliert. Der Konzern geht vor dem obersten französischen Verwaltungsgericht gegen die französische Datenschutzbehörde CNIL vor, die Google zu einer Geldstrafe zwingen will. Google ficht die Vorgabe der CNIL, nach der dieses Recht global gelten solle, vor dem französischen Staatsrat an, verkündet das Unternehmen auf seinem Blog.

Es geht darum, von welchen Google-Suchseiten bestimmte Suchergebnisse nicht mehr angezeigt werden dürfen. Das Recht auf Vergessenwerden verpflichtet Google, Links zu Inhalten über EU-Bürger zu entfernen, wenn diese bei dem Unternehmen eine Löschung der Links beantragen. CNIL brummte Google im März die - symbolische - Strafe von 100 000 Euro auf, weil die Kalifornier sich weigern, die Links auf allen Seiten weltweit zu löschen, unabhängig vom Standort des Nutzers. Das beträfe dann etwa auch die Aufrufe von google.com oder der südafrikanischen Domain google.co.za. Auch deren Nutzer in den USA beziehungsweise in Südafrika könnten die beanstandeten Links dann nicht mehr sehen.

Dagegen geht Google nun vor. Mit dieser Auslegung französischen Rechts durch die CNIL sei eine "rote Linie" überschritten. Sie führe dazu, dass Staaten künftig ihr nationales Recht zum globalen Standard erklären könnten

Das Recht auf Vergessenwerden

Das Recht auf Vergessenwerden ist eines der zentralsten aber auch umstrittensten Bausteine im Umgang der datenschutzfreudigen Europäer mit den amerikanischen Tech-Konzernen, deren Dienste sehr viele Europäer täglich nutzen. Der Europäische Gerichtshof hatte im Mai 2014 entschieden, dass Suchmaschinen wie Google Links zu bestimmten Inhalten aus ihren Ergebnisseiten löschen müssen, wenn sich ein Nutzer in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sieht. Mit dem Urteil des EuGH blieben aber viele Detailfragen offen. Datenschützer fordern, die Sperrung der Treffer auf alle Google-Seiten auszuweiten. Journalisten-Organisationen kritisieren die Sperrungen allerdings als Zensurmaßnahme. Kritiker stellen zudem die Frage, ob mit dem EuGH-Urteil nicht per Federstrich die Entscheidungshoheit über komplexe Einzelfälle an einen Konzern übertragen wurde, die eigentlich Justizbehörden wahrnehmen müssten. Das Recht auf Vergessen ist auch in der neuen EU-Datenschutzverordnung verankert.

Zunächst wurden auf Anträge Betroffener gelöschte Ergebnisse nur in lokalen Versionen der Suchmaschine in Europa wie "google.de" oder "google.es" in Spanien weggelassen. Nach Druck vor allem der französischen Datenschützer hatte Google Anfang des Jahres den europäischen Behörden zugesagt, beanstandete Links auch für Anfragen an google.com aus Europa auszuschließen - aber eben nur, wenn der Nutzer in Europa sitzt. Google wertet dabei die IP-Adresse aus, mit dem der Nutzer mit dem Internet verbunden ist. Anhand dieser -Adresse kann auch das Land identifiziert werden. Anwender, die diese Geo-Blockade umgehen wollen, müssen auf sogenannte Proxy-Server ausweichen, die technisch einen anderen Herkunftsort vorgaukeln, Umstände, die sich viele Nutzer wohl nicht machen. Die Zusage reichte CNIL nicht. Die Behörde reagierte mit der Geldstrafe.

Die Argumente von CNIL und Google

Frankreichs staatliche Datenschützer argumentieren, dass das Recht auf Vergessenwerden nur dann wirklich ausgeübt werden könne, wenn Ergebnisse weltweit nicht mehr abrufbar seien. Die Freiheit im Netz werde nicht eingeschränkt, denn es würden ja nur Links auf Inhalte entfernt und nicht die Inhalte selbst.

Google gibt sich als Verteidiger der Freiheit im Netz: Das Recht des einen Staates könne nicht für andere Staaten gelten, heißt es im Unternehmens-Blog: Nur weil Beleidigungen Atatürks in der Türkei illegal sei, lösche Google entsprechende Inhalte nicht von seinen Seiten, sondern lasse sich lieber von der Türkei blockieren (so geschehen im Fall des Google-Dienstes Youtube): "Wir halten uns an die Gesetze der Länder, in denen wir operieren. Aber wenn französisches Recht weltweit gilt, wie lange wird es dauern, bis andere Staaten - vielleicht weniger offen und demokratisch - beginnen, dass ihre Informationsgesetze ebenfalls globale Reichweite haben sollen?"

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