Einladung:Umstrittener Historiker spricht in München

  • Der Freisinger Vortrag des umstrittenen Historikers Daniele Ganser ist wegen massiven Protesten abgesagt, die Veranstaltung der Münchner ÖDP dagegen ist ausverkauft.
  • Ganser soll einen Vortrag über "Krieg um Erdöl und Erdgas - Wo liegen die geopolitischen Interessen der USA und Russlands?" halten.
  • ÖDP-Chef Thomas Prudlo nennt Ganser "Friedensforscher", der wichtige Zusammenhänge herstellt, und will die Freisinger Veranstaltung retten.

Von Christian Gschwendtner

Auf dem Freisinger Domberg darf der umstrittene Historiker Daniele Ganser am letzten Maisonntag nicht sprechen. In München soll er tags darauf, so zumindest der Plan der ÖDP, unbedingt einen Vortrag halten. Das Thema: "Krieg um Erdöl und Erdgas - Wo liegen die geopolitischen Interessen der USA und Russlands?" Binnen weniger Tage waren die etwa 500 Karten für den Vortrag restlos vergriffen. Die Münchner ÖDP hat den Schweizer in das Theater Leo 17 in der Leopoldstraße eingeladen und lässt sich das einiges kosten. Angeblich soll das Vortragshonorar von Daniele Ganser für gewöhnlich bei mehreren Tausend Euro liegen.

Bei der ÖDP ist die Vorfreude auf den Gast aus der Schweiz, der vielen als Verschwörungstheoretiker gilt, ungebrochen. In Freising indes mussten das Bildungswerk "Kardinal-Döpfner-Haus" und die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) eine Veranstaltung mit Ganser kurzfristig wieder absagen. Zu groß war der Protest, der sich vor allem in sozialen Netzwerken formierte. Auch der KAB-Bundesverband aus Köln meldete Vorbehalte an.

Gansers wissenschaftliche Herangehensweise hat einen zweifelhaften Ruf. Moniert wurde in Freising auch, dass der Historiker des öfteren auf einschlägigen Medienportalen zu sehen ist: Er gibt beispielsweise Interviews bei Russia Today (RT) oder KenFM. Auf Betreiben des rechten Verschwörungsmagazins Compact diskutierte Ganser außerdem vor einiger Zeit mit Karl-Heinz Hoffmann, dem Gründer der rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann, über das Oktoberfestattentat.

Münchner ÖDP will den Freisinger Auftritt Gansers doch noch retten

Was die umstrittenen Medienauftritte betrifft, wollen die Münchner Organisatoren bei Ganser am 30. Mai nachhaken. Es sei eine Frage, was Auftritte bei Russia Today bezwecken, sagt Willi Streit, der politische Geschäftsführer der ÖDP in Bayern. Es gehe auch nicht darum, Ganser auf ein Podest zu heben. Seine Thesen stellten aber einen wichtigen Debattenbeitrag dar. Der Münchner ÖDP-Chef Thomas Prudlo sagt: "Ich sehe ihn vor allem als Friedensforscher, der wichtige Zusammenhänge zwischen geopolitischen Interessen und fossilen Energieträgern herstellt." Das sei ein spannendes und vernachlässigtes Thema, so Prudlo.

Weil der Umweltpartei einiges daran gelegen ist, dass Gansers Ideen ein möglichst breites Publikum erreichen, will sie dabei mithelfen, die Freisinger Veranstaltung doch noch zu retten. Klar ist, dass der Domberg als Veranstaltungsort ausfällt. Deshalb sucht man gerade in und um München nach einem Ausweichquartier. In Freising sollte zunächst ein Dokumentarfilm mit dem Titel "Die dunkle Seite von Wikipedia" gezeigt werden, anschließend hätte Daniele Ganser über "Kriegspropaganda und Medienkompetenz" referiert. Ob beides nun am letzten Maisonntag an einem anderen Ort stattfindet, will die ÖDP am Montag bekanntgeben.

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