Malawi:Früchte der Hoffnung

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Ein Junge in Malawi bedient sich aus einem Sack Getreide. Das Land leidet unter den Folgen der schwersten Dürre seit drei Jahrzehnten. (Foto: Tsvangirayi Mukwazhi/AP)

Die Dürre hat das Land hart getroffen, auch weil der Staat bisher ganz auf Mais gesetzt hat. Jetzt soll die Landwirtschaft vielfältiger werden, doch die Gewohnheiten der Menschen zu ändern, ist schwer.

Von Tobias Zick, Blantyre/Balaka

Das kleine Land im Südosten Afrikas rüstet sich für Großes, daran lässt die Szene am Bahnsteig keinen Zweifel. Dutzende junge Männer schleppen Säcke aus den Waggons des Güterzuges, der auf dem Fabrikgelände halt gemacht hat; auf den Säcken prangen die Stars and Stripes der US-Flagge.

Jeder dieser Säcke enthält einen Zentner Hirse aus den USA; die Männer tragen die Ladung auf treppenweise gestapelten Paletten nach oben; stapeln sie zu einem haushohen Vorrat in der angrenzenden Lagerhalle. Es ist nur eine von mehreren riesigen Hallen auf dem Industriegelände in Blantyre, der größten Stadt im Süden von Malawi. Der Konzern Unilever hat hier vor Kurzem einen Produktionsstandort geschlossen, jetzt hat das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) das frei gewordene Gelände bezogen. "Unser bisheriges Grundstück in der Stadt war viel zu klein geworden für das, was uns in den nächsten Monaten bevorsteht", sagt Peter Otto, Bürochef des WFP.

Durch den Klimawandel wird es in Malawi wohl künftig noch weniger Regen geben

Malawi, eines der ärmsten Länder Afrikas, leidet unter den Folgen der schwersten Dürre seit mehr als drei Jahrzehnten. Unter dem Einfluss des globalen Wetterphänomens El Niño, einer ungewöhnlich warmen Meeresströmung vor der Pazifikküste Südamerikas, kam der Regen der vergangenen Saison zu spät, und es regnete viel zu wenig, wie auch in anderen Ländern des östlichen und südlichen Afrika. Es war bereits das zweite schlechte Erntejahr in Folge; 2015 hatten extreme Regenfälle viele Felder überflutet. Mehr als eine Million Tonnen Mais fehlen deshalb in der malawischen Landwirtschaft dieses Jahr, und weil auch andere Länder im südlichen Afrika mit ähnlichen Ausfällen und Verlusten zu kämpfen haben, kann das WFP kaum Mais aus der Region importieren, um die von Hunger bedrohten Malawier zu versorgen. Deshalb die amerikanische Hirse, die per Güterzug vom Hafen Nacala an der mosambikanischen Küste kommt. "Das wird uns noch einiges an Überzeugungsarbeit kosten", sagt Peter Otto: "Hirse statt Mais. Das wird für etliche Familien eine schwierige Umstellung."

Wer abends ins Bett geht, ohne eine Portion Maisbrei gegessen zu haben, der hat eigentlich nicht richtig gegessen - so denken viele Malawier; egal was sonst auf ihrem Teller lag. Das ist eines der Grundprobleme, vor dem das afrikanische Land steht: seine von Monokulturen geprägte Landwirtschaft. Im Zentrum und im Norden wächst auf vielen Feldern Tabak, der mit Abstand größte Devisenbringer. Und unter den Lebensmitteln ist Mais die Nummer eins - ein Getreide, das ursprünglich in Afrika gar nicht heimisch ist; erst portugiesische Seefahrer brachten es im 16. Jahrhundert auf den Kontinent. Seither hat es sich in Afrika so rasch verbreitet wie keine andere Feldfrucht: Mais lässt sich vergleichsweise einfach anbauen, bringt in der Regel gute Erträge, und die Körner lassen sich leicht lagern. Bestechende Vorzüge gegenüber heimischen Hirsearten, Süßkartoffeln oder Cassava, die der Mais immer mehr von den Feldern und aus den Speiseplänen der Menschen verdrängt hat. Einen wesentlichen Nachteil hat der Mais allerdings, der jetzt immer schmerzlicher zutage tritt: Gegenüber Dürre ist er ausgesprochen empfindlich.

Der Klimawandel, davon ist auszugehen, wird den Regen in Malawi in Zukunft noch unregelmäßiger fallen lassen. Neben Hilfsappellen an die internationale Gemeinschaft hat die Regierung deshalb das Motto "Diversifizierung" ausgerufen: Die Kleinbauern sollen auf ihren Feldern verschiedene Früchte anbauen, um sich so gegen künftige Dürren widerstandsfähiger zu machen. Auch das Welternährungsprogramm hat es sich zum Ziel gemacht, neben der Linderung der aktuellen Krise, das Land langfristig unabhängiger von ausländischen Hilfslieferungen zu machen. "Malawi ist heute sehr anfällig für Dürren", sagt Coco Ushiyama, Landesdirektorin des WFP, "auch weil große Flächen inzwischen entwaldet sind." Dabei habe das Land durchaus das Potenzial, sich selber zu ernähren, trotz des Klimawandels.

Wie eine vielfältigere Landwirtschaft aussehen kann, das erprobt das WFP zusammen mit der malawischen Regierung in einem Dorf namens Mpamasi, zwei Stunden Autofahrt von Blantyre entfernt. Die Bewohner leiden, wie die ganze Region, unter der Dürre; ohne die Getreidelieferungen aus dem Ausland müssten sie hungern. Doch ein paar technisch relativ simple Fortschritte des vergangenen Jahres machen ihnen Hoffnung: Zwei aus der lehmigen Erde ausgehobene tiefe Gruben, mit Grundwasser vollgelaufen, sind jetzt Fischteiche, in denen Tilapia-Barsche gezüchtet werden. Ein paar Meter weiter wird Grundwasser mit einfachen Handpumpen auf einen Acker geleitet, um Kohlköpfe, Tomaten und Karotten zu bewässern. Als Dünger dient selbstgemachter Kompost; auf einem ehemaligen Maisfeld wachsen jetzt Süßkartoffeln, die auch unter unregelmäßigem Regen gedeihen können.

Süßkartoffeln statt Mais, dazu Fisch und Gemüse: Im Idealfall ergäbe sich daraus obendrein eine ausgewogenere Ernährung. Doch ein solcher Wandel, wie er in dem Modelldorf erprobt wird, wäre langfristig schwierig: "Sie können nicht einfach über Nacht anordnen, dass Mais für die Menschen keine Rolle mehr spielen soll", räumt Bürgermeister Frank Pemba ein. "Aber wir müssen uns langfristig diesen Herausforderungen stellen, was haben wir denn für Alternativen? Uns alle auf die Reise machen, als Klimaflüchtlinge?"

Unterdessen füllen sich die Lager in Blantyre mit Hirsesäcken; 30 000 Tonnen passen in die gewaltigen Hallen, aber das ist nur ein kleiner Teil des Bedarfs; in den kommenden Wochen werden weitere Güterzüge vorfahren, um die Vorräte aufzufüllen. Gerade hat die Regierung ihre neuesten Zahlen zur Dürre veröffentlicht: 8,5 Millionen Menschen sind in Malawi von Hunger bedroht - jeder zweite Bewohner.

© SZ vom 31.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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