Münchner Afrika-Tage:Ein Paradies mit vielen Problemen

Mit dem Festival wollen die Veranstalter den Kontinent mit all seinen Licht- und Schattenseiten zeigen. Deshalb stellen sich auch viele Hilfsprojekte vor

Von Irmengard Gnau und Udo Watter

Auf diesen Anschlag war Herr Tschabobo nicht vorbereitet: "Mei, der Bubi hat zum Geburtstag eine neue Trommel bekommen und er hat gemeint, ob Sie ihm nicht was vortrommeln könnten", erklärt ihm seine Vermieterin, gespielt von Gisela Schneeberger. Ein "bisschen Urwaldatmosphäre" soll er schaffen, der Herr Tschabobo, der über Molekulare Spektralanalyse promoviert und gerade einen Guglhupf verspeisen durfte. Zwar betont der afrikanische Gast, er sei nicht aus dem Busch, aber er fügt sich schließlich dem Wunsch. Er trommelt, und Gerhard Polt, männlicher Part des Vermieterpaares, sagt in unnachahmlicher Manier: "Ja, des ham's halt im Blut, die Neger."

Dieser Sketch aus der bitterbösen TV-Serie "Fast wia im richtigen Leben" reiht in fast schon unerträglicher Drastik ein Klischee ans andere. Nun wurde "Herr Tschabobo" 1980 erstmals ausgestrahlt und seither hat sich viel verändert: Die Welt wächst immer mehr zusammen und auch eine Stadt wie München ist heute viel bunter, internationaler und von einer ganz anderen kulturellen Vielfalt geprägt. Dennoch: Es gibt wohl keinen anderen Kontinent, der immer noch so sehr unter Klischees und Stereotypisierung leidet wie Afrika. Nicht zuletzt deshalb sah sich Medhat Abdelati dazu angehalten, dieses schiefe Bild ein wenig gerade zu rücken. 2004 rief der Veranstalter, der in Ägypten geboren wurde und seit 30 Jahren mit seiner deutschen Ehefrau in München lebt, die Afrika-Tage ins Leben. "Das Bild von Afrika ist bei vielen Europäern ein stark verankertes Klischee von Safaris und Buschtrommeln, sie übersehen, dass es auch eine ganz andere Seite gibt", sagt Abdelati. Mit dem Festival, das Kultur und Information zugleich anbietet, wollen die Veranstalter Brücken bauen zwischen den Völkern. "Wir wollen unseren Beitrag zum friedlichen Miteinander der Kulturen leisten, die Scheu vor dem Fremden nehmen und zeigen, dass wir eine Welt sind", sagt Abdelati.

Münchner Afrika-Tage: "Come together": Das Ziel der Afrika-Tage ist es, Brücken zu bauen, Klischees zu überwinden und die kulturelle Vielfalt des Kontinent zu zeigen.

"Come together": Das Ziel der Afrika-Tage ist es, Brücken zu bauen, Klischees zu überwinden und die kulturelle Vielfalt des Kontinent zu zeigen.

(Foto: oh)

In diesem Jahr findet das Festival zum neunten Mal statt. Von 2. bis 5. Juni wird die Münchner Theresienwiese zu einem bunten Festplatz, auf dem afrikanische Künstler auftreten, ein großer Basar zum Bummeln und ein afrikanischer Biergarten zum Kennenlernen von Speisen und Menschen einladen. Daneben präsentieren Hilfsorganisationen sich und ihre Projekte. Denn bei aller Farbenpracht und Vitalität der afrikanischen Kultur soll nicht untergehen, dass der Kontinent mit vielen Problemen zu kämpfen hat - Korruption, Krieg, Krankheiten, Bildungsmangel. "Uns ist wichtig, dass sich die Besucher auch darüber informieren", betont Abdelati. "Damit, Geld nach Afrika zu schicken, ist es nicht getan", sagt der Festivalgründer. "Ich sehe es so, dass man auch voneinander lernt. In unserer hektischen westlichen Welt geht zum Beispiel die Gelassenheit verloren - da könnten sich viele von der afrikanischen Lebensfreude eine Scheibe abschneiden." Wie heißt es: Europäer haben Uhren, Afrikaner Zeit.

Etliche Hilfsorganisationen und Münchner Vereine, die sich vorstellen, haben das Thema "Bildung" im Fokus. So der Verein AddYouCation: 2009 vom Münchner Architekturbüro Henn initiiert, war das erste große Projekt des Vereins die St. Catherine High School in Ghana - eine Internatsschule für Mädchen. "Warum wir uns speziell für Afrika engagieren, liegt darin begründet, dass dort über 30 Millionen Kinder nicht zur Schule gehen" erklärt Vorsitzender Gunter Henn, der Bildung als "Voraussetzung für Demokratisierung" und "Tür zu einem würdevollen Leben" bezeichnet. Die Maxime des Vereins bezieht sich auf einen Spruch des ghanaischen Lehrers Kwegyir Aggrey: "Wenn du einen Mann ausbildest, bildest du ein Individuum aus, bildest du eine Frau aus, eine Nation."

Kunst und Informationen

Die neunten Afrika-Tage München finden von 2. bis 5. Juni auf der Theresienwiese statt. Täglich jeweils von 11 bis 23 Uhr können Besucher über den Kunsthandwerker-Basar schlendern, Essens- und Infostände besuchen und das vielfältige Kinderangebot wahrnehmen. Zum Programm zählen unter anderem die Auftritte der Trommelgruppe VemComigo mit Mitgliedern aus München und Traunstein (täglich 14 bis 18 Uhr), die Tanzshow des selbst ernannten besten männlichen Bauchtänzers Rachid Alexander (täglich 15.30 Uhr) und Workshops für afrikanische Tänze (Samstag und Sonntag, 13 und 17 Uhr). Abends beweisen Musiker nicht nur aus verschiedenen afrikanischen Ländern bei Live-Konzerten, wie vielfältig und kraftvoll das musikalische Tradition des schwarzen Kontinents ist.

Am Eröffnungstag, dem Donnerstag, können alle Veranstaltungen bei freiem Eintritt besucht werden. Für die übrigen Tage sind Tickets zum Preis von acht bis 20 Euro oder der Festivalpass für alle vier Veranstaltungstage zum Preis von 45 Euro im Vorverkauf über MünchenTicket sowie an der Tageskasse erhältlich. Kinder bis zum Alter von 13 Jahre zahlen keinen Eintritt.

Die Münchner Unicef-Schirmherrin Petra Reiter, Ehefrau von Oberbürgermeister Dieter Reiter, eröffnet das Festival an diesem Donnerstag, 2. Juni, um 19.30 Uhr gemeinsam mit Veranstalter Medhat Abdelati. Seit dem Jahr 2013 unterstützt auch Auma Obama, Gründerin der Stiftung "Sauti Kuu - Starke Stimmen" in Kenia und Halbschwester des US-Präsidenten Barack Obama, die Afrika-Tage als Schirmherrin. gna

Ganz in diesem Sinne handelt auch die Tua-Res-Stiftung mit Sitz in München. Die Stiftung, deren Name sich auf den lateinischen Spruch "Tua res agitur - es ist deine Sache" bezieht, fördert Mädchenbildung in Burkina Faso. Das Land ist eines der ärmsten der Welt, gerade Mädchen sind dort benachteiligt. Es geht vor allem auch darum, ihnen bessere Chancen in der Heimat zu ermöglichen.

Dass so viele Menschen aus Afrika fliehen, sieht Abdelati als Bestätigung seiner These: "Die Entwicklung heute zeigt, was in den vergangenen Jahren falsch gelaufen ist", sagt er. "Ich glaube, man kann diese Krise nur eindämmen, indem man Perspektiven schafft, damit die Menschen in ihrer Heimat bleiben können und wollen." Dazu zähle eben, statt Waffen Wissen und Know how nach Afrika zu liefern. Dem würde die junge Münchnerin Valerie Seitz definitiv zustimmen. Sie hat 2015 mit anderen Ehrenamtlichen den Verein Enat Ethiopia gegründet, der sich ebenfalls auf den Afrika-Tagen präsentiert. "Bildung ist die beste Hilfe zur Selbsthilfe." Der Verein unterstützt Projekte in der abgelegenen Region der Choke Berge in Äthiopien, etwa durch Bildungspatenschaften, digitale Büchereien oder Öko-Tourismus.

Daneben stellen sich viele weitere Organisationen vor, kleinere, die auf Privatinitiativen zurückgehen, aber auch Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, das unter anderem die Aktion "Dein Pfand rettet Leben" organisiert. Nicht vertreten, aber bekannt ist auch der Verein "München für Harare", der Kinder und Jugendliche in Münchens Partnerstadt Harare, der Hauptstadt von Simbabwe, fördert.

Grundsätzlich sieht Abdelati die Politik auf einem guten Weg, angesichts der Fluchtbewegungen einen Lösungsansatz zu finden. "Aber wir dürfen nicht nachlassen." Ein Bild von Gebern auf der einen und Nehmern auf der anderen Seite sei freilich zu einfach "In meinen Augen sind es zwei verschiedene Welten, die sich sehr gut ergänzen können - wenn sie denn wollen", sagt Abdelati. Aufklären wollen die Afrika-Tage. Aber auch das Lebensgefühl vermitteln, das diesen Kontinent so faszinierend macht. Dabei kommt das Festival nicht ganz ohne Klischeebilder aus: Trommel- und Tanzworkshops stehen ebenso auf dem Programm wie Kamelreiten - "das lieben die Kinder einfach", sagt Abdelati und lacht.

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