Koalition:Behinderten bleibt mehr Geld

Union und SPD einigen sich auf ein neues Teilhabegesetz, Sozialverbände fordern Nachbesserungen.

Von Nico Fried, Thomas Öchsner, Berlin

Union und SPD wollen den mehr als sieben Millionen Schwerbehinderten in Deutschland künftig ein selbstbestimmtes Leben erleichtern. Das sieht das Bundesteilhabegesetz vor, auf das sich am Mittwochabend der Koalitionsausschuss verständigt hat. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bezeichnete das Vorhaben als eine "große wichtige sozialpolitische Reform". Gleichzeitig kündigte sie nach dem Treffen der Koalitionsspitze an, dass das Gesetz Ende Juni vom Kabinett verabschiedet werden und Anfang nächsten Jahres in Kraft treten soll.

Das Gesetz, das den Bund jährlich etwa 800 Millionen Euro zusätzlich kosten wird, soll eine neue Grundlage für die Behindertenhilfe schaffen. Behinderte Menschen, die die sogenannte Eingliederungshilfe für einen Helfer im Alltag, also einen Assistenten, erhalten, können künftig von ihrem Verdienst mehr Geld behalten. Außerdem dürfen sie ein Vermögen von bis zu 25.000 Euro anhäufen, ohne dass das Geld mit der staatlichen Hilfe verrechnet wird. Bislang lag der Freibetrag hier bei nur 2600 Euro. Nach Angaben des Arbeitsministeriums werden auch die Anreize zur Aufnahme einer Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt verbessert. Über ein neues "Budget für Arbeit" bekommen Arbeitgeber einen Ausgleich für die "Minderleistung eines behinderten Beschäftigten". Außerdem sollen staatliche Hilfen "nicht mehr an einer bestimmten Wohnform, sondern ausschließlich am individuellen Bedarf ausgerichtet sein". Nahles versprach, dass die Kommunen wie geplant bei der Eingliederungshilfe um etwa fünf Milliarden Euro entlastet werden. Mehrere Sozialverbänden und der Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Verena Bentele, geht das Gesetz aber nicht weit genug. Sie hatten bis zuletzt deutliche Nachbesserungen gefordert.

Der Koalitionsausschuss wollte am Abend noch weitere Streitpunkte klären, allein die Diskussion über das Teilhabegesetz hatte jedoch schon rund zwei Stunden gedauert. Zudem verließ CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer für einige Zeit die Sitzung, um sich über die Zuspitzung der Lage in den überschwemmten Gebieten Niederbayerns zu informieren. Dort waren am Abend vier Menschen tot geborgen worden.

Zu den schwierigen Themen im Koalitionsausschuss gehörte das Vorhaben von Familien- und Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) zur Entgeltgleichheit, mit dem Frauen ein Auskunftsrecht über die Gehälter ihrer männlichen Kollegen eingeräumt werden soll. Hier blockiert die Union, weil sie den bürokratischen Aufwand vor allem für kleiner Betriebe ablehnt. Besonders dringlich ist eine Einigung bei der Erbschaftssteuer, die vom Bundesverfassungsgericht für grundgesetzwidrig erklärt worden war. Die von Karlsruhe gesetzte Frist zur Behebung der verfassungswidrigen Teile läuft Ende Juni ab.

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