Betreuung von Asylbewerbern:Der "Brucker Weg" der Mediziner

Bruck: KRANKENHAUS-Reportage - KLINIKUM

Die meisten Asylbewerber sind nicht häufiger oder schwerer krank als andere Patienten auch, räumt der Dr. Werner Kainzinger mit einem Klischee auf.

(Foto: Johannes Simon)

Zur Behandlung von tausend Flüchtlingen entsteht in der Erstaufnahme im Fliegerhorst aus einem kleinen Behandlungszimmer eine gut ausgestattete Ambulanz. Probleme lösen die Ärzte pragmatisch

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Der Fürstenfeldbrucker Hals-, Nasen und Ohrenarzt Dr. Werner Kainzinger gehört zu der Art von Menschen, die anpacken, anschieben und etwas in Bewegung bringen. Als Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands Fürstenfeldbruck ist es ihm gelungen, unkonventionell die medizinische Versorgung der zurzeit tausend Asylbewerber der Dependance der Erstaufnahme der Regierung von Oberbayern im Fliegehorst zu organisieren. Inzwischen verfügt die Einrichtung sogar über eine neue, etwa 200 Quadratmeter große Praxis, in der von Montag bis Freitag abwechselnd 17 Mediziner Flüchtlinge behandeln. Kainzinger bezeichnet das von ihm entwickelte Modell als "Brucker Weg". Den Bezug der neuen Praxis im April nahm er jetzt zum Anlass, seinen "Brucker Weg" bei einem Pressegespräch vorzustellen.

Als sich die Ärzteschaft im Landkreis im Herbst 2014 mit der Aufgabe konfrontiert sah, die ersten 600 Asylbewerber in der Kaserne zu betreuen, sollten dies laut Kainzinger eigentlich die kassenärztlichen Praxen gewährleisten. Da die Mehrheit der Mediziner jedoch darauf verwies, einen Zuwachs von mehreren Hundert Patienten nicht mehr zu bewältigen, verfolgte der Vorsitzende der Landkreismediziner eine andere Strategie. Er richtete in der Brucker Kaserne eine einfach ausgestattete Praxis ein, um die Flüchtlinge dort zu behandlen, wo sie leben. Und es gelang ihm, aus dem kassenärztlichen Dienst ausgeschiedene Kollegen zu überreden, stundenweise mitzuarbeiten.

Aus kleinen Anfängen wuchs das Team auf acht Allgemeinärzte, zwei hausärztliche Internisten, zwei Kinderärztinnen, einen Gynäkologen, einen Hautarzt, einen Psychiater und einen Urologen an. Den Medizinern stellt die Regierung im Fliegerhorst neben drei großen Behandlungsräumen und zwei Wartezonen auch ein kleines Labor und ein Magazin zur Verfügung. Den Großteil der technischen Ausstattung - hier kommt wieder Kainzingers Pragmatismus zum Tragen - spendeten Mediziner aus dem Landkreis. Deshalb verfügt das Ärzteteam auch über drei Ultraschallgeräte, einen gynäkologischen Stuhl und einen Wehenschreiber für Hochschwangere, ein EKG- und ein Sonografiegerät. Sechs Arzthelferinnen und Krankenschwestern sowie einer Ernährungsberaterin arbeiten in der Praxis mit.

"Wir haben eine sehr schöne medizinische Abteilung bekommen", berichtet der Vorsitzende der Landkreisärzteschaft begeistert. Mit dem Gros der Patienten sei die Arbeit laut Kainziger "angenehm". "Die meisten lachen den Arzt an", sagt er. Und fast alle zeigten sich dankbarer als fast jeder normale Patient in der Praxis. Unzufrieden seien nur Flüchtlinge mit posttraumatischen Belastungsstörungen, die oft nicht wissen, was ihnen fehlt. Um diese Patienten kümmert sich der Psychiater. Nur wie in der Anfangszeit ausschließlich mit den Händen, Blutdruckmessgerät, Stethoskop, Fieberthermometer und einem Gerät zur Blutzuckerbestimmung in einem kleinen Behandlungsraum zu arbeiten, sei auf Dauer unbefriedigend gewesen. Kainzinger hat schon ein neues Ziel. Er will die Impfungen von Flüchtlingen intensivieren. Das dient einerseits deren Schutz, also der Prävention. Anderseits soll damit verhindert werden, dass in Deutschland ausgerottete Krankheiten erneut ausbrechen. In diesem Zusammenhang räumt der Ärztevertreter mit einem Vorteil auf. Die meisten Asylbewerber seien nicht häufiger oder schwerer krank als die hier lebende Bevölkerung auch. So seien etwa ein Drittel der Patienten im Winter in die Ambulanz gekommen, um "banale Infekte" behandeln zu lassen. Im Monat gibt es drei bis sieben Tuberkulose-Erkrankungen. In Absprache mit dem Tropeninstitut werden exotische Hauterkrankungen auskuriert.

Auch die Versorgung mit verschreibungspflichtigen Medikamenten löste Kainziger pragmatisch. Er kooperiert mit Apotheken, die die Heilmittel einmal am Tag liefern. Da die meisten der verschriebenen Medikamente im Lager der Ambulanz verfügbar sind, genügt es, den Bestand mit der neuen Lieferung wieder aufzufüllen. Abgerechnet werden die Leistungen nicht mit der kassenärztlichen Vereinigung, sondern direkt mit dem Sozialamt und der Regierung von Oberbayern.

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