Steuern:SPD-Minister dringt auf passgenaue Umverteilung

  • Im Bundestagswahlkampf dürfte die Forderung nach einem gerechteren Steuersystem wieder wichtig werden.
  • Doch die SPD solle einen Steuerwahlkampf nicht als Selbstzweck betreiben, sondern zielgerichtet, fordert Norbert Walter-Borjans, Finanzminister in NRW.

Von Cerstin Gammelin und Christoph Hickmann, Berlin

Es ist ja nicht so, dass mit Steuerversprechen mal eben Bundestagswahlen gewonnen werden. Im Gegenteil. Paul Kirchhof, den Professor aus Heidelberg, raffte im Jahre 2005 ein Konzept zur Steuervereinfachung binnen kürzester Zeit politisch dahin. Grandios scheiterten die Grünen, die 2013 ankündigten, im Falle eines Wahlsieges die Steuern erhöhen zu wollen. Auch den Sozialdemokraten liefen damals Wähler davon, vor allem, weil Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und die Forderung nach gerechteren Steuern sich gegenseitig ausschlossen.

Für den Wahlkampf 2017 gilt für Kandidat wie Wahlprogramm der SPD: Beides ist in Vorbereitung. Die Forderung nach einem gerechteren Steuersystem könnte wieder wichtig werden. Allerdings solle die Partei Steuerwahlkampf nicht als Selbstzweck betreiben, sondern zielgerichtet, fordert Norbert Walter-Borjans im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. "Die SPD ist gut beraten, sich des Themas Gerechtigkeit anzunehmen und dafür zu sorgen, dass die Lasten für das, was wir vom Staat erwarten und was der Staat anbietet, gerecht verteilt werden und das hat auch mit Steuern zu tun."

Illustration zu Familie

In Deutschland profitieren verheiratete Paare vom Ehegattensplitting. Überholt, finden viele. Stattdessen könnte man Familien entlasten.

(Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

"Das wird eine sehr große Sache"

Walter-Borjans ist Finanzminister aus Nordrhein-Westfalen. Er will, dass seine Partei passgenau umverteilt - anders als etwa die CSU. Deren Chef Horst Seehofer hat ein eigenes Konzept für eine große Steuerreform angekündigt. In Deutschland gebe es einen steuerpolitischen Stillstand, sagte der bayerische Ministerpräsident der Funke Mediengruppe, und versprach Antworten zu geben zum Soli, zur kalten Progression, zur Besteuerung der Leistungsträger und der kleinen Leute. "Das wird eine sehr große Sache." SPD-Mann Walter-Borjans hat seine Pläne schon konkretisiert. Er setzt auf ein Konzept, das mittlere Einkommen, die vergleichsweise am höchsten finanziell belangt werden, entlastet und zugleich sehr hohe Einkommen und Vermögen stärker belastet. Die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge will er streichen. Er sei sich "einig mit Schäuble", dass es keinen Grund mehr für diese Steuer gebe, wenn der automatische Informationsaustausch eingeführt sei "und die Erträge von den Banken ganz normal an die Finanzämter gemeldet werden wie die Bruttoeinkommen der Arbeitnehmer".

Alle Steuersenkungsmaßnahmen, betont Walter-Borjans, müssen gegenfinanziert werden. Steuererhöhungen seien dazu nicht nötig. "Ich habe keinen Spaß an Steuererhöhungen und ich glaube auch nicht, dass wir sie brauchen", sagt der Finanzminister. Stattdessen müsse dafür gesorgt werden, dass alle Steuerpflichtigen die Steuern auch tatsächlich zahlten. "Wenn diejenigen, die Steuern zahlen müssen, sie auch zahlen würden, könnten wir in die Zukunft investieren und die Mittelschicht entlasten, ohne Kredite." Er fordert, alle Schlupflöcher zu schließen, "die trickreich zumeist von Spitzenverdienern und großen Konzernen genutzt werden, um nicht nach dem Geist des Gesetzes Steuern zu zahlen". Wenn zugleich Einkommen in Millionenhöhe künftig steuerlich höher veranlagt würden, "dann hätten wir eindeutig die Mittel, die wir brauchen, um Zukunftsinvestitionen zu bezahlen und diejenigen, die am wenigsten der Steuerlast ausweichen können, also die Mittelschicht, ein wenig zu entlasten".

Ausdrücklich weist Walter-Borjans Überlegungen zurück, wonach die Überschüsse im Bundeshaushalt milliardenschwere Spielräume für Steuerreduzierungen eröffneten. Die Steuermehreinnahmen seien Folge "höherer Einkommen und höherer Gewinne, guter Konjunktur und hoher Beschäftigung". Und jetzt sei endlich Spielraum, "das zu machen, was bei Infrastruktur, Bildung, Sicherheit und Wahrung des Zusammenhalts überfällig ist". Es sei falsch, statt Straßen, Schulen und Breitband auszubauen, plötzlich von Entlastung zu reden.

Investitionen in Bildung und soziale Sicherheit

Die Überlegungen aus Nordrhein-Westfalen finden sich teilweise im Leitantrag wieder, der am Sonntag auf dem SPD-Parteikonvent, also dem kleinen Parteitag, in Berlin verabschiedet werden soll. Er liegt der SZ vor. Unter dem Punkt "Solide Finanzen und ein gerechtes Steuersystem" beschreibt die SPD Grundzüge ihres Steuerkonzepts. Das Steuersystem müsse dem Staat erlauben, alle notwendigen Investitionen anzuschieben, um das Land für die Zukunft zu rüsten, heißt es in dem Leitantrag. "Wir machen uns deshalb stark für eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen und eine gerechte Kapitalbesteuerung. Einkommen aus harter Arbeit dürfen nicht stärker besteuert werden als Einkommen aus Aktienbesitz. Die Abgeltungssteuer muss deshalb abgeschafft werden".

Höhere Steuern zahlen sollen Menschen mit großen Vermögen oder Erbschaften, "die keinem produktiven Zweck dienen". Wie hoch die Steuersätze ausfallen könnten, bleibt offen. Die Mehreinnahmen sollen in Bildung sowie in innere und soziale Sicherheit investiert werden. Über ein heikles Thema ist sich die SPD uneins: das Ehegattensplitting. Eigentlich, sagt Walter-Borjans, plädiere er dafür, diese überholte Steuerbegünstigung für Paare durch das sozial gerechte Familiensplitting zu ersetzen. Es sei jedoch schwierig vorauszusehen, ob es "kommunikativ" gelingen könne, die Bürger von den Vorteilen des Wechsels zu überzeugen.

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