Unwetter:Warum der Schlamm nach dem Hochwasser eines der größten Probleme ist

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Immer noch stapfen die Menschen in Simbach durch den tiefen Schlamm. Die Aufräumarbeiten werden Monate dauern. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Was passiert mit dem Batz, der im Überschwemmungsgebiet überall ist? Und müssen sich die Menschen jetzt vor einer Mückenplage fürchten? Fünf Fragen und Antworten.

Von Andreas Glas, Maria Terhart und Christian Sebald, München

Die Flut in Niederbayern hat nicht nur Schlamm und Staub und Schutt hinterlassen - sondern auch viele offene Fragen. Wer ist im Katastrophenfall zuständig? Wie geht es jetzt weiter? Und wie kann man den Betroffenen helfen? Fünf Fragen, fünf Antworten.

Wann wird eigentlich der Katastrophenfall ausgerufen?

In Bayern gibt es für (fast) alles ein Gesetz, also auch für den sogenannten Katastrophenfall. Das bayerische Katastrophenschutzgesetz definiert nicht nur den Katastrophenfall, sondern auch, wer für dessen Bewältigung zuständig ist. Eine Katastrophe ist dem Gesetz zufolge "ein Geschehen, bei dem Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen oder die natürlichen Lebensgrundlagen oder bedeutende Sachwerte in ungewöhnlichem Ausmaß gefährdet oder geschädigt werden" - also vor allem Hochwasser, Waldbrände und Unwetter.

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Zuständig für die Bewältigung dieser Katastrophen sind die Landratsämter, die Bezirksregierungen und das Innenministerium, je nachdem ob ein Landkreis, ein Regierungsbezirk oder der Freistaat insgesamt betroffen sind. Auf Ebene der Landkreise entscheidet der jeweilige Landrat, ob ein Katastrophenfall vorliegt. "Dabei nimmt er natürlich auf die örtlichen Gegebenheiten Rücksicht und hat gewisse Spielräume", heißt es aus dem Innenministerium.

Was passiert mit den vielen Tausend Tonnen Schlamm?

Der Schlamm ist eines der größten Probleme in den Überschwemmungsgebieten. Er ist überall - auf den Straßen, in den Kellern, den Wohnzimmern, den Küchen, den Arbeitsräumen. Der Schlamm verstopft Durchlässe und Leitungen. Deshalb setzen die Helfer alles daran, den Schlamm möglichst rasch auf die Seite zu räumen. Doch das ist gar nicht so einfach. Lastwagenweise wird die zähe braune Masse derzeit zu Zwischenlagern gebracht. "Dort muss er untersucht werden, ob er kontaminiert ist", sagt ein Sprecher des Landesamts für Umwelt (LfU). "Zum Beispiel durch Heizöl, das aus Tanks in überfluteten Häusern ausgelaufen ist."

Wenn der Schlamm verschmutzt ist, muss er auf einer Deponie entsorgt werden. "Nur wenn er ganz rein ist, kann er wiederverwendet werden", sagt der LfU-Sprecher, "zum Beispiel zum Verfüllen von Rinnen, die die massive Erosion in einzelne Äcker hineingerissen hat." Denn eigentlich ist der Schlamm harmlos. Er besteht ja nur aus kleinsten Partikelchen der obersten Bodenschicht.

Wie hoch sind die Schäden in der Landwirtschaft?

Josef Eichenseer, der Chef des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Pfarrkirchen, geht davon aus, dass allein in seinem Landkreis Rottal-Inn ungefähr 10 000 Hektar Agrarland geschädigt worden sind. Das sind gut 13 Prozent der Äcker, Wiesen und Weiden in der Region. Wobei die Schäden ganz verschieden sind. So gibt es Maisäcker, in die die Erosion tiefe Furchen gerissen hat, die aufgefüllt werden müssen, bevor man wieder etwas auf ihnen anpflanzen kann.

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Andere Äcker standen nur fünf oder sechs Stunden unter Wasser, dann lief das Hochwasser so sanft ab, dass die Maispflänzchen praktisch unbeschädigt sind. "Gut möglich also, dass sie weiterwachsen, als wäre nichts geschehen", sagt Eichenseer. Auch bei den Wiesen ist es ganz verschieden. Viele sind schon einmal oder sogar zweimal abgemäht worden. Das Gras ist so kurz, dass ihm das Hochwasser nichts angetan hat.

Auf anderen Wiesen dagegen, die noch nicht gemäht worden sind, dürfte der erste Grasschnitt verloren sein. "Der ist so verschlammt, dass er nicht einmal mehr für die Biogasanlage taugt", sagt Eichenseer", "der muss kompostiert werden." Und dann gibt es noch ein Problem. Die Region Rottal-Inn ist geprägt von ihren vielen einzeln stehenden Bauernhöfen. Das Hochwasser hat viele Zufahrten so unterspült, dass die schweren Milchlaster die Höfe nicht mehr anfahren können. "Manche Bauern haben schon Milch wegschütten müssen", sagt Eichenseer, "weil sie nicht abgeholt werden kann."

Kommt es jetzt zu einer Mückenplage?

Eine Folge der Flutkatastrophe kann sein, dass Mücken aus teilweise vor Jahren gelegten Eiern schlüpfen, die nun in für sie idealen Pfützen oder Tümpeln liegen. Laut Mückenforscher Martin Geier von der Uni Regensburg sind es gerade diese sogenannten Überschwemmungsmücken, die Probleme bereiten können. Das schwüle Wetter tut sein übriges, weshalb so eine Mückenplage auch nicht schnell abklingt, es werden schließlich immer weiter Eier gelegt. Nach einer Trockenphase reguliert sich die Mückenpopulation aber wieder. In der Zwischenzeit helfen Sprays, Lotionen und Cremes, um sich vor Mückenstichen zu schützen.

Wie kann man helfen?

Das Landratsamt Rottal-Inn hat ein Spendenkonto eingerichtet und stellt Spendenquittungen aus. Außerdem führt das Bayerische Sozialministerium das Spendenkonto "Hochwasserhilfe Bayern", um eine zentrale Sammelstelle anzubieten. Als Nachweis für Spenden auf dieses Konto reichen ein Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstituts.

Auch regionale Zeitungen und Hilfsorganisationen haben Aufrufe gestartet und bieten weitere Spendenmöglichkeiten an. Außerdem werden in den Katastrophengebieten weiterhin freiwillige Helfer gebraucht, die beim Aufräumen mitanpacken. Landrat Michael Fahmüller (CSU) empfiehlt den Helfern, feste Kleidung, Schaufeln und Eimer mitzubringen.

Spendenkonto des Landkreises Rottal-Inn: IBAN: DE81 7435 1430 0570 0068 09 (Sparkasse Rottal-Inn), Kennwort "Hochwasserhilfe"

Spendenkonto des bayerischen Sozialministeriums: IBAN: DE80 7005 0000 0000 0820 00 (Bayerische Landesbank), Kennwort "Hochwasserhilfe Bayern"

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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