Flüchtlinge:Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge sind nur 80-Cent-Jobs

Flüchtlinge arbeiten in ihren Unterkünften

Der beste Weg zur Integration sei Arbeit, findet Andrea Nahles. Nun sollen Hunderttausend Flüchtlinge neue Jobs bekommen.

(Foto: Wolfram Kastl/dpa)
  • Die 100 000 Ein-Euro-Jobs, die Arbeitsministerin Andrea Nahles für Flüchtlinge schaffen will, sind in Wirklichkeit zunächst nur 80-Cent-Jobs.
  • Die Regierung begründet den gesenkten Beitrag mit geringen Aufwendungen für Fahrtkosten oder Arbeitskleidung, wenn die Flüchtlinge in Aufnahmeeinrichtungen arbeiten.
  • Dort sollen jedoch höchstens 25 Prozent der neuen Jobs entstehen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Flüchtlinge, die in Deutschland bleiben, sollen nicht auf Dauer zu Langzeitarbeitslosen werden. Damit das nicht nur auf dem Papier steht, will Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) für die Geflüchteten 100 000 neue Arbeitsgelegenheiten schaffen, bekannt als Ein-Euro-Jobs. "Der beste Weg zu einer ordentlichen Integration ist Arbeit", sagt Nahles. So könnten Asylbewerber während des Wartens auf ihren Asylbescheid schon "etwas Vernünftiges tun" und den deutschen Arbeitsmarkt kennenlernen. Das klingt einleuchtend, trotzdem bekommt die Ministerin jetzt wegen ihrer Initiative Ärger. Die 100 000 Ein-Euro-Jobs sind nämlich gar keine Ein-Euro-Jobs, sondern zunächst nur 80-Cent-Jobs.

Derzeit bekommen die mehr als 80 000 Ein-Euro-Jobber in Deutschland meist 1,05 Euro pro Stunde. In Einzelfällen können es auch knapp zwei Euro sein. Gezahlt wird dabei eine "Mehraufwandsentschädigung", das Geld gilt nicht als Arbeitslohn oder Taschengeld. Auch Asylbewerber mit so einer auf maximal sechs Monate befristeten Arbeitsgelegenheit bekamen bislang 1,05 Euro. Der von Nahles und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vorgelegte Entwurf für das Integrationsgesetz sieht nun aber vor, asylsuchenden Teilnehmern künftig nur noch 80 Cent zu zahlen. Ausnahme: Der Ein-Euro-Jobber kann "höhere notwendige Aufwendungen" im Einzelnen nachweisen, die sich durch die Übernahme des Jobs ergeben.

Die Regierung widerspricht sich bei ihren Begründungen selbst

Die Bundesregierung argumentiert dabei so: Die allermeisten Asylbewerber werden in ihren Aufnahmeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften eingesetzt. Sie reinigen dann zum Beispiel Gemeinschaftsräume oder helfen bei der Essensausgabe. Dabei würden ihnen in der Regel nur geringe Mehrausgaben entstehen, "da die erforderlichen Arbeitsmittel, zum Beispiel Arbeitskleidung oder -geräte, von den Trägern der Einrichtungen gestellt werden und Fahrtkosten oder Kosten für auswärtige Verpflegung nicht anfallen", heißt es im Entwurf für das neue Gesetz. Deshalb sei es gerechtfertigt, den pauschal ausgezahlten Beitrag auf 80 Cent je Stunde zu senken. Arbeite der Asylbewerber aber außerhalb solcher Einrichtungen und habe tatsächlich höhere Aufwendungen, etwa für Fahrtkosten oder spezielle Arbeitskleidung, könne er sich einen höheren Betrag auf Antrag auszahlen lassen.

Nun ist laut der Richtlinie zum 100 000-Job-Programm aber geplant, dass maximal 25 Prozent der neuen Arbeitsgelegenheiten in einer Aufnahmeeinrichtung oder Gemeinschaftsunterkunft anzubieten sind. Mindestens 75 Prozent sollen hingegen außerhalb solcher Unterkünfte ablaufen. Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, sieht hier einen Widerspruch: "Die Begründung für die reduzierte Aufwandsentschädigung trifft also für 75 Prozent beziehungsweise 75 000 der 100 000 Plätze von vorneherein gar nicht zu", sagt sie.

"Zwei-Klassen-System", das die Lage der Flüchtlinge ausnutze

Die Grünen-Abgeordnete wirft Nahles vor, ein "Zwei-Klassen-System" bei der Bezahlung von Ein-Euro-Jobs einzuführen. "Asylbewerber sollen zukünftig den ganz billigen Jakob bei den Arbeitsgelegenheiten geben", sagt sie. Das sei nicht nur diskriminierend, sondern nutze auch die Lage der Flüchtlinge aus. Die Politikerin befürchtet, "dass Asylbewerber, die wenig Deutsch sprechen und unsere komplexen Behördenabläufe nicht kennen, auf die Erstattung von anfallenden Mehrkosten verzichten und darauf sitzen bleiben". Die Pläne seien unverhältnismäßig bürokratisch.

Auch der Deutsche Städtetag hält die 80 Cent schlicht für "unzureichend". Es sei besser, nicht von 1,05 Euro abzuweichen. Außerdem entspreche die Aufteilung 25 zu 75 Prozent in einigen Kommunen "nicht der Realität". Die Regierung solle daher auf die Verteilquote bei den Jobs verzichten.

Genauso sieht es die Bundesarbeitsgemeinschaft für Freie Wohlfahrtspflege, in der sich Verbände wie die Caritas, das Deutsche Rote Kreuz oder die Arbeiterwohlfahrt zusammengeschlossen haben. Auch sie plädieren dafür, weiter die 1,05 Euro zu zahlen - "auch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung". Für Pothmer ist damit klar: Nahles sollte die Paragrafen überarbeiten lassen: "Wir brauchen ein Recht für alle."

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