Mehrfachehen:Justiz urteilt bei Polygamie pragmatisch und menschlich

Die deutschen Regeln für Ehen mit Minderjährigen müssen aber deutlich verschärft werden.

Kommentar von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Solche Sätze sind ja schnell dahingesagt, und im Grunde ist auch nichts falsch daran. Mehrfachehen dürfen in Deutschland nicht anerkannt werden, Zwangsehen ebenfalls nicht, erst recht nicht, wenn Minderjährige betroffen sind. Das hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) klargestellt. Nur ist dies erst der Einstieg in das Problem und noch nicht dessen Lösung.

Beispiel Polygamie: Natürlich lässt sich die Mehrfachehe ächten - das deutsche Recht tut dies bereits. Solche Ehen werden nicht anerkannt. Andererseits: Soll man die deutschen Eheprinzipien auf Kosten der Frauen durchsetzen, die - womöglich gegen ihren Willen - in polygamer Ehe leben?

Die deutsche Justiz geht damit bisher pragmatisch und menschlich um: Sie gewährt nur solche Ansprüche, die auf den Ehemann gerichtet sind, etwa Unterhalt und Erbschaft. Ansprüche auf Kosten der Allgemeinheit werden den Mehrfach-Ehefrauen dagegen versagt.

Das Aufeinandertreffen so vieler Rechtskulturen in Deutschland macht differenzierte Antworten erforderlich. Eine deutliche Verschärfung der Regeln wäre jedoch bei den Ehen mit Minderjährigen notwendig. Dass die Gerichte bisweilen sogar die Heirat von 14-Jährigen anerkennen, widerspricht fundamentalen Grundsätzen unserer Rechtsordnung; dass solche Ehen aus freiem Willen geschlossen werden, ist schwerlich denkbar. Hier sollte Maas nachbessern.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Justiz
:Polygamie in Deutschland - theoretisch verboten, praktisch oft toleriert

Justizminister Maas will strengere Regeln für im Ausland geschlossene Ehen. Doch zumindest im Falle der Polygamie wäre das deutsche Recht meist ausreichend - und für die Frauen teilweise sogar vorteilhaft.

Von Ulrike Heidenreich und Wolfgang Janisch, Karlsruhe
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