Urheberrecht:Zugabe vor Gericht

Hat "Led Zeppelin" einen Akkord geklaut? Darum geht es nun vor einem Gericht in Los Angeles. Es ist nicht der erste Streit dieser Art - immer häufiger wird die Popmusik dem Recht unterworfen.

Von Thomas Steinfeld

Zuerst veröffentlicht im November 1971, ist "Stairway to Heaven" eines der berühmtesten Werke der populären Musik und eines der meistverkauften dazu. Das Album der britischen Band " Led Zeppelin" , zu dem dieses Lied gehört, verkaufte sich bis heute knapp vierzig Millionen Mal. Das Stück selbst wurde voriges Jahr allein in den USA mehr als hunderttausend Mal legal aus dem Internet geladen.

Zugleich hat "Stairway to Heaven" aber auch das Potenzial, eines der umstrittensten Werke der Musikgeschichte zu sein. Am Dienstag musste ein Gericht in Los Angeles darüber befinden, ob die einleitenden Töne des Stückes ein Plagiat sind.

Dabei geht es nur um einen Akkord: um einen in einzelnen Tönen auf der akustischen Gitarre ausgespielten Akkord in A-Moll, um genau zu sein, der stehen bleibt, während der tiefste Ton in kleinen Schritten weiter in die Tiefe schreitet. Vorbild dafür soll eine Komposition namens "Taurus" der US-Rockband "Spirit" sein, mit der "Led Zeppelin" in den späten Sechzigerjahren zusammen auf Tournee gegangen waren. Dass sich dieser Akkord bei "Led Zeppelin" anders auflöst als bei "Spirit", dass es bei den Briten sogar eine zweite Melodie gibt, während die Amerikaner auf ihrem Akkord stehen bleiben - das sind Feinheiten, die kaum einer wissen will. Deswegen beschränkten sich "Led Zeppelin" vor Gericht auf ein Argument: Der Akkord mit seinem Bass sei einer der meistbenutzten Einfälle der Musikgeschichte. Der Hinweis mag gewichtig klingen, eine Erfolgsgarantie ist er aber nicht - schon weil die Jury in Los Angeles acht Laien umfasst, die nur nach dem Höreindruck urteilen. "Led Zeppelin" haben Erfahrung mit solchen Prozessen: Bei mindestens einem halben Dutzend Songs versäumte es die Band, die wahren Urheber zu berücksichtigen - darunter "Whole Lotta Love" (1969), das auf eine Komposition des schwarzen Bluesmusikers Willie Dixon zurückgeht. Doch sind sie mit ihrem legeren Umgang mit geistigem Eigentum bei Weitem nicht allein: Die "Beach Boys" liehen sich die Einfälle für ihren Hit "Surfin' U.S.A." (1963) bei Chuck Berry, George Harrison musste einen Teil seiner Einnahmen für "My Sweet Lord" (1970) an das Trio "The Chiffons " weiterreichen, und die Band " Steely Dan", eine der erfolgreichsten Bands der Achtzigerjahre, machte gar kein Hehl daraus, sich für die tragende Rhythmusfigur ihres Lieds "Goucho" beim Jazzpianisten Keith Jarrett bedient zu haben. Und das alles geschah, lange bevor es den Hip-Hop gab, bei dem das Kopieren und Montieren aus den Werken anderer Musiker zu den Prinzipien der Komposition gehört.

Aus vielen Gründen erscheinen die Verhältnisse in der Causa um "Led Zeppelin" verwirrend - weil populäre Musik vom Nachspielen lebt, weil früher kaum einer daran dachte, es mit schützenswertem geistigen Eigentum zu tun zu haben, weil ein Akkord noch lange keine Komposition ist. Unübersehbar jedoch ist, dass Populärmusik immer öfter den Maßstäben eines strengen Urheberrechts unterworfen wird. 2015 mussten der US-Sänger Pharrell Williams und einige Mitmusiker mehr als fünf Millionen Dollar zahlen, weil sie für ihren Hit "Blurred Lines" fremdes Material ausgebeutet hatten. Eine solche Summe dürfte auch "Led Zeppelin" imponieren.

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