Ernährung:Obst ist nicht gleich Obst

Ernährung: Die fröhliche Welt des Veganismus präsentiert sich auf der Messe "Veggieworld": Hier macht eine dekorierte Spinatsuppe der herkömmlichen "Wurst mit Gesicht" Konkurrenz.

Die fröhliche Welt des Veganismus präsentiert sich auf der Messe "Veggieworld": Hier macht eine dekorierte Spinatsuppe der herkömmlichen "Wurst mit Gesicht" Konkurrenz.

(Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Pflanzliche Ernährung ist gesund - vorausgesetzt, die richtige Auswahl landet auf dem Teller. Wer viele verarbeitete Produkte zu sich nimmt, erhöht sein Diabetesrisiko.

Von Werner Bartens

Zu den Glaubenssätzen aufgeklärter Gesellschaften gehört es, eine vorwiegend pflanzliche Ernährung ebenso gesund wie nützlich zu finden. Frische Kost hält demnach die Adern geschmeidig und schont den Planeten, weil für den Konsum von Getreide, Gemüse und Obst weniger Treibhausgas anfällt als für den Fleischverzehr. Die Vorteile einer pflanzlich dominierten Ernährung sind unbestritten, allerdings gibt es erhebliche Unterschiede - je nachdem was auf den Tisch kommt. Harvard-Mediziner sowie Ärzte aus Großbritannien, Norwegen und Dänemark weisen in mehreren aktuellen Studien darauf hin.

Ein Team um Ambika Satija zeigt im Fachmagazin Plos Medicine, dass eine Ernährung, die reich an pflanzlichen Bestandteilen ist, das Diabetes-Risiko um 20 Prozent verringern kann. Dazu werteten die Ernährungsforscher Daten von 200 000 Erwachsenen aus, die 20 Jahre lang begleitet wurden und von denen 16 000 an Diabetes erkrankten. Wurden die Teilnehmer danach unterteilt, was pflanzliche Kost für sie bedeutete, wurden weitere Unterschiede deutlich: Wer viel Obst, Gemüse, Nüsse und Vollkornprodukte zu sich nahm, konnte sein Diabetes-Risiko gar um 34 Prozent senken. Bei jenen Probanden, die hauptsächlich verarbeitete Getreideprodukte und gesüßte Getränke zu sich nahmen - auch dabei handelt es sich schließlich um pflanzliche Lebensmittel - stieg das Diabetes-Risiko hingegen um 16 Prozent an.

"Pflanzliche Produkte und weniger Fleisch verringern das Diabetes-Risiko"

"Schon kleine Veränderungen der Gewohnheiten im Sinne einer hochwertigen, pflanzenbasierten Ernährung können etwas bewirken", sagt Ambika Satija. Anders als in den meisten bisherigen Studien, in denen Vegetarier mit Fleischessern verglichen wurden, analysierten die Wissenschaftler, woraus die pflanzliche Kost bestand. Zudem aßen die meisten Probanden auch gelegentlich Fleisch. Allerdings zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken, bereits geringfügig sank, wenn statt fünf bis sechs nur vier Portionen Fleisch oder Wurst pro Tag auf den Teller kamen.

"Gesunde pflanzliche Produkte und weniger verarbeitetes Fleisch nutzen der Gesundheit und verringern das Diabetes-Risiko", sagt Harvard-Mediziner Frank Hu, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Vermutlich wirkt sich der hohe Anteil an Fasern und Ballaststoffen, Antioxidantien, ungesättigten Fettsäuren und anderen Nährstoffen in den Pflanzen positiv auf den Stoffwechsel und die Darmflora aus, was wiederum das Risiko für die Zuckerkrankheit senkt.

Als ähnlich nützlich für die Gesundheit erwiesen sich Vollkornprodukte. Im British Medical Journal zeigen Ärzte um Dagfinn Aune, dass schon ein leicht gesteigerter Verzehr viele Vorteile mit sich bringt. In der Metaanalyse mit insgesamt mehr als 700 000 Teilnehmern und 100 000 Todesfällen reichten 90 Gramm Vollkornprodukte pro Tag - das entspricht drei Portionen -, um das relative Risiko für Koronare Herzkrankheit um 19 Prozent, für Herzkreislaufleiden um 22 Prozent, aber auch für Schlaganfälle (14 Prozent), Lungenleiden (22 Prozent), Infektionen (26 Prozent), Diabetes (51 Prozent) und Krebs (15 Prozent) zu senken.

"Es ist machbar, wenn man sich das Beispiel Dänemark anschaut"

"Es ist ratsam, den Anteil von Vollkornprodukten in der Ernährung zu erhöhen, weil auf diese Weise chronische Leiden und vorzeitige Todesfälle verringert werden können", sagt Dagfinn Aune vom Imperial College in London. Den größten gesundheitlichen Zugewinn hatten Menschen, die zuvor gar keine Vollkornprodukte zu sich nahmen und ihren Verzehr auf 30 Gramm täglich erhöhten - das entspricht einer Portion. Als praktische Empfehlung gilt: Mit einem Vollkornmüsli zum Frühstück werden bereits 30 bis 40 Gramm erreicht, zwei Scheiben Vollkornbrot oder eine Vollkorn-Pita zum Abendessen entsprechen 60 Gramm. Mehrfach verarbeitetes Getreide wie in Weißbrot und auch weißer Reis erwiesen sich hingegen als nicht sehr vorteilhaft für die Gesundheit.

Trotz des bekannten Nutzens von Vollkornprodukten sind internationale Empfehlungen uneinheitlich. "Zwar klingt das Ziel von bis zu sieben Portionen Vollkorn am Tag ehrgeizig", schreiben Cecilie Kyrø und Anne Tjønneland vom Krebsforschungszentrum Kopenhagen in einem Kommentar. "Aber das ist machbar, wenn man sich das Beispiel Dänemark anschaut, wo sich der Verzehr von Vollkornprodukten mit Hilfe von Ernährungskampagnen in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt hat." Allerdings müsse man darauf achten, nicht jene ungesunden Vollkornprodukte zu propagieren, die mit Zucker und Salz versetzt und mehrfach verarbeitet worden sind.

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