Architektur:"She Sheds" versprechen Hüttenzauber für Frauen

A view of Sandra Foster's tiny Victorian cottage in the Catskills mountain area of Delhi, New York.

Viktorianischer Unterschlupf: Zum echten Mädchenschuppen gehört die detailgenaue Ausstattung bis hin zur Säulenveranda.

(Foto: Trevor Tondro/NYT/Redux/laif)

Märchenhaft-verträumt, rustikal oder lichtdurchflutet: Schuppen werden jetzt als Refugien für Frauen vermarktet - die vermeintliche Antwort auf "Man Caves".

Von Miriam Collee

Es gab eine Zeit, da war der Gartenschuppen Männersache. Ein Reich, in dem man Bretter bohren, Werkzeug sortieren, Rasenmäher reparieren und vor allem Ruhe vor maulenden Ehefrauen und nervenden Kindern finden konnte. So weit das Stereotyp, und wie immer steckt darin einiges an Wahrheit. Nun aber droht Unheil: In Nordamerika und Großbritannien ist die letzte Männerbastion des Familienheims nämlich einem neuen Trend zum Opfer gefallen - den "She Sheds", zu deutsch heißt das so etwas wie "Mädchenschuppen".

Alte Geräte- oder Fahrrad-Stadel werden dafür mit Fenstern versehen, bunt angestrichen (ganz weit vorn: Pastellfarben) und liebevoll mit Kissen, Sofas, marokkanischen Teppichen, Kronleuchtern, Buddhastatuen, Schreib- oder Nähtischen ausgestattet - je nach geplanter Nutzung. Manche bauen sich dort ein Yoga-Retreat, andere eine Lese- oder Teestube, wieder andere ein Home-Office oder Atelier. Zugang zum She Shed hat, wie der Name verrät, nur die Frau des Hauses. Wie konnte es dazu kommen?

Der Mann: ein Wolf, von der Frau ins Deko-Bullerbü gezwängt

Bekanntlich hat jeder Trend einen Gegentrend. Um den Siegeszug der neuen Frauen-Refugien zu verstehen, muss man tief in die Kiste der Geschlechterklischees greifen. Ganz tief. Demnach ist der Mann ein Wolf, im Zweifelsfall ein einsamer Wolf, der außer Kühlschrank, Bier, Fernseher, Sofa und Memorabilien seines Lieblingssportvereins nicht viel braucht zum Glücklichsein. Doch dann kamen böse weibliche Wesen, zerrten den Mann in ein Familienheim, stellten B&B-Italia-Sofas und Artemide-Lampen in die Räume und Kirschblütenzweige auf den Tisch - und zwangen ihn fortan ins Deko-Bullerbü.

A view of a chandelier inside Sandra Foster's tiny Victorian cottage in the Catskills mountain area of Delhi, New York.

Innen sieht das Ganze schön prinzessinnenhaft aus.

(Foto: Trevor Tondro/NYT/Redux/laif)

Die Reaktion der Männer, vereinfacht gesagt: Sie eroberten sich einen Raum zurück, in dem Motivkissen, Vorhänge und Duftkerzen verboten sind. In dem sie unzensiert ihren Hobbys oder den eigenen Standards von Sauberkeit frönen können. Ein bisschen Bier beim Torjubel verschüttet? Angebissene Hamburger stehen lassen? Who cares!

Diese sogenannten Man Caves sind aus US-Baumärkten und Männermagazinen seit gut zehn Jahren nicht mehr wegzudenken. Wer genug Testosteron in sich trägt und einen ungenutzten Keller, eine Garage oder eben einen Schuppen zur Verfügung hat, baut sich dort eine Höhle. Dabei hilft die Fernsehshow "Man Caves", in der zwei männliche Pendants der deutschen TV-Aufmöblerin Tine Wittler sogar Promis beglücken. Der Rapper Snoop Dogg etwa hat jetzt ein Cadillac-Rücksitzsofa in seinem Schuppen. Basketballer Kris Humphries bekam nach der Scheidung von Kim Kardashian ein Basement mit Zapfanlage, Kingsize-Bett und Fenster, das per Knopfdruck zum Flachbildschirm wird.

US-Baumärkte verzeichnen bei den Fertigschuppen zweistellige Zuwachsraten

Natürlich haben amerikanische Psychologen längst herausgefunden, dass so ein privater Rückzugsort Ehen retten kann. Die kleine Flucht vor dem stressigen Familienalltag in die Schutzhütte soll Wunder bewirken. Ein klarer Punktsieg geht dabei jetzt schon an die Frauen: In der Umsetzung zeigen sie sich deutlich kreativer. Orientalische Lounges, Teestuben im viktorianischen Stil oder weiß getünchte Long-Island-Schuppen, rustikale Alpen-Chalets, reetgedeckte Strandhütten - oder wie wäre es mit einer lichtdurchfluteten Nähstube?

Die neue Generation der Schuppenbewohnerinnen tobt sich in ihrer Ecke des Gartens kompromisslos aus. Davon zeugen etliche Wohn- und Dekoblogs, in denen die hübschesten She Sheds gefeiert oder Anleitungen zum Aufbau gepostet werden. Und die Baumärkte verzeichnen im Segment der Fertigschuppen zweistellige Wachstumsraten - vornehmlich dank weiblicher Kundschaft. Das Modell "Val-U-Shed" von Sheds USA (Startpreis: 990 Dollar) mit romantischem Walmdach scheint derzeit die günstigste Lösung. Wer es exklusiver mag, lässt sich "Arlington" von Bestbarns aufstellen, mit Jane-Austen-Fenstergauben und neuenglischem Flair (ab 5995 Dollar). Man lebt ja nur einmal im Garten.

Da sind wir also, nach 50 Jahren Frauenbewegung. Die Männer verrohen in ihren Höhlen, und die Frauen nähen im Schuppen. Warum für die Hälfte des Himmels kämpfen, wenn es im Gartenhäuschen auch schön ist?

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