Spanien:Markt der Möglichkeiten

In Valencia wurde die Paella erfunden. Der Stolz auf dieses Gericht ist derzeit besonders groß. Denn damit haben die Bewohner der Stadt ein gutes Rezept gegen die Krise: Sie besinnen sich wieder stärker auf die einfache Küche.

Von Julia Weigl

Wie eine mächtige Kathedrale thront der Mercado de Colón, der Kolumbusmarkt mitten im Edeleinkaufsviertel Valencias. Kleine Türmchen, verspielte Mosaike, hohe Torbögen zieren das Jugendstilgebäude. Hier trifft man sich am Abend, trinkt ein Craft-Bier, kauft handgebastelten Schmuck. Seit ihrer aufwendigen Renovierung 2003 ist die Markthalle zu einem beliebten Treffpunkt geworden. Auch der valencianische Sternekoch Ricard Camarena hat hier ein Lokal, das Habitual. Bereits der Name verrät das Konzept des 41-Jährigen: Er will die einfache Kost in den Vordergrund stellen. Camarena setzt sich auf einen Holzstuhl in seinem Restaurant, er wirkt fast schüchtern, als er sagt: "Die valencianische Küche ist ein Teil von mir und wird es auch immer bleiben."

Die echte Paella stammt aus Valencia, natürlich. Darin dürfen Schnecken nicht fehlen

Camarena ist einer der jungen, innovativen Köche aus Valencia, die mit der regionalen Küche spielen - und das aus ernstem Anlass: Die Wirtschaftskrise drückt die Spanier nach wie vor; gemeinsam zu kochen und zu essen ist den Menschen wichtig. Dass viele Köche nun wieder verstärkt auf lokale Produkte zurückgreifen, passt zur Geschichte der valencianischen Küche. Stolz waren sie hier schon immer auf das, was vor der Haustür heranreift: Reis, Chufas (das sind die erbsengroßen, ölhaltigen Knollen der Erdmandel), Orangen, Fisch. Zur Erfrischung trinkt man gern eine "Horchata", die traditionelle valencianische Erdmandelmilch, die es in Cafés oder an Straßenständen zu kaufen gibt. Und jeder waschechte Valencianer muss natürlich behaupten, dass die Original-Paella aus Valencia kommt und jede andere eine Paella Turística ist, eine Touristenpaella. In die valencianische Paella kommen nur Hühnchen, Kaninchen, Schnecken, Gemüse und natürlich Reis. Sonst nichts.

Ein in die Zeit passendes Gastronomiekonzept haben sich vier Valencianer ausgedacht. Die Landwirtin Carmen Ballester, ihr Mann Fernando Hernandez und zwei Unternehmer, Jorge Oliete und Vicente Lluch, begannen vor vier Jahren das Projekt "Descubre l'horta", auf Deutsch: Entdecke den Garten. Im Dorf Borbotó, das am Stadtrand Valencias liegt, bewirtschaften sie Land, das Carmen Ballester von ihren Eltern geerbt hat. Die 54-jährige Landwirtin stammt aus einer Bauernfamilie, arbeitete aber lange bei einem Institut für Agrarwissenschaften. Als dort das Geld knapp wurde und sie Angst um ihren Job bekam, machte sie sich selbständig. "Descubre l'horta" bietet nun Kocherfahrungen für Klassen, Firmen und auch Touristen. Gemeinsam erntet man den frischen Salbei, die grünen Bohnen, die violetten Artischocken, um dann auf dem rustikalen Holzgrill eine Paella Valenciana zuzubereiten. Der eine schneidet die Bohnen, der andere reibt die Tomaten, und Fernando Hernandez behält als Paella-Chefkoch den Überblick.

Während ihr Mann den Reis in der Pfanne von einer Seite zur anderen schiebt, erzählt Carmen Ballester, warum es ihr wichtig ist, diese Region wiederzubeleben und mit ihrem Projekt auch andere Bauern zu unterstützen. "Von der Landwirtschaft kann hier schon lange niemand mehr leben", sagt sie. "Und Jugendliche müssen erfahren, dass es andere Wege gibt, als einfach alles nur im Supermarkt zu kaufen." Ballester will ein Bewusstsein wecken für die Nahrungsmittel, die jeder täglich zu sich nimmt. "Und wir haben das Gefühl, dass unsere Botschaft auch bei den Schülern ankommt."

Auch Ricard Camarena ist ein Verfechter der lokalen Küche. Er ist in Valencia geboren und aufgewachsen. "Ich trage die valencianische Küche in mir. Ich bin mit dieser einfachen Küche der Armen groß geworden", sagt er. Camarena besitzt in der Stadt vier Lokale - neben dem Habitual das Sternerestaurant Ricard Camarena, das Bistro Canalla und eine Bar auf dem Mercado Central, der größten und bekanntesten Markthalle Valencias. Camarena hat sich ein Netz aus Gemüse- und Obstproduzenten sowie Lieferanten aus der Region aufgebaut. Viele der Produkte, die er verwendet, stammen aus La Huerta, dem Gemüsegarten, wie das traditionelle Anbaugebiet im Norden Valencias heißt.

Camarenas Lieblingsbeschäftigung ist es, am frühen Morgen über den Mercado Central zu schlendern. Im Gegensatz zum Mercado de Colón ist der Mercado Central noch eine traditionelle Markthalle. Täglich arbeiten hier 1500 Menschen. Während die Touristen von jedem Schinkenbein und jeder Safranstaude ein Foto machen, kaufen die Einheimischen hier tatsächlich ein: Fisch, Fleisch und Gemüse, alles, was zu Hause auf den Tisch kommt. Mittlerweile kann man sich die Lebensmittel aus Valencia auch via Internet bestellen. Viele Touristen nutzen das - und lassen sich den Schinken nach Hause liefern.

Acht Markthallen gibt es in Valencia. Nicht alle sind so berühmt wie der Mercado Central. Im historischen Fischerviertel Valencias, El Cabanyal, liegt zum Beispiel der Mercado Cabanyal. Luis Torres, 54, lebt seit vielen Jahren in diesem Viertel und weiß, wie es sich verändert hat. Er erzählt von der ehemaligen Oberbürgermeisterin Rita Barberá, die mehr als 20 Jahre im Amt war und während dieser Zeit den Plan verfolgte, ganze Straßenzüge im Viertel abreißen zu lassen, um eine gigantische Allee Richtung Strand zu bauen. Die Fischverkäuferin Amparo, die man hier an ihrem Stand auf dem Mercado Cabanyal nur unter ihrem Vornamen kennt, habe sich deshalb geweigert, der Bürgermeisterin die Hand zu geben. Luis Torres erfüllt nicht nur das mit Stolz: "Bei Amparo gibt es den besten Fisch der Stadt."

Der ehemalige Exportleiter einer Fliesenfirma, der heute als Reiseleiter arbeitet, führt Gruppen durch seine Heimatstadt. Vorbei an dem Muschelgeschäft Clotxines de Viver Germans Maria, einem rund 15 Quadratmeter großen gekachelten Raum, in dem frische Miesmuscheln, Clotxines, aus einer Glastheke heraus verkauft werden. Die Frauen des Viertels treffen sich hier zum Plausch. Vorbei an der Bäckerei La Tahona del Abuelo, die 2016 ihren 130. Geburtstag feiert. Mit Glück wartet darin El tío Paco, der alte Onkel Paco, Francisco Raussell, und verschenkt am Abend die Brote, die vom Tag übrig geblieben sind. Wer das ursprüngliche Valencia sucht, der findet es hier.

Anreise: Mit Lufthansa ab ca. 150 Euro oder mit Transavia ab ca. 100 Euro.

Übernachtung: AC Hotel Valencia, DZ ab 80 Euro, www.marriott.de

Essen gehen: z. B. im Riff (www.restaurante-riff.com) oder im Habitual (http://habitual.es). Die Filialen der Bäckerei La Tahona del Abuelo lohnen einen Besuch. Die Bäckerei hat ihren Ursprung im alten Fischerviertel El Cabanyal, http://latahonadelabuelo.com. Paella-Kochkurs des Biogarten-Projekts: http://descubrelhorta.com

Weitere Auskünfte: www.visitvalencia.com, www.tourspain.es

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