Ludwigsvorstadt:Die Tage des Hauptbahnhofs sind gezählt

Ludwigsvorstadt: Die Zeiger auf der Scheibe an der Fassade über dem Vordach am Bahnhofsplatz sind bereits abmontiert. Derweil läuft der Alltagsbetrieb in der Halle meistens rund. Hier tummeln sich täglich bis zu einer halben Million Menschen.

Die Zeiger auf der Scheibe an der Fassade über dem Vordach am Bahnhofsplatz sind bereits abmontiert. Derweil läuft der Alltagsbetrieb in der Halle meistens rund. Hier tummeln sich täglich bis zu einer halben Million Menschen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Der Hauptbahnhof soll weitestgehend umgestaltet werden.
  • Wann und wie genau, ist noch völlig unklar.
  • Sicher ist, dass das denkmalgeschützte Dach der Gleishalle erhalten bleibt.

Von Alfred Dürr

Die Zeiger der großen Uhr über dem Haupteingang sind verschwunden, übrig geblieben ist nur die nackte Scheibe des Zifferblatts an der Fassade. Auf dem weit ausgreifenden Vordach, das wegen der Form eines Pilzes "Schwammerl" genannt wird, haben es sich Tauben bequem gemacht. Freundlich und einladend wirkt der Bereich unter dieser Dachfläche nicht. Dunkle Ecken und ein Verhau von abgestellten Fahrrädern bestimmen das Bild des Nachkriegsbaus. Willkommen am Hauptbahnhof.

Die Zeit für den wichtigsten Verkehrskomplex der Stadt - dieses Gefühl stellt sich bereits vor dem Betreten der Empfangshalle ein - ist abgelaufen. Aber wann geht es konkret los mit dem Neubau, an dem schon seit 13 Jahren geplant wird? Und wie sieht sie am Ende aus, die schöne, neue Bahnhofswelt, die aller Voraussicht nach nicht nur die Innenstadt, sondern vor allem auch das Viertel deutlich verändern wird?

Solche Fragen stoßen auf das meiste Interesse. Auf Einladung des Vereins Südliches Bahnhofsviertel hat sich eine beachtlich große Gruppe von Bürgern zusammen mit Verantwortlichen der Deutschen Bahn aufgemacht, um das in die Jahre gekommene Bauwerk unter die Lupe zu nehmen und sich über das Zukunftsprojekt zu informieren.

Für den Chef des Hauptbahnhofs, Karl Bliemetsrieder, steht allerdings die Gegenwart im Mittelpunkt. Der Alltagsbetrieb müsse bestens funktionieren, erläutert er den Besuchern. Der Service und die Sicherheit für die Reisenden, die Sauberkeit der Anlage und die Pünktlichkeit der Züge - solche Themen spielen eine wichtige Rolle. Täglich bewegen sich fast eine halbe Million Menschen im Gebäude, zu Oktoberfest-Zeiten sind es einige Hunderttausend mehr. Die Maschinerie läuft meistens rund, sagt Bliemetsrieder. Daran arbeite man jeden Tag hart.

Viel Positives über die bauliche Hülle kann man dagegen nicht anbringen. Die zahlreichen Ein- und Anbauten machen den Eindruck von Stückwerk. Rostige Fassaden und rissige Steinplatten, zum Beispiel im Umfeld der Schließfächer, sind deutliche Hinweise auf den Verfall. "Der Rückstau bei der Instandhaltung ist hier enorm", sagt Günther Pichler. Er ist für die Bahnhöfe in ganz Bayern zuständig.

Das Dach über der Gleishalle steht unter Denkmalschutz

Ins Schwärmen gerät er, als die Besuchergruppe unter dem weit gespannten Dach der Gleishalle entlang spaziert. Die in den Sechzigerjahren errichtete filigrane Konstruktion, die unter Denkmalschutz steht, sei einmalig. Das Dach erstreckt sich mit eleganter Leichtigkeit über 16 Gleise. Aber die Bahn muss zig Millionen Euro investieren, um die Konstruktion zu ertüchtigen und die Oberlicht-Reihen mit den 6000 Glasscheiben durch moderne Verbundglas-Fenster zu ersetzen.

Diese Gleishalle bleibt in ihrer Form erhalten. Völlig neu präsentiert sich in Zukunft das Empfangsgebäude, das Herzstück des Bahnhofs, mit besseren Wegeführungen, attraktiveren Geschäften, Gastronomiebetrieben und Büros. Im Bereich des Starnberger Flügelbahnhofs werden die Altbauten abgerissen. Dort ist ein 19-geschossiges Hochhaus vorgesehen.

Einen Eindruck über die glänzende Seite des Hauptbahnhofs verschaffen sich die Besucher im vor Kurzem komplett sanierten Zwischengeschoss unter der Arnulfstraße. Wo es früher grau und unübersichtlich war, ist jetzt alles keineswegs mehr trist, sondern hell und freundlich. So kann es also überall werden. Die Gruppe ist einhellig dieser Meinung.

Droben, im Vorbereich der Gleise beim Servicepoint, erfahren die Besucher im weißen Pavillon mit seinen Info-Tafeln und Visualisierungen alles über den Bahnhof des 21. Jahrhunderts. Martin Klemp, Architekt im Büro Auer Weber, stellt das umfangreiche Projekt mit den Plätzen, die in der Umgebung des Bahnhofs entstehen, vor. Erstmals seit der Gründungszeit des Münchner Hauptbahnhofs werde sich der Terminal-Komplex wieder als "Gesamtfigur" und nicht mehr als Stückwerk mit unterschiedlichen Bauformen darstellen.

Jens Wilz, einer der Projektleiter der Bahn, erläutert das komplizierte Innenleben des künftigen Empfangsbaus. Dort müssen etwa Zugänge zur geplanten zweiten S-Bahn-Stammstrecke geschaffen werden. Die Abhängigkeit von diesem Projekt, von dem keiner weiß, wann es kommt, zögert das Neubauvorhaben hinaus. "Wir hoffen, dass sich noch in diesem Jahr etwas bewegt", sagt Wilz. "Unsere Enkel werden sich über den neuen Hauptbahnhof freuen", sagt schmunzelnd eine Teilnehmerin am Ende der Veranstaltung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: