Neuaubing:Quartier mit Webfehler

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Ungenutztes Potenzial: Viele Neuaubinger wünschen sich mehr Treffpunkte im öffentlichen Raum. (Foto: Catherina Hess)

Die Stadt will die Freiflächen rund um das Ladenzentrum an der Wiesentfelser Straße neu gestalten und sammelt dafür Ideen der Bürger

Von Ellen Draxel, Neuaubing

Das große Potenzial des Ortes, findet Daniel Genée, sind die vielen verschiedenen Einrichtungen. Die Läden, das SOS-Familien- und Kindertageszentrum, die Pfarrgemeinde St. Markus. Und natürlich die Kindertagesstätten sowie die Grund- und Mittelschule. Alles eingebettet in Wohnblocks mit vielen Menschen. "Eigentlich", kommentiert der Stadtteilmanager von Neuaubing und dem Westkreuz, "müsste das Quartier hier brummen wie blöd. Tut es aber nicht". Die Stadt will nun die Freiflächen rund um das Ladenzentrum an der Wiesentfelser Straße zwischen Riesenburg-, Wiesentfelser und Ehrenbürgstraße neu gestalten, mit Fördergeldern aus dem Sanierungsprogramm "Aktive Zentren". Die Ecke soll lebendiger werden, belebter. Ein Platz, wo man sich trifft, auch abends und am Wochenende.

Bei vier Workshop-Terminen vergangenes Wochenende stellt sich heraus: Die Basics sind da. Vom Baby bis zum Rentner wohnen sämtliche Generationen in der Gegend, und alle sind sehr stolz auf ihren Stadtteil. "Die Leute leben wahnsinnig gerne hier", weiß Züleyha Yilmaz-Dursun, Leiterin des örtlichen Jugendtreffs. "Neuaubing ist ihre Mitte, ihr Dorf. Die Stadt ist erst in Pasing." An der Wiesentfelser Straße funktioniert die Nahversorgung, es gibt eine Kirche, eine Schule.

Das Manko sind die veralteten planerischen Strukturen. Landschaftsarchitekt Marcus Hamberger, gemeinsam mit dem Architekturbüro UmbauStadt beauftragt, dem Ort ein neues Gesicht zu geben, spricht von einem "städtebaulichen Webfehler", der hier in den Sechzigerjahren gemacht wurde. Da ist einerseits das Einkaufszentrum an der Wiesentfelser Straße 68. Ein viereckiger, zweigeschossiger Betonklotz mit Innenhof, der, wenn die Läden geschlossen haben, fast leblos wirkt. Räumlichkeiten stehen leer - der einzige noch ganztägige Magnet, das Eiscafé, will im kommenden Jahr schließen.

Zum Zentrum gehört aber auch die klassische "Dorfmitte" auf der anderen Seite der Straße: Kirche und Schule rahmen einen begrünen Platz ein, der ein Dorado sein könnte, eben weil er noch nicht bebaut ist. Tatsächlich wird er kaum genutzt, weil Wege rechts und links an ihm vorbeiführen und ungebändigtes Pflanzenwachstum den Raum abschottet. Selbst der Maibaum steht nicht auf dem grünen, atriumähnlichen Rund, sondern auf einem Vorhof der Kirche. "Ziel ist es, den Gesamtraum als Einheit erlebbar zu machen", sagt Volker Rasp vom Planungsreferat. Angsträume wie eingewachsene Wege aufzulösen, Barrierefreiheit zu schaffen, die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Die Neuaubinger, das kristallisiert sich in den Gesprächen heraus, wünschen sich Treffpunkte im öffentlichen Raum für jede Altersgruppe. Rückzugsorte für ältere Menschen, einen Spielpunkt für kleine Kinder nahe der Kirche, einen Platz mit Sitzgelegenheiten plus Dach darüber für Jugendliche. Seit Jahrzehnten ist die Ecke Riesenburg-/Wiesentfelser Straße Sammelplatz der Jugend. "Aber nur, weil wir nichts anderes haben", sagt der 21-jährige Ömer Cakmah. "Nicht, weil es da besonders schön ist."

An Ideen, den Raum attraktiver zu gestalten, mangelt es nicht. Sie reichen von einer Initiative für einen wöchentlichen Bauernmarkt über kulturelle Veranstaltungen wie Open-Air-Kinos oder einen Weihnachtsmarkt auf dem grünen Platz zwischen Kirche und Schule bis hin zum Vorschlag einer Neuaubingern, doch eine Kneipe im Ladenzentrum anzusiedeln. Stadtteilmanager Daniel Genée fände ein unbetreutes Jugendcafé gut, auch als Zwischennutzung, bis das Ladenzentrum in voraussichtlich fünf Jahren abgerissen und neu gebaut wird.

Dass sich zunächst das Introvertierte, der baulich bedingte Rückzug in die Innenhöfe ändern muss, darin sind sich Bürger, Architekten, Stadtplaner und Lokalpolitiker einig. Es gilt, Verbindungen zwischen den einzelnen Playern zu ermöglichen, indem man Sichtachsen öffnet. Offene Räume ermöglichen mehr Interaktion der sozialen Einrichtungen. Momentan verstellen Büsche, Zäune und Mauern den Blick, vakante Plätze werden nicht als Kommunikations-Potenzial wahrgenommen. Mangelhaft ist außerdem die Orientierung: Die Einkaufsmeile beispielsweise sollte einen definierten Centereingang bekommen. Wer ortsunkundig ist, weiß momentan nicht, welche Läden es überhaupt gibt und wo sie zu finden sind. Ansonsten sind die Vorstellungen eher vage, es sind die ersten Bürgerbeteiligungs-Schritte im Vorfeld konkreter Planungen.

Als eine der schwierigsten Herausforderungen für das Zusammenwachsen der Fläche könnte sich die Wiesentfelser Straße entpuppen: Sie wirkt wie ein Damm, 3500 Autos fahren täglich vorbei, im Endausbau sollen es 7000 sein.

Ende des Jahres sollen die Feinplanungen abgeschlossen sein, bis dahin haben Neuaubinger die Chance, Wünsche über Genée und seine Kollegen vom Stadtteilmanagement beizusteuern. Eine erste Generalprobe für den Platz könnte das Stadtteilfest am 23. Juli werden - an diesem Samstag bekommt das Quartier Leben eingeimpft.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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