Kunst:Mannomann

In der großartigen Schau des Kunstkreises Gräfelfing dürfen sich Männer nur mit sich selbst beschäftigen. Für Rosa von Praunheims explizite Arbeiten im Keller gilt Zutritt erst ab 18 Jahren

Von Annette Jäger

Auf der geschwellten, in ein enges T-Shirt verpackten Brust prangt ein Orden, filigran zusammengefügt aus Wunderkerzen. Der Ordensträger hält ein Feuerzeug daran und lässt das Wunderwerk abbrennen. Wow, was für ein Held, Feuer auf der Brust! "Superhero" nennt sich die Videoinstallation des Gräfelfinger Künstlers Gisbert Stach, die den Besucher im Foyer des Gräfelfinger Rathauses an der Ruffiniallee begrüßt und gleich mal die Marschrichtung vorgibt für die am Mittwoch eröffnete Ausstellung "Männer" des Gräfelfinger Kunstkreises: Männer mit ihren Sehnsüchten und Träumen, in Rollenbildern als Jäger, Muskelprotz, Schönling, Familienvater oder Objekt der Begierde, mal eitel, mal verletzlich. Kurz: Männer in all ihren Facetten sind in Arbeiten von 25 Künstlern - allesamt Männer - dargestellt. Die mit 180 Werken sehr umfassende Schau erzählt eine spannende Geschichte über den Mann in der Gesellschaft.

Das Thema lädt ein zum Spiel mit Klischees und Rollenmustern, umso mehr, als sich ausschließlich Frauen als Kuratorinnen betätigen. Männer aus der Sicht von Männern, ausgesucht von Frauen - so liest sich die Betriebsanleitung für diese sommerleichte, künstlerisch hochkarätige und zum Schmunzeln einladende Schau. Statt eines Katalogs haben die Kuratorinnen ein unterhaltsames Hochglanzmagazin zur Ausstellung gedruckt. Es scheint sich herumgesprochen zu haben, dass es dem Kunstkreis immer wieder gelingt, aufsehenerregende Ausstellungen zu kreieren, die zum Publikumsmagneten werden. So ließen sich auch diesmal wieder in der Kunstszene angesagte Namen in den Vorort locken wie der vielfach ausgezeichnete Fotograf Hubertus Hamm, der Berliner Filmemacher und Autor Rosa von Praunheim, der Münchner Künstler Andreas Ohrenschall oder der in Russland geborene und in Berlin lebende Igor Oleinikov, einst Schüler von Jörg Immendorf und Meisterschüler von Markus Lüpertz - um nur einige zu nennen.

Im Foyer des Rathauses entfaltet sich die ganze Bandbreite an Männerthemen und Männerposen: Da sind Ohrenschalls Macher mit den dunklen Sonnenbrillen und bunten Krawatten, die modelgleich die Anzugjacke über die Schultern schwingen. Als Gegenstück dazu liest sich die in der Ecke am Eingang stehende Waschmaschine, umgebaut zur Kunstinstallation des Münchners Andreas Laner, die sich auf einem Autoreifen im Dreivierteltakt wiegt. In dieser Waschmaschine könnte glatt ein vom Reifenwechsel dreckverschmierter Blaumann seine Runden drehen. Finden diese beiden Enden je zusammen? Haben sie schon zusammengefunden? Und irgendwo in diesen Spannungsbogen muss sich auch noch die archaische Seite des Mannes einreihen, die Igor Oleinikov im ersten Stock in Bleistift und Öl festgehalten hat: der Mann in geheimnisvollen, märchenhaften Waldszenerien, unter Wölfen mit der Feuersglut unter den Füßen.

Der Mann ist natürlich auch stark, hat Muskeln, und in ihm kocht gelegentlich das Blut in Richtung Siedepunkt. Hubertus Hamm visualisiert diese Seite in der blutrot gefärbten Arbeit "Car Crash", die einen Totalschaden zeigt. Männlicher Kraft widmet sich Hamm auch in seinen anderen Arbeiten im Alten Rathaus, dem zweiten Ausstellungsort an der unweit entfernten Bahnhofstraße. Es sind Box-Szenen, die Gegner sind nur verschwommen zu erahnen. Die Gemälde haben nachträglich einen Fausthieb erhalten, der Spuren auf der Bildoberfläche hinterlassen hat. Wenn alle Wut dann draußen ist, kümmert sich Mann auch gerne um seinen Körper: Muskelbepackt, mit Tattoos aufgehübscht, frönen Männer bei Heinz Stoewer dem Körperkult. Mann sein kann auch ganz schön anstrengend sein. Vom Körperkult zur Erotik ist es nicht weit. Der Münchner Maler Robert C. Rore widmet sich der erotischen, männlichen Variante des Aktes und zeigt davon zwei überlebensgroße im alten Rathaus. Einen deutlichen Schritt weiter geht Rosa von Praunheim, "Speerspitze der künstlerischen Avantgarde in der Schwulen-Szene", wie Bettina Kurrle, erste Vorsitzende des Kunstkreises, in der Begrüßungsansprache sagte. Die Arbeiten - ein Film und eine kleinformatige Bildserie - wurden wegen ihrer "Penislastigkeit" in der Darstellung in den Keller hinter einen Vorhang verbannt, Zutritt ab 18 Jahren.

Es gibt viele kleine Kostbarkeiten in dieser Schau zu entdecken. Die wunderbare Fotoserie "Männer in Gräfelfing" des ortsansässigen Fotografen Ludwig Watteler. Oder den Mann als Vater und Ernährer in den verstörenden Arbeiten von Rando Geschewski, der Nazi-Größen wie Joseph Goebbels oder Rudolf Hess mit ihren Kindern im Arm zeigt. Und da sind die spannenden Gemälde des Bochumer Malers Zarko Radic, dem es gelingt, in einer einzigen Szene eine ganze Geschichte mitschwingen zu lassen. Ach ja, und nicht zu vergessen der Alleinunterhalter bei der Vernissage, auch so eine Männerdomäne. Man konnte ihn fast als Teil der Schau betrachten. Er spielt Herbert Grönemeyers "Männer", darin die Frage: "Wann ist ein Mann ein Mann?" Die Antwort liegt allein im Auge des Ausstellungsbetrachters.

Die Ausstellung ist bis 17. Juli donnerstags bis sonntags im alten Rathaus, Bahnhofstraße 6, und im neuen Rathaus, Ruffiniallee 2, zu sehen (jeweils 16 bis 19 Uhr). Am 7. und 14. Juli findet eine Führung jeweils um 17 Uhr statt, Treffpunkt ist am neuen Rathaus.

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