Abgasaffäre:Umweltbehörde will Dieselautos aus den Innenstädten verbannen

Verkehr auf der Donnersbergerbrücke in München, 2014

Nach Ansicht der Grünen müssen viel mehr Autos umgerüstet werden als geplant. Hier ein Blick auf den Mittleren Ring in München.

(Foto: Florian Peljak)
  • Die Präsidentin des Umwelt-Bundesamtes sagt: "In den hochbelasteten Innenstädten haben Dieselfahrzeuge sicher keine Zukunft."
  • Die Umweltbehörde reibt sich an dem intransparenten Vorgehen des Kraftfahrt-Bundesamtes.

Von Klaus Ott und Katja Riedel

Das Umwelt-Bundesamt (UBA) will den Schadstoff-Ausstoß von Diesel-Fahrzeugen künftig selbst untersuchen und die Ergebnisse veröffentlichen. "Unser Messprogramm steht kurz vor der Ausschreibung", teilte das Amt mit. Geeignete Prüf-Firmen sollen die Testreihen auf der Straße übernehmen. Bislang beruht die Zulassung neuer Modelle in Europa ausschließlich auf den Resultaten von Tests unter Labor-Bedingungen. Das ändert sich nun aufgrund neuer Vorgaben der Europäischen Union (EU).

Das wirkt wie eine Kampfansage. Es hat die Abgas-Affäre von VW gebraucht, ehe das Bundesverkehrsministerium und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) begannen, den wahren Schadstoff-Ausstoß von Diesel-Fahrzeugen zu ermitteln. Danach dauerte es, bis Minister Alexander Dobrindt (CSU) die hohen Stickoxid-Werte bekannt gab. Künftig soll alles viel schneller gehen. Künftig steht UBA gegen KBA, das Umweltamt gegen die Autobehörde. Nach dem Motto: Transparenz statt Geheimniskrämerei. Bis heute hat das Kraftfahrt-Bundesamt einen Teil der Ergebnisse nicht preisgegeben. Es handelt sich dabei um überhöhte Kohlendioxid-Werte bei vielen Fahrzeugen.

UBA-Präsidentin Maria Krautzberger will es nicht bei eigenen Messungen belassen, sondern Konsequenzen durchsetzen. "In den hochbelasteten Innenstädten haben Diesel-Fahrzeuge sicher keine Zukunft", sagte Krautzberger zu SZ, NDR und WDR. "Ich bin erleichtert, dass diese Botschaft zumindest in Teilen der Autoindustrie endlich anzukommen scheint." Mit diesen Worten reagierte Krautzberger auf VW-Chef Matthias Müller, der in der vergangenen Woche Zweifel an der Zukunft von Diesel-Autos geäußert hatte.

Als Folge der VW-Affäre hatte das KBA nicht nur bei den 2,5 Millionen manipulierten Diesel-Fahrzeugen des VW-Konzerns, sondern bei 53 weiteren Modellen zahlreicher Hersteller mit Stichproben den Schadstoff-Ausstoß auf der Straße geprüft. Das reichte von Daimler über Opel bis hin zu Autos aus dem VW-Konzern ohne jene Software, mit denen Testergebnisse verfälscht worden waren. Von diesen 53 Modellen, die allesamt angeblich Euro 5 und 6 erfüllten, waren Ende 2015 in Deutschland insgesamt 2,6 Millionen Fahrzeuge zugelassen. Etwas mehr als zwei Millionen davon haben bislang mehr als doppelt so viel Stickoxid ausgestoßen, wie eigentlich erlaubt ist. Ein verheerendes Resultat. Diverse Modelle überschreiten die Grenzwerte um das Fünf- bis Zehnfache.

Als Verkehrsminister Dobrindt vor zwei Monaten die Messergebnisse vorlegte, kündigte er an, Mercedes, Opel, Volkswagen sowie die VW-Töchter Audi und Porsche würden insgesamt 630 000 besonders auffällige Fahrzeuge in die Werkstätten holen. Dort sollten die Konzerne diese Modelle nachrüsten und so für bessere Abgaswerte sorgen. Dobrindt präsentierte im April einen 134-seitigen Bericht des KBA, dem sich vieles entnehmen lässt. Nicht aber, dass insgesamt mehr als zwei Millionen Fahrzeuge als große Umwelt-Verschmutzer entlarvt worden waren. Ganz genau: 2 057 845 Stück, Stand Ende 2015. Sie alle halten die künftigen Vorgaben der Europäischen Union nicht ein.

Der Schaden für Gesundheit und Umwelt soll bei 30 Milliarden Euro liegen

Die EU hat unter dem Eindruck der VW-Affäre beschlossen, dass die Schadstoffwerte nicht mehr im Labor, sondern auf der Straße gemessen werden müssen. Dort dürfen die Grenzwerte von 80 Milligramm (Euro 6) beziehungsweise 180 Milligramm (Euro 5) Stickoxid pro Kilometer aber noch jahrelang um den Faktor 2,1 überschritten werden. Die Autoindustrie bekommt Zeit, sich umzustellen. Der Faktor 2,1 gilt erst ab 2017, und nur für neue Fahrzeuge. Die mehr als zwei Millionen Autos, die Ende 2015 in Deutschland zugelassen waren und die das neue Regelwerk nicht einhalten, müssen also nicht aus dem Verkehr gezogen werden. Sie müssen diese Vorschrift "nicht erfüllen", wie das Dobrindts Ministerium in einer Antwort an die Grünen im Bundestag anmerkte.

Der Grünen-Abgeordnete Oliver Krischer hält das für ein Täuschungsmanöver. Seiner Ansicht nach gehören die mehr als zwei Millionen Fahrzeuge zum Nachrüsten in die Werkstatt und nicht nur die 630 000, die Dobrindt mit den Konzernen vereinbart hat. Krischer wirft Dobrindt Kumpanei mit der Autoindustrie vor, zu Lasten der Bewohner der Innenstädte. "Abgasgrenzwerte gelten für alle. Es geht schließlich um die Gesundheit der Menschen in unseren Städten." Um die Luftqualität ist es wegen der vielen Millionen alter Diesel-Fahrzeuge, für die noch weit laxere Grenzwerte gelten, ohnehin schlecht bestellt. Weshalb UBA-Präsidentin Krautzberger nicht nur den tatsächlichen Schadstoffausstoß bei alten und neuen Modellen messen, sondern generell umsteuern will. Mit Hilfe der Steuern.

Die niedrige Mineralöl-Abgabe für Diesel-Fahrzeuge müsse ein Ende haben, fordert die UBA-Chefin. Dass Diesel um 18,4 Cent pro Liter niedriger besteuert werde als Benzin, sei umweltpolitisch ein falsches Signal und führe dazu, dass dem Staat mehrere Milliarden Euro im Jahr entgingen. Die durch Diesel-Fahrzeuge angerichteten Schäden an Gesundheit und Umwelt schätzt das Umwelt-Bundesamt höher ein: auf mehr als 30 Milliarden Euro im Jahr.

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