Fotografin Tabea Borchardt:Mehr als nur Frauen in bunten Gewändern

Senegal und Gambia? Wenige Europäer haben eine Vorstellung davon, wie es dort aussieht. Tabea Borchardt zeigt Reiseszenen abseits gängiger Afrika-Klischees.

Von Irene Helmes

11 Bilder

Tabea Borchardt: Eine Reise durch Senegal / Gambia

Quelle: Tabea Borchardt

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Erwartungen sind das eine, eigene Eindrücke das andere. Und: Auch vor Ort betrachtet ist nicht alles so, wie es zunächst scheint. So könnte man eine Erkenntnis von Tabea Borchardts Reise durch Gambia und Senegal zusammenfassen. Zum Beispiel: Sie hatte Trockenheit erwartet und kaum Vegetation, nicht leuchtend blühende Sträucher, erzählt sie. Dann sah sie diesen Vorgarten in Georgetown, Gambia. Erst später habe man ihr erklärt, dass es sich tatsächlich nicht um Blüten handelte, sondern dass eine perfekt angepasste Pflanze einfach die Blätter an ihren Astspitzen einfärbt.

Zwei Monate reiste die 25-Jährige mit ihrer Kamera durch einen kleinen Teil Westafrikas, der manchmal auch "Senegambia" abgekürzt wird. Sie brachte Bilder zurück aus einer Region, von der die wenigsten Europäer ein konkretes Bild im Kopf haben.

Tabea Borchardt: Eine Reise durch Senegal / Gambia

Quelle: Tabea Borchardt

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Es sind Ziele außerhalb der "gewohnten Komfortzone", wie sie selbst sagt - umso mehr gab es zu entdecken.

An Senegals Atlantikküste etwa, südlich von Dakar, liegt Joal-Fadiouth. Ein Ort, der im Wesentlichen aus einer sehr langen Straße besteht. Landeinwärts wachsen Mangroven, am Strand warten bunt lackierte Fischerboote auf die nächste Fahrt. Was flüchtig betrachtet wie ein weggeworfenes Fahrrad wirkt, sind Rollen, die dem Entwirren der Fangnetze dienen. In der Nähe führen Brücken auf die Île de Fadiouth, einer im Laufe der Jahrhunderte aufgeschütteten Insel aus Muschelschalen; auf der benachbarten Muschelinsel Diotyo befindest sich ein großer gemischt christlich-muslimischer Friedhof.

Tabea Borchardt: Eine Reise durch Senegal / Gambia

Quelle: Tabea Borchardt

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Wenn der Wind entsprechend weht, kann man in ganz Joal-Fadiouth die größte Fischräucherei Senegals riechen, die an einem Ende des Ortes steht, erzählt Borchardt. Direkt am Strand wird getrockneter Fisch zum Verkauf angeboten.

Ebenfalls typisch für den Ort: "die vielen glücklichen und wohlgenährten Schweine", die die Fotografin überall herumlaufen sah. Sie seien ein augenfälliger Hinweis auf die starke christliche Prägung im Vergleich zu anderen Teilen des überwiegend muslimischen Landes.

Tabea Borchardt: Eine Reise durch Senegal / Gambia

Quelle: Tabea Borchardt

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Auf einer Mauer in Joal-Fadiouth steht dieser Appell: "Helft uns, die Schule neu zu bauen. Für unsere Kinder und die Kinder unserer Kinder." Für Tabea Borchardt ein Zeichen für die Wertschätzung von Bildung, die sie während ihrer Reise beobachtete. Immer wieder kam sie an Schulen mitten im Unterricht vorbei und sagt: "So viel Kinderlachen und erhobene Finger in der Luft wie hier sind mir noch nirgends untergekommen." Was sie ebenfalls beeindruckte: das Grundvertrauen, mit dem gemeinschaftlich auf Kinder geachtet werde, egal zu welcher Familie diese gehörten.

Tabea Borchardt: Eine Reise durch Senegal / Gambia

Quelle: Tabea Borchardt

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Als Tourist Kindern, die neben dem Wagen herlaufen und rufen, Geld oder Süßigkeiten zu schenken, hält Borchardt dagegen für so gutgemeint wie falsch. Es entstünden dadurch "Abhängigkeiten oder Wünsche, die meist nicht umsetzbar sind".

Durch Länder zu reisen, die eher mit Armut, Emigration - und besonders im Fall Gambia mit Menschenrechtsverletzungen - in Verbindung gebracht werden, ist eine ambivalente Erfahrung. Gespräche brachten für Borchardt oft Überraschendes zutage. Immer wieder sei sie auf das Thema Flüchtlinge angesprochen worden. Mehr als einmal hätten sich Einheimische erstaunt bis besorgt geäußert, wie Deutschland das denn mache mit den vielen Neuankommenden - es sei doch so ein kleines Land.

Eine Straßenszene in Yéné, einem Vorort von Dakar.

Tabea Borchardt: Eine Reise durch Senegal / Gambia

Quelle: Tabea Borchardt

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Mitte Januar bis Mitte März war Borchardt mit einer Freundin, die zwei Jahre in Senegal gelebt hatte, in der Region unterwegs. Von Banjul in Gambia ging es zehn Tage den Gambia-Fluss entlang, dann in Sabi über die Grenze. Dort folgte eine Rundreise bis in die senegalesische Hauptstadt Dakar.

Tabea Borchardt: Eine Reise durch Senegal / Gambia

Quelle: Tabea Borchardt

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Die Wäsche an einer Straße in Jaol-Fadiouth leuchtet in der Sonne. Doch hinter dem farbenfrohen Anblick steckt Plackerei, die Frauen müssen per Hand waschen. Sogenannte Waschmaschinen, erzählt Borchardt, bestehen aus einem Betonklotz mit Wasserabfluss und integriertem Waschbrett, der lediglich eine angenehmere Körperhaltung bei dieser Hausarbeit ermöglicht.

Tabea Borchardt: Eine Reise durch Senegal / Gambia

Quelle: Tabea Borchardt

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Die Reise fand mit vielen Vehikeln statt - in Minibussen, auf einer Fähre und diversen Booten, oder in Autos, die "sept places" ("sieben Plätze") genannt werden: Mindestens sieben Menschen sitzen auf den fünf vorgesehenen Plätzen. "Transportwagen mit Pferden werden auch oft eingesetzt", so Borchardt und fügt hinzu: "Man gewöhnt sich an blaue Flecken nach holprigen Wegen."

Bilder von Menschen hat Borchardt nur wenige von ihrer Afrikareise mitgebracht - aus mehreren Gründen. Exotische Fotos von Frauen in bunten Gewändern mit Lasten auf dem Kopf gibt es ihrer Ansicht nach schon genug. Zudem fotografiert sie lieber "mit Einverständnis und - noch wichtiger - Verständnis für die spätere Nutzung" - gerade aufgrund der Sprachbarriere habe sie sich deshalb zurückgehalten.

Sie habe den Alltag festhalten wollen, "so wie ich ihn wahrgenommen habe". Kein leichtes Unterfangen, wie sie selbst findet: "All meine Bilder unterliegen natürlich ein Stück weit dem 'weißen Blick' ".

Tabea Borchardt: Eine Reise durch Senegal / Gambia

Quelle: Tabea Borchardt

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Die Rauchwolken, die Borchardt hier von einer Straße zwischen Tambacounda und Kaolack aus festhielt, sind Zeichen eines Dilemmas. Wie sie erfuhr, werden viele der Buschfeuer absichtlich gelegt, um leichter an begehrtes Holz zu gelangen. Dieses ist Mangelware und kann teuer als Baumaterial verkauft werden. Der Teufelskreis aus Brandrodung, Abholzung und Trockenheit verstärkt die Umweltprobleme der Region.

Tabea Borchardt: Eine Reise durch Senegal / Gambia

Quelle: Tabea Borchardt

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Im Zentralsenegal nahe der Grenze zu Mali führte Borchardts Reise über die Straßen der Goldsucher. Während der Regenzeit von einem reißenden Fluss überströmt, wird dort in der trockenen Zeit nach den Schätzen im Boden gesucht. "Ich bekam nur Goldstaub zu sehen", erzählt Borchardt. Diesen hatte zwei einsame Schürfer einem eigentlich leeren Claim abgerungen.

Tabea Borchardt studiert neben ihrer freien Arbeit an der Folkwang-Universität in Essen Fotografie und veröffentlicht ihre Bilder, etwa von einer Reise in Serbien, unter anderem auf ihrer Website und auf Instagram. Nach Senegal möchte sie erneut reisen, sobald sie die Sprache Wolof etwas besser gelernt hat - "um auch mit den Menschen über die Bilder und ihre Wahrnehmung meiner Sicht sprechen zu können".

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Quelle: Illustration Jessy Asmus

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In dieser Serie stellt SZ.de interessante Reisefotografen vor. Bislang ging es mit ihnen in die Metropolen der Welt, nach Vietnam, tief unter die Meeresoberfläche, zu indigenen Stämmen auf den Philippinen und mitten in die deutsche Städtelandschaft, an Vulkankrater sowie zur wahren Seele der Eisberge, nach Südamerika, Hongkong, nach Taiwan, Island, Bangladesch, in die US-Südstaaten, nach "Senegambia" und Rio de Janeiro sowie in den glühenden Sommer von Tadschikistan. Weitere Episoden zeigten bereits Reisen durch Schottland, Afrika, Armenien, Myanmar, Rumänien, Iran, Spitzbergen und Georgien sowie die Lieblingsorte eines Globetrotters, der alle Unesco-Welterbestätten abbilden will.

© SZ.de/kaeb/feko
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