Moosach:Mut zur Erneuerung

Meta Theater: Enuma Elisch. Ein moderner Schöpfungsmythos

Die generationenübergreifende Inszenierung des Meta Theaters macht aus dem assyrischen Schöpfungsmythos ein Spiel mit der Erinnerung.

(Foto: Gabi Sabo)

Das Meta Theater feiert mit dem assyrischen Epos "Enuma Elisch" die verändernden Kräfte der Kultur

Von Ulrich Pfaffenberger, Moosach

Diese Geschichte dauert länger als ein Leben. Sie hatte schon begonnen, bevor die Ältesten unter uns geboren wurden. Sie wird noch nicht zu Ende sein, wenn die Jüngsten unter uns einmal gestorben sind. Es ist die Geschichte der Menschen und ihres ständigen Hin-und-Her-Gerissen-Seins zwischen Bewahren und Verändern.

Diese Geschichte hat viele Namen und viele Erzähler. In jeder Kultur auf diesem Erdball hört sie sich ein wenig anders an. Im Grunde aber verläuft sie immer gleich, ist von ähnlichen Motiven geprägt. Mithin eignet sie sich wie kein anderer Stoff dazu, sich fremden Kulturen anzunähern und sie verstehen zu lernen. Eine Aufgabe, der sich auch die zweite und dritte Generation von Assyrern gegenübersieht, die in Deutschland lebt - und dies in doppelter Hinsicht. Denn nicht nur die Integration in ihre neue Heimat spielt für sie eine Rolle, sondern auch das Verhältnis zu ihren Eltern und Vorfahren. Da kommt es auf dem Grenzpfad zwischen Tradition und Fortschritt auf jeden Schritt an.

Ein Abstecher dieses Pfads führt nun nach Moosach ins Meta Theater und zu Axel Tangerding. Der erinnert sich: "Vor 25 Jahren begann ich mit den Mitgliedern des Mesopotamien-Vereins Augsburg das Gilgamesch Epos als interkulturelles Theaterprojekt zu erarbeiten, initiiert durch meine Mentorin Ellen Stewart, Gründerin des legendären La Mama Theaters New York." Das Gilgamesch Epos, Zeugnis der Hochkulturen von Assyrern und Babyloniern, ist nicht nur Teil der Geschichte der Assyrer, sondern gilt gleichermaßen als eine Wurzel der abendländischen Kultur überhaupt. Nach dem Premierenerfolg 1993 ging das Stück jahrelang auf Gastspielreisen. 1998 folgte das zweite Theaterprojekt, "Babylon". Zu sehen waren beide Produktionen deutschland- und europaweit - und gelten bis heute als eines erfolgreichsten Pilotprojekte im interkulturellen Bereich.

"Zum hundertjährigen Gedenken an den Genozid", so berichtet Tangerding, "entstand beim assyrischen Neujahrsfest die Idee eines weiteren deutsch-assyrischen Theaterprojekts, doch dieses Mal generationenübergreifend mit den Älteren und den jungen Assyrern der zweiten und dritten Generation." Die ersten Zusammenkünfte verbrachten die Beteiligten damit, Begriffe wie Heimat, Herkunft, Tradition, Zuhause, Zukunft, Träume, Visionen zu hinterfragen, aus den verschiedenen Perspektiven der jeweiligen Generationen. Im nächsten Schritt interviewten sie die einzelnen Mitspieler. Dieses Material erzeugte einen ersten Erinnerungsraum, der den Einstieg in die Theaterarbeit ermöglichte.

Entstanden ist ein Stück zum assyrischen Schöpfungsmythos "Enuma Elisch". Darin befragt die Theatergruppe des Mesopotamien-Vereins den erzählten Konflikt zwischen Jung und Alt auf seine aktuelle Tragfähigkeit. Die Gotteltern Apsu und Tiamat streiten mit ihren Kindern, verzweifelt tötet der rebellische Ea seinen Ahn Apsu. Die alten Götter unterstützen Tiamat in ihrem Kampf gegen die eigenen Kinder, doch schließlich bezwingt sie der mutige Sohn des Ea, Marduk. Der siegreiche König gibt seinem Volk die Aufgabe, auf und aus den Trümmern Babylon zu erbauen. Dies solle in Freude geschehen: "Feiert den Anfang unserer Welt!" lautet die letzte Zeile.

Das traditionelle Stück preist den Mut zum Neuen und zur Erneuerung. Dazu montiert die Inszenierung die aktuelle Situation der assyrischen Einwanderer der ersten, zweiten und dritten Generation. Der Wunsch junger Menschen, das Leben anders anzugehen, als es ihre Eltern getan haben, bedroht die Existenz einer uralten Kultur. Oder lebt nicht vielmehr Kultur nur durch ständige Veränderung wirklich weiter? Wo verläuft die Grenze zwischen musealer Ehrfurcht und lebendiger Anpassung, zwischen gelebten Traditionen und entleertem Ritual? Diese Fragen stellen sich über nationale, ethnische, kulturelle und religiöse Zugehörigkeiten hinweg. Regisseur Tangerding: "Enuma Elisch ist ein Spiel mit der Erinnerung geworden, mit der Erinnerung an die eigenen Väter, Groß- und Urgroßväter, aber auch mit der Erinnerung an mythologische Urzeiten, den Anfang der Welt; jedoch nicht mit einem Blick zurück, sondern auf die Zukunft gerichtet."

"Enuma Elisch - ein moderner Schöpfungsmythos" am Samstag, 9., und Sonntag, 10. Juli, um 20 Uhr im Meta Theater, Osteranger 8, in Moosach. Kartentelefon: (08091) 35 14.

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