Misstrauen in Wissenschaft:Alarmsignal für die aufgeklärte Gesellschaft

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Eine Umfrage offenbart, wie wenig die Bevölkerung Wissenschaftlern vertraut, besonders beim Klimawandel oder der Grünen Gentechnik. Das sollte ein Weckruf sein.

Von Hanno Charisius

Wäre die Sache nicht so ernst, könnte man es schon lustig finden, wie Bundesforschungsministerin Johanna Wanka das "Wissenschaftsbarometer 2016" interpretiert. Die Organisation Wissenschaft im Dialog (WiD), die den gesellschaftlichen Austausch über Forschung fördern möchte, hatte diese Woche unter diesem Titel die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage veröffentlicht. Darin widersprechen 70 Prozent der Umfrageteilnehmer der Aussage "Alles in allem schadet die Wissenschaft mehr, als sie nützt".

Dies macht nach Lesart des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) "deutlich, dass die Menschen in Deutschland der Wissenschaft überwiegend vertrauen". Das kann man so sehen. Nur ist es ganz schön bitter, dass sich das Ministerium offenbar bereits darüber freut, wenn Wissenschaft in der öffentlichen Wahrnehmung wenigstens mehr nützt als schadet. Noch trauriger aber macht, was die Pressemitteilung gleich ganz weglässt.

48 Prozent der Menschen misstrauen wissenschaftlichen Aussagen zum Klimawandel

Das Vertrauen in die Wissenschaft sinkt laut WiD-Erhebung nämlich rapide, wenn man genauer nachfragt: 53 Prozent der Menschen trauen noch den Aussagen von Wissenschaftlern zu erneuerbaren Energien. Das Vertrauen sinkt auf 46 Prozent, wenn es um die Entstehung des Universums geht, und auf 40 Prozent beim Klimawandel. Und nur 17 Prozent glauben den Forschern, wenn es um Grüne Gentechnik geht, also um gentechnisch veränderte Pflanzen. 56 Prozent der Befragten misstrauen der Wissenschaft in dieser Frage. Geht es um die Entstehung des Universums, misstrauen 42 Prozent der Wissenschaft, beim Klimawandel sind es 48 Prozent Misstrauische. Zwischen 24 und 32 Prozent der Umfrageteilnehmer sind bei diesen Themen unentschieden.

Das Ausmaß des Misstrauens ist erschreckend - aber darüber steht kein Wort in der Mitteilung aus dem Bundesforschungsministerium. Stattdessen Jubel über das wachsende Interesse an Forschung. 41 Prozent der Befragten gaben an, sich für Wissenschaft zu interessieren, 2014 waren es nur 33 Prozent gewesen. Für das BMBF "eine gute Basis für Forschungspolitik".

Das wachsende Interesse ist ein gutes Zeichen, doch insgesamt ist es noch viel zu gering für eine aufgeklärte Gesellschaft. Für Wissenschaft und Politik sollten diese Zahlen ein Alarmsignal sein. Wer nicht will, dass die Öffentlichkeit das Vertrauen verliert in das, was in Labors und Denkstuben erschaffen und entdeckt wird, muss seine Türen öffnen und über seine Arbeit reden, muss gegen falsche Fakten und Betrug angehen, sich einmischen in laufende Debatten, darf sich nicht mehr verstecken.

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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