Immobilien-Aktien:Sie trotzen jeder Krise

Während es an den Finanzmärkten auf und ab geht, gewinnen Vermieter von Büros und Wohnungen stabil an Wert. Woran das liegt.

Von Benedikt Müller

Der 24. Juni 2016 war ein schwarzer Tag an der Börse. In der Nacht war bekannt geworden, dass sich die Mehrheit der Briten dafür ausgesprochen hat, die Europäische Union zu verlassen. Das hatten die Finanzmärkte nicht erwartet: neue Risiken für Wirtschaft und Währungsunion. Rasch brachen die Aktienkurse ein, der deutsche Leitindex Dax verlor an jenem Freitag fast sieben Prozent.

Der ganze Dax? Nein. Ein Unternehmen ging mit einem Abschlag von nur einem Prozent aus dem Handel: Vonovia, Deutschlands größter Immobilienkonzern. Man bedauere zwar den Ausgang des Referendums, teilte Vonovia an jenem Nachmittag mit, doch Investoren müssten sich keine Sorgen machen: Der Konzern besitze keine Immobilien in Großbritannien, sehe durch einen Brexit keine negativen Auswirkungen auf das Unternehmen.

Ganz im Gegenteil: Die Finanzmärkte scheinen Vonovia und andere Immobilienunternehmen als Gewinner eines Brexit zu betrachten. Seit dem Referendum hat die Aktie von Deutschlands größten Vermieter fast fünf Prozent dazugewonnen, während der gesamte Dax mit seinen exportorientierten Firmen knapp drei Prozent verlor.

Ein Grund dieser Entwicklung: Nach dem Brexit-Votum sind viele Anleger aus dem britischen Immobilienmarkt geflohen, aus Sorge vor einem Abschwung. Doch große Investoren wollen einen gewissen Teil ihres Geldes in Immobilienwerte anlegen. Deshalb weichen sie nun auf Wohnungskonzerne auf dem europäischen Festland aus, schätzen Analysten. Vonovia ist der zweitgrößte dieser Klasse.

Hinzu kommen ganz konkrete Brexit-Auswirkungen: Banken könnten einen Teil ihrer Arbeitsplätze von London an andere Finanzplätze in Europa verlagern. Das würde die Nachfrage nach Büros und Wohnungen in hiesigen Großstädten weiter erhöhen - und damit auch die Preise. So verwundert nicht, dass auch im M-Dax der Bürovermieter Alstria Office seit der Brexit-Entscheidung gut vier Prozent zugelegt hat, während es für den gesamten Nebenwerte-Index leicht bergab ging.

Doch auch fernab vom Brexit-Trubel trotzten deutsche Immobilien-Aktien in den vergangenen Monaten jeder Krise. Mietumsätze steigen, weil die Nachfrage nach Immobilien in den Ballungsgebieten nicht abbricht. Und wo die Mieten nicht von alleine steigen, können die Vermieter günstig modernisieren, um einen Teil der Kosten anschließend umzulegen. Ihren Leerstand haben die Firmen vielerorts abgebaut; spätestens seit der starken Zuwanderung aus dem Ausland gibt es kaum noch freie Wohnungen in den Städten.

Von den niedrigen Zinsen profitieren die Immobilienkonzerne gleich doppelt: Die hohen, teuren Altschulden konnten sie weitgehend abbauen; heute finanzieren sie ihr Wachstum mit unter zwei Prozent Zins so günstig wie nie zuvor. Zugleich steigen angesichts fehlender Anlagealternativen die Immobilienpreise - und mit ihnen der Wert der Mietshäuser in den Bilanzen der Konzerne. Das steigert den Gewinn.

Freilich kann niemand garantieren, dass die Zinsen ewig niedrig bleiben. Umstritten ist auch, ob die Immobilienpreise hierzulande kräftig fallen könnten, sobald die Sonderkonjunktur des billigen Geldes einmal gestoppt würde. Doch selbst dann, betonen Analysten, gäbe es immer noch die regelmäßigen Mieteinnahmen, die ziemlich gut vorherzusehen sind. Denn wie heißt es so schön: Wohnen muss man immer. Oder wie Vonovia-Chef Rolf Buch einmal gesagt hat: "Es ist ein Geschäft, das sich eigentlich durch Langeweile auszeichnet." Doch manchmal sind die Zeiten so unsicher, dass die langweiligsten Aktien die gefragtesten sind.

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