SPD-Abgeordnete:Der Fall Petra Hinz: erfundene Vita und hoher Mitarbeiter-Verschleiß

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Die Biografie der SPD-Abgeordneten Petra Hinz war arg geschönt. (Foto: dpa)

Die Abgeordnete muss wegen ihrer geschönten Biografie zurücktreten. In der SPD wurde offenbar fleißig weggeguckt, wenn es um sie ging.

Kommentar von Christoph Hickmann

Wer ist Petra Hinz? Die Frage stellten sich am Mittwoch nicht nur all jene Beobachter des politischen Berliner Geschehens, denen die sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete bislang kein Begriff war. Auch ihre Fraktionskollegen dürften sich gefragt haben, wer die Frau ist, die jahrelang neben ihnen in der Fraktion und im Plenarsaal gesessen hat. Denn Hinz, 54, Abgeordnete seit 2005, hat gute Teile ihres Lebenslaufs erfunden. Am Mittwoch ließ sie mitteilen, dass sie ihr Mandat niederlege.

Anders als bislang angegeben, hat sie weder Abitur noch die beiden juristischen Staatsexamina abgelegt und demzufolge auch nie als "Juristin im Management eines Konzerns" gearbeitet. All diese Stationen fanden sich bislang in ihrer offiziellen Vita im Netzangebot des Bundestags. Doch der am Mittwoch veröffentlichten neuen Version zufolge war Hinz nach der Fachhochschulreife ein Jahr lang Praktikantin bei der Sparkasse, bevor sie eine "Ausbildung zur Moderatorin für den Bereich Moderation und Kommunikation" durchlief.

Hinz selbst ließ über eine Anwaltskanzlei erklären, sie vermöge in der Rückschau "nicht zu erkennen, welche Gründe sie seinerzeit veranlasst haben, mit der falschen Angabe über ihren Schulabschluss den Grundstein zu legen für weitere unzutreffende Behauptungen über ihre juristische Ausbildung und Tätigkeit". Mitte der Neunzigerjahre habe sie versucht, das Abitur nachzuholen und so "einen Teil ihrer biografischen Falschangaben zu heilen". Da saß sie jedoch bereits im Rat ihrer Heimatstadt Essen. Der Versuch scheiterte.

Mitarbeiter warfen ihr Mobbing vor

Was erzählt diese Geschichte über die Person Hinz hinaus? Ist sie ein Beleg dafür, wie schwer es Nichtakademiker mittlerweile in der einstigen Arbeiterpartei SPD haben? Eher sagt sie einiges darüber aus, wie im politischen Betrieb weggeschaut wird, wenn es opportun zu sein scheint.

Petra Hinz stammt aus Essen und hat dort ihre politische Karriere begonnen - und da soll nie jemandem aufgefallen sein, dass ihre Angaben zum Werdegang nicht stimmten? Auch in der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion wurde offenbar fleißig weggeguckt, wenn es um Hinz ging. Allerdings betraf das nicht ihre Vita. Sondern ihr Verhalten als Chefin.

Bereits im Juni berichtete das Essener Informer Magazine, das den ganzen Fall ins Rollen gebracht hat, über einen offenen Brief ehemaliger Mitarbeiter, die ihre frühere Chefin des Mobbings bezichtigten und ihr unter anderem ständige Überwachung und Maßregelung vorwarfen. Wie sich nun herausstellt, waren diese Umstände in der Fraktion seit Längerem bekannt - schon allein wegen des auffallend hohen Verschleißes an Mitarbeitern im Büro Hinz. Das ging so weit, dass die Mitarbeiter-Vertretung im Oktober 2013 auf eine Stellenausschreibung hin eine interne Mail verschickte: Wer sich dort bewerben wolle, "sollte sich vorher mit uns in Verbindung setzen". Danach aber passierte weiter nichts. Bis nun die Sache mit dem Lebenslauf hochkam.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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