Ebersberg:Chronisch unzufrieden

Kulturfeuer - Urban Priol

Angesichts der laufenden Ereignisse stehen dem Kabarettisten Urban Priol die Haare senkrecht zu Berge, und das Weißbier schmeckt schal.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mit seinem Programm "Jetzt. Schon wieder aktueller" hält der Kabarettist Urban Priol sein Publikum sogar während der Vorstellung auf dem Laufenden. Beim Kulturfeuer in Ebersberg trifft er einen Nerv.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Damit ein Weißbier schmeckt, muss man es langsam einschenken und anschließend möglichst rasant den Schlund hinunterfließen lassen. Wenn es lang steht und schal wird, dann schmeckt ein Weißbier nämlich äußerst unschön, und das sah man Urban Priol bei seinem ersten Auftritt beim Ebersberger Kulturfeuer am Mittwochabend auch an, als er kurz vor der Pause noch einmal das Glas an den Mund setzte und daran nippte.

Geschmeckt, das gab der 55-Jährige später zu, habe es ihm überhaupt nicht. Und dennoch erfüllte das Getränk auch diesmal seinen Zweck: Wer im Alten Speicher mit einem Weißbier auf die Bühne tritt, dem verzeiht der Ebersberger Zuschauer vieles - selbst wenn man aus Unterfranken stammt und zu allem Überfluss auch noch danach klingt.

Urban Priol kann solche Bosheiten gut aushalten, er ist selber einer, der beim Austeilen stets darauf achtet, dass niemand ungeschoren davon kommt. Mit den entsprechenden Stücken hat Priol praktisch alle wichtigen Preise gewonnen, die es im deutschen Kabarett zu holen gibt - kein Wunder also, dass der Festsaal ausverkauft war.

Politischer Rundumschlag

Den Mann mit der Föhnfrisur, den viele aus der früheren ZDF-Sendung "Neues aus der Anstalt" kennen, holte im gewohnten Stil zum politischen Rundumschlag aus. Besonders hart ging er dabei mit Bundeskanzlerin Angela Merkel ins Gericht, der Priol "ein Rückgrat wie ein Marshmallow" bescheinigte.

Weichkochen musste Priol sein Publikum nicht. Seine Pointen trafen bei den Ebersbergern auf Zuspruch, was man an der Neigung der Mundwinkel und an der Gesichtsfarbe der Zuhörer erkennen konnte. Bis kurz vor 23 Uhr zog Priol ein 150-minütiges Programm durch, was kurzweilig war, weil er penibel darauf achtet, möglichst alle paar Sekunden einen Witz unterzubringen, was ihm meist mehr und manchmal weniger gelingt. Mit dem Satz "egal wie groß die Inkompetenz ist, die Union ist dabei" löste er im Saal regelrechte Begeisterung aus - was für die allgegenwärtige Politikverdrossenheit sprechen könnte, oder aber für Priols Scharfsinn.

Priol, der seit 34 Jahren auf der Bühne steht, trifft bei seinem Publikum einen Nerv, 2007 wurde er deswegen mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Zweifelsohne ist Priol einer der ganz Großen in der deutschen Kabarettszene. Wie groß man ist, merkt man auch daran, welche Geschütze die Kritiker auffahren. In Verrissen mancher Feuilletonisten heißt es, Priols Stücken fehle die intellektuelle Tiefe, Priol betreibe unintelligentes Politiker-Bashing und Vulgärsatire.

Priol baut eine aktuelle Nachricht von Mario Gomez ein

Wie Priols Interpretation bei Jurys und Journalisten ankommt, interessierte im Alten Speicher niemand, weil die meisten zu beschäftigt damit waren zuzuhören. Priol rechnete in gewohnter Manier mit der versammelten bayerischen CSU-Prominenz ab, Söder, Seehofer und Stoiber kanzelte er als drei selbstradikalisierte Einzeltäter ab: "Bei der CSU ist längst nichts mehr alles christlich und sozial". Anschließend drang er in die Europapolitik vor, "Kettenhund Erdoğan" sei "zum Türsteher der europäischen Wertegemeinschaft" mutiert.

Priols Programm, das er am Freitag in der Nähe von Würzburg spielt, heißt "Jetzt. Schon wieder aktueller". Priol hat es sich zur Aufgabe gemacht, aktuelle Nachrichten, sogenannte Breakingnews, in sein Programm einfließen zu lassen. Die Zuschauer in Ebersberg konnten sich also auf mögliche Überraschungen freuen. Um dem Versprechen gerecht zu werden, hat Priol neben dem Stehpult mit dem Weißbierglas einen Tisch mit einem Tablet-Computer aufgebaut, den er in der Pause auch dieses Mal benutzte.

Satire soll verletzen dürfen

So präsentierte er die Nachricht, dass der Fußball-Nationalspieler Mario Gomez wegen der politischen Situation in der Türkei nicht zu seinem Verein Besiktas Istanbul zurückkehren werde. Einen Witz dazu sparte sich Priol, auch Humor habe seine Grenzen, wie er nach der Vorstellung verriet.

Und Priol blieb politisch, beschäftigte sich mit der AFD, kritisierte die Agrarsubventionen der EU und dass Autos mit Maiskolben betrieben werden ("eine neue Form von Essen auf Rädern"). Priol ist direkter als sein Anstalts-Kollege Markus Barwasser alias Erwin Pelzig, hat wenige nachdenklichere Elemente, bringt die Dinge aber pointiert auf den Punkt.

"Wenn Satire nicht mehr verletzt, brauchen wir sie nicht mehr", sagte Priol. Wer zu Urban Priol geht, hört einem Mann zu, dem eine chronische Unzufriedenheit mit der Weltpolitik anhängt - was es unwahrscheinlich macht, dass ihm einmal der Stoff ausgeht.

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