Spielervermittler Raiola:Transfer-Pate in Badelatschen

Mino Raiola

Mino Raiola (hier umringt von Zlatan Ibrahimovic und Pavel Nedved) weiß, wie das geht mit dem Geldverdienen im Fußball.

(Foto: imago sportfotodienst)

300 Millionen soll der Spielervermittler Mino Raiola schon verdient haben. In diesem Sommer kassiert der Berater von Ibrahimovic, Mkhitaryan und Pogba besonders ab.

Von Filippo Cataldo

Carmine Raiola hat sich in seinem Leben sicherlich einige Pizzen einverleibt, und ein paar wird er vielleicht zuvor auch selbst ausgerollt, belegt und gebacken haben. Pizzabäcker aber war er nie. Und doch hält sich die Sache hartnäckig. Ein ordentlicher pizzaiolo mag er schon sein, dieser Carmine "Mino" Raiola, sagen diejenigen, die ihm den Teufel an den Hals wünschen. Sonst aber sei er nichts.

Dafür allerdings, dass er nichts können soll, hat Raiola ziemlich viel erreicht. Er soll mittlerweile 300 Millionen Euro eingenommen haben, mit der Betreuung und vor allem der Vermittlung allerlei Fußballspieler zu den wohlhabendsten Klubs der Welt. Und gerade ist Raiola dabei, sein Meisterstück zu vollbringen.

Es ist nicht lange her, dass Raiola eine Persona non Grata war bei Manchester United, dem neuen Klub des mindestens ebenso dickköpfigen und schillernden Trainers Jose Mourinho. Als sich im Sommer 2012 der United-Jugendspieler Paul Pogba dazu entschied, Raiola zu seinem Agenten zu machen, ließ der damalige Teammanager Sir Alex Ferguson den Mittelfeldspieler zu Juventus ziehen. Mit Raiola wollte Sir Alex nicht zusammenarbeiten, "Raiola und ich sind wie Wasser und Öl. Ich misstraue ihm seit unserem ersten Treffen", schrieb Ferguson in seinem letzten Buch "Leading".

Nun steht dem Vernehmen nach die Rückkehr Pogbas zu United unmittelbar bevor. Der Franzose wäre nach Zlatan Ibrahimovic und dem Ex-Dortmunder Henrikh Mkhitaryan schon der dritte Raiola-Klient, der sich in diesem Sommer United anschließt. Und der teuerste: 120 Millionen Euro soll die Ablöse betragen, 20 Prozent davon sollen an Raiola gehen, schlappe 24 Millionen Euro.

Der selbsternannte Altruist hat Wohnsitze in vier Städten

Man könnte nun ausrechnen, wie viele Pizzen Minos Vater, der einzige wahre pizzaiolo des Raiola-Clans, in seinem Leben hätte backen und verkaufen müssen, um 300 Million Euro plus x zu verdienen. Doch wofür? Raiola sagt, dass ihn Geld schon lange nicht mehr interessiert. "Es gibt wenig, was mir mehr egal wäre als irgendwelche Transferrekorde", sagte er dem Corriere dello Sport. Sein Interesse gelte "ausschließlich meinem Spieler. Ich bin Altruist", behauptet Raiola steif und fest.

Ein Altruist mit Wohnsitzen in Monte Carlo, Amsterdam, Paris und Mailand, abgebrochenem Jurastudium ("Anwälte kann ich mir kaufen") und Badelatschen, Bermudas und Hawaiihemden als bevorzugter Arbeitskleidung. Bei wichtigen Vertragsabschlüssen trägt er auch mal ein leicht verschwitztes Polohemd zu Stoffhose und Sonnenbrille.

Raiola, der die Sportchefs vieler Klubs schlicht für unfähig hält, weswegen er, obwohl er sechs Sprachen spricht, manchmal einfach nur noch über die Medien mit ihnen kommuniziert oder hin und wieder auch nur seine Spieler vorschickt, versteht sich als immer verfügbarer Kümmerer, als Beschützer seiner Klienten. Das muss man ihm glauben. Egal, ob Ibrahimovic, Pogba, Mario Balotelli, Romelu Lukaku, Blaise Matuidi, Maxwell oder früher Pavel Nedved, Dennis Bergkamp oder Mark van Bommel: Nie hat sich einer seiner Klienten öffentlich über ihn beschwert, nie kam es zum Bruch zwischen Spieler und Berater, der seinen anderen Beinamen "der Pate" ebenso wenig als Beleidigung auffasst wie den Pizzabäcker.

"Es geschieht"

Überhaupt hat er eine gute Strategie entwickelt, mit Beleidigungen und Kritik umzugehen. Er nimmt sie einfach nicht wahr. Und wenn doch, prallt sie einfach an ihm ab. Wozu ein voluminöser Körper gut sein kann. Es scheint Raiola nicht nur ziemlich egal zu sein, was andere über ihn denken; er vermittelt mindestens genauso gerne den Eindruck, gar nicht so viel über sein Handeln nachzudenken. "Es geschieht", antwortete er einst in einem seiner seltenen langen Interviews auf die Frage des Magazins 11Freunde, wie man eigentlich Spielerberater werde.

Mit gerade mal 20 Jahren als Sohn eines 1968 aus Noceria Inferiore, einem Städtchen südlich des Vesuvs mitten in Camorra- und Tomatenland, in die Niederlanden ausgewanderten Mechanikers und Selfmade-Pizzabäckers eine Karriere zu starten; zu Beginn im Sommer 1988 am Wechsel des damaligen Weltklasse-Mittelfeldspielers Frank Rijkaard von Sporting Lissabon zum AC Milan beteiligt zu sein? Es geschieht.

Die größten Transfers sind sein Werk

Nebenbei Anfang der Neunzigerjahre Geschäftsführer von Vater Raiolas zwischenzeitlich 25 Restaurants fassenden kleinem Pizzeria-Imperium und Sportdirektor beim HFC Haarlem zu sein - und nebenbei dem SSC Neapel, seinem Herzensklub, noch die Kontrolle über den niederländischen Spielermarkt zu beschaffen? Es geschieht.

1993 im Alleingang den Wechsel des damaligen 21-jährigen Sturmtalents Dennis Bergkamp von Ajax Amsterdam zu Inter Mailand durchzuboxen? 1996 Pavel Nedved von Sparta Prag zu Lazio Rom zu transferieren? 2003 schließlich Zlatan Ibrahimovic, Bruder im Geiste und Antipode seiner Figur, kennenzulernen; den Stürmer in der Folge, immer schön lärmend orchestriert und für beide lukrativ, von Ajax zu Juventus, zu Inter, zum FC Barcelona, zu Milan, zu PSG und nun endlich zu Manchester United zu transferieren? Bei United von der unerwünschten Person zum wichtigsten Verhandlungspartner zu werden? Geschieht. Geschieht. Geschieht.

Raiola stellt in diesem Sommer seinen Intimfeind in den Schatten

Die neue Popularität Raiolas im Norden Englands ist umso erstaunlicher, da zu Mourinhos besten Freunden und Geschäftspartnern der Portugiese Jorge Mendes gehört, zufälligerweise (oder eher nicht) auch Spielerberater. Zu seinen Kunden gehören Cristiano Ronaldo, Pepe, der Neu-Bayer Renato Sanches und Uniteds Torhüter David de Gea. Zufälligerweise (oder eher nicht) ist Mendes auch Raiolas Intimfeind.

"Er und ich sind wie Nordpol und Südpol. Wir haben ein völlig unterschiedliches Verständnis von unserem Business", sagte Raiola 11Freunde. Der Portugiese sei ein Investor, der sich für seine Spieler gar nicht interessiere. Anders als er, der Altruist mit Hang zur Geltungssucht.

Spielerberater dieser Größenordnung streben immer auch ein wenig nach Einfluss in den Großklubs. Real Madrid etwa gilt traditionell als Mendes-Klub. Auch beim FC Bayern war der Portugiese in der vergangenen Saison auffallend häufig zu Gast, schon lange bevor Sanches' Wechsel anstand. Paris Saint-Germain und der AC Milan dagegen gelten als Raiola-Vereine. Wenn der Italo-Holländer nun bald drei seiner besten Spieler bei Manchester United unter Vertrag gebracht hat, könnte das dem Klub sportlich helfen, dem Berater aber fast noch mehr. Und sei es nur, weil er seinem besten Feind ein Schnippchen geschlagen hätte.

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