Parteitag der Demokraten:Sanders: "Hillary Clinton muss die nächste US-Präsidentin werden"

  • Zu Beginn des Demokraten-Parteitags ruft Bernie Sanders zur Wahl von Hillary Clinton auf: "Die Entscheidung ist nicht knapp."
  • Viele Sanders-Fans machen ihren Unmut über Clinton deutlich - der Auftritt von First Lady Michelle Obama wird am stärksten bejubelt.
  • In Umfragen liegt der Republikaner Donald Trump nun vor Hillary Clinton - diese Veränderung ist nach dem jeweiligen Parteitag normal.

Von Matthias Kolb, Philadelphia

So viel Einigkeit wie möglich, so wenig Streit wie nötig - das ist das Ziel des Auftaktabends beim Parteitag der Demokraten in Philadelphia. Donald Trump hat sich nach seiner von internen Kontroversen begleiteten Kür durch die Republikaner in den jüngsten Umfragen vor Clinton geschoben. Und dass die von Wikileaks veröffentlichten E-Mails offenbaren, wie sehr die Parteifunktionäre während der Vorwahlen auf Seiten von Hillary Clinton standen (Details hier), ärgert viele Fans von Bernie Sanders.

Während vor dem Wells Fargo Center Tausende protestieren, posieren in der Halle überzeugte Hillary-Gegner mit Klebeband über den Mündern, auf denen "Silenced by the DNC" steht. Die Wut auf die Funktionäre des DNC ist enorm, und 15 000 Reporter suchen nach Konflikten. Die dramatischen Bilder überdecken, dass die Mehrheit der Sanderistas für Clinton votieren wird.

Angie Aker

Angie Aker aus Wisconsin protestiert still.

(Foto: AP)

"Bernie und Hillary hatten im Senat 93 Prozent Übereinstimmung", sagt Robert Hansen aus Wisconsin. Ein Präsident Trump wäre desaströs, meint der Bernie-Fan und ergänzt: "Einige sind scharf aufs Rampenlicht und sind scharf auf Facebook-Likes."

Wie wichtig es den Planern ist, die Fans von Bernie Sanders zu besänftigen, zeigt eine kurzfristige Programmänderung: Seine Rede ist nun der Abschluss des ersten Abends des Parteitags. Es dauert drei Minuten, bis er loslegen kann - zu laut ist der Applaus, zu viele Tränen fließen, zu ausdauernd die "Feel the Bern"-Sprechchöre, und wer in diesem Moment aus einem Koma erwacht wäre, würde denken, dass Sanders gleich die Nominierung als Präsidentschaftskandidat annimmt.

Clinton oder Trump? "Die Entscheidung ist nicht mal knapp"

Der 74-Jährige, der im Vorwahlkampf 13 Millionen Stimmen geholt und viele - nicht nur junge - Amerikaner in den politischen Prozess zurückgeholt hat, braucht eine Weile, eher er den entscheidenden Satz sagt: "Hillary Clinton muss die nächste US-Präsidentin werden. Die Entscheidung ist nicht mal knapp." Der Wahlempfehlung geht der sperrige Halbsatz "jeder objektive Beobachter wird feststellen" voraus, der erahnen lässt, wie sehr Sanders den dauertwitternden Trump verachtet, der nun um seine Anhänger wirbt.

Der Senator aus Vermont weiß, dass sich viele seiner Fans schwertun, die Ex-Außenministerin zu unterstützen und dies nur damit rechtfertigen, dass Trump nie ins Weiße Haus kommen dürfe. In Cleveland war klar, dass die Verachtung für Clinton die Republikaner eint - und Tausende "Love Trumps Hate"-Schilder in Philadelphia zeigen, dass auch hier die Angst vor dem Gegner alle zusammenschweißt - die Zuneigung für die eigene Kandidatin ist eher mau.

Der 74-jährige Sanders betont, dass die von ihm begonnene "politische Revolution" weitergehe, solange sich die Anhänger dafür einsetzten, den Alltag für die Armen und die gebeutelte Mittelschicht zu verbessern. Trump habe hier nichts zu bieten, während auch Clinton überzeugt sei, dass in Amerika "niemand, der 40 Stunden arbeite", arm sein dürfe. Zusammen könne man dafür sorgen, dass der US-Kongress das transpazifische TPP-Freihandelsabkommen ablehne.

Zu allerletzt führt der Senator, der wenige Stunden zuvor wegen seiner Unterstützung für Clinton ausgebuht worden war, ein Argument an, das weit über die vier oder acht Jahre lange Amtszeit des nächsten Präsidenten hinausreicht. "Hillary Clinton wird Richter an den Supreme Court schicken, die die Rechte von Homosexuellen und Frauen schützen und den Einfluss des Geldes auf die Politik begrenzen", ruft er. Wer überlege, nicht zur Wahl zu gehen, der solle bedenken, welch schlimme Folgen von Trump auserwählte Richter für "Bürgerrechte, Gleichberechtigung und die Zukunft unseres Landes" haben würden.

Vor Sanders' Rede waren zwei prominente Bernie-Fans aufgetreten. Paul Simon singt etwas wackelig das Konsens-Lied "Bridge over Troubled Waters", und Komikerin Sarah Silverman erklärt, wieso sie weiter Sanders bewundert und nun "mit Gusto" Clinton unterstützen kann. "Bernie hat uns gezeigt, was möglich ist und was uns zusteht. Mein Psychiater sagt, dass wir nicht das kriegen, was wir wollen - sondern das, was wir denken, das uns zusteht." Als Teile der Halle buhen, ruft Silverman: "Kann ich den #BernieorBust-Leuten etwas sagen? Ihr macht euch lächerlich!"

First Lady Michelle singt Loblied auf Hillary Clinton

Ansonsten ist der Premieren-Abend deutlich von Frauen geprägt. Die überaus populäre Michelle Obama, zu deren Fans offensichtlich auch Melania Trump gehört, spricht darüber, wie der jeweilige Präsident das Schicksal von Familien prägt - und wie sehr er ein Vorbild für Millionen Kinder ist. Bewegend spricht sie darüber, wie schwer es war, zwei junge Töchter (sieben und zehn) im Weißen Haus aufzuziehen und stets den höchsten Ansprüchen zu genügen.

Ohne Trump beim Namen zu nennen, wirbt Obama für die "Kämpferin" Hillary Clinton, die den Charakter und das Urteilsvermögen habe, Entscheidungen über Krieg und Frieden zu treffen. Sie sei überzeugt, dass die gesamte Karriere und Biografie von Clinton garantiere, dass sie sich für Kinder und all jene einsetzen werde, die Hilfe brauchen.

Nach ihrem Auftritt in James Cordens "Car Pool Karaoke" kürte sie Vanity Fair jüngst zur "coolsten First Lady aller Zeiten", und auch dieser Auftritt in Philadelphia bestätigt dieses Urteil: Die Halle steht Kopf, und aus strategischer Sicht muss Hillary Clinton für jeden Michelle-Auftritt dankbar sein.

Bei den Demokraten ist alles bunter, weiblicher und optimistischer

Mit Astrid Silva berichtet eine DREAMerin aus den Leben jener Familien, die ohne gültige Papiere in die USA gekommen sind und in Angst vor Abschiebung leben - der DREAM Act soll Leute wie Astrid schützen, die als Kinder nach Amerika kamen (sie war vier) und nirgendwo sonst lebten. Das Versprechen, eine umfassende Einwanderungsreform durchzusetzen, wiederholt Clinton seit Monaten und erklärt ihren großen Popularitätsvorsprung unter Latinos.

Der Umgang mit dem Thema Migration (bei den Republikanern wurden Migranten stets als Menschen beschrieben, die das Sozialsystem ausnutzen und "unsere wunderschönen Frauen" vergewaltigen oder ermorden wollen) ist nur einer der vielen Gegensätze: Die Delegierten sind jünger, häufiger weiblich und viel, viel optimistischer als die mehrheitlich weißen Abgesandten der Konservativen. Latinos, Asian Americans, Schwarze, Native Americans sowie Behinderte sind im Publikum und am Rednerpult - und fast alle erinnern daran, wie Donald Trump sie und ihresgleichen beleidigt hat.

Warren: Die US-Bürger fallen nicht auf Trump rein

Vor Sanders hatte Elizabeth Warren den Republikaner Trump am härtesten attackiert. Die linke Senatorin aus Massachusetts liefert sich seit Wochen Twitter-Duelle mit dem Milliardär, und sie wird immer wieder für ihre Angriffe bejubelt. "Trump denkt, dass er gewinnen kann, indem er Flammen des Hasses und der Angst anfacht. Er will euch überzeugen, dass das größte Problem in diesem Land die anderen Amerikaner sind, die nicht so aussehen oder reden wie ihr", ruft Warren.

Der Milliardär habe keine Pläne, die Arbeitern und der Mittelschicht helfen würden: "Er hat nur Ideen, die reichen Kerlen wie ihm selbst helfen würden." Warren kündigt an, alles zu tun, damit Clinton ins Weiße Haus kommt - und sie dankt Bernie Sanders dafür, dass er die Diskussion rund um soziale Ungleichheit verändert hat.

Den Ausdruck rigged system ("korruptes System"), den neben Sanders auch Trump ständig nutzt, hat Warren in den politischen Diskurs gebracht: Sie fordert eine strengere Regulierung für Wall-Street-Banken, die sie für die globale Finanzkrise verantwortlich macht. In Richtung aller US-Bürger, die sich über die wachsende soziale Ungleichheit ärgern, ruft Warren: "Wenn wir uns bekriegen, dann können wir nicht gemeinsam gegen das 'korrupte System' kämpfen. Aber ich habe Neuigkeiten für Donald Trump: Das amerikanische Volk fällt auf so etwas nicht herein."

Die Tausenden Demonstranten vor der Halle wird das Programm der Einigkeit sicher nicht überzeugen, aber für Hillary Clinton und ihre Strategen ist es bereits ein Fortschritt, dass sich zumindest alle Redner einig sind.

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