Flüchtlinge:Wie Flüchtlinge in Deutschland registriert werden

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Im vergangenen Jahr wurden längst nicht alle Flüchtlinge bei ihrer Ankunft registriert - so wie hier im bayerischen Erding. Das wird nun nachgeholt. (Foto: dpa)
  • Die Täter von Ansbach und Würzburg waren Flüchtlinge.
  • Unionspolitiker fordern nun Nachbesserungen bei der Erfassung der nach Deutschland eingereisten Asylsuchenden.
  • Noch sind 150 000 Menschen nicht beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge registriert, bis Herbst aber soll die Erfassung abgeschlossen sein.

Von Jan Bielicki

Mohammad D. war ordentlich registriert. Spätestens am 21. August 2014 hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) seine Daten, je einen sauber eingescannten Abdruck von jedem seiner zehn Finger inklusive. An diesem Tag stellte er in der Bamf-Außenstelle in der Flüchtlings-Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf bei Nürnberg seinen Antrag auf Asyl. Es war, lange bevor jeden Tag Tausende Flüchtlinge über die deutschen Grenzen kamen und die wohlaustarierte Bürokratie des deutschen Aufnahme-Prozedere zusammenbrechen ließen.

Alles funktionierte noch bestens, nur drei Tage später hatte er seine Anhörung, und durch Abgleich in der europäischen Fingerabdruck-Datei Eurodac konnte das Amt schnell erkennen, dass der Mann aus dem nordsyrischen Aleppo bereits in Bulgarien und Österreich registriert war und darum kein Recht auf Schutz in Deutschland hatte.

Dass D. sich zwei Jahre später mitten in Ansbach in die Luft sprengen sollte, konnte auch seine ordentliche Registrierung nicht verhindern. Und doch verstärkte seine Tat die Furcht von Bürgern und Behörden, die Kontrolle darüber verloren zu haben, wer denn da ins Land gekommen ist. Wirklich nur Menschen, die Schutz suchten? Oder auch Terroristen und Kriminelle?

Sofort kamen Rufe auf nach einer "Registrierungsrevision", wie CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte. Ihn unterstützten Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) und der eigene Parteichef: "Wir müssen wissen, wer im Land ist", sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer.

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In 1200 Erfassungsstationen werden mittlerweile Daten von Asylbewerbern aufgenommen

Tatsächlich leben in Deutschland immer noch Zehntausende Flüchtlinge, deren Identität das Bamf bislang noch nicht ordentlich erfasst hat. Vor allem in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres wurden von einem Großteil der über die österreichisch-bayerische Grenze strömenden Asylbewerber nur kurz Namen aufgenommen und in das Computersystem Easy eingespeist, das die Menschen auf die Bundesländer verteilte.

Insgesamt 1,3 Millionen Namen verzeichnete das Easy-System seit 2015. Darauf, ihren Asylantrag samt Personalien beim Bundesamt abzugeben, warten viele dieser Menschen jedoch bis heute, das völlig überlastete Amt hatte keine Termine für sie. Ende 2015 hatten nach Bamf-Schätzungen 300 000 bis 400 000 dieser nur oberflächlich registrierten Flüchtlinge noch keinen Asylantrag abgegeben - und damit auch nicht die erkennungsdienstliche Registrierungsmaschinerie des Bundesamts durchlaufen können.

"Easy-Gap" nennt Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise diese Differenz zwischen den im Land und den in den Akten seines Amtes angekommenen Flüchtlingen. Unter diesen Menschen verbergen sich die großen Unbekannten der Flüchtlingsstatistik.

Allerdings ist die nun geforderte Nachregistrierung dieser Flüchtlinge längst im Gang. In schnellem Takt eröffnet das Amt derzeit sogenannte Ankunftszentren, erst am Montag etwa im holsteinischen Glückstadt und an diesem Mittwoch im brandenburgischen Eisenhüttenstadt. Dort können täglich jeweils mehrere Hundert Flüchtlinge durchgeschleust werden. Nach Schätzungen des Bamf ist die Easy-Lücke inzwischen auf 150 000 Menschen noch ohne Bundesamts-Akte geschrumpft. Aber auch diese seien, so versichert ein Sprecher des Bundesinnenministeriums, "zum allergrößten Teil" bereits polizeilich registriert und in den Computersystemen der Bundesländer erfasst.

Bis Herbst sollen dem Bamf zufolge alle Flüchtlinge registriert sein

Um dieses föderale Erfassungschaos zu beenden, hatte die Berliner Koalition bereits im Februar ein Gesetz in Kraft treten lassen, dessen Name zwar sehr lang ist, das die Aufnahmeverfahren aber deutlich verkürzen soll. Das Datenaustauschverbesserungsgesetz sieht vor, Asylsuchende bundesweit in einem einheitlichen Datensystem zu erfassen, zu dem alle am Asylverfahren beteiligten Behörden Zugriff haben, auch die Sicherheitsbehörden. Das geschieht bereits beim Erstkontakt mit einer zur Registrierung befugten Behörde, also neben dem Bamf vor allem Aufnahmestellen und Ausländerämter in den Ländern und die Polizei.

Die neue Datei speichert laut Bundesinnenministerium bereits mehr als 100 000 Personalien von Flüchtlingen, darunter aller derjenigen, die seit Mai ins Land kamen. In 1200 Erfassungsstationen werden unter anderem Fingerabdrücke genommen, die Personalien mit Datenbanken der Sicherheitsbehörden abgeglichen und vorgelegte Dokumente überprüft - so die Flüchtenden welche dabei haben. Es muss sich nicht um Pässe handeln, auch Geburtsurkunden oder Führerscheine akzeptiert das Bamf. Allerdings wird vom Asylverfahren nicht ausgeschlossen, wer seine Papiere nicht vorlegen kann, wer sie verloren oder eben auch weggeworfen hat. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres prüften Spezialisten des Amtes etwa 100 000 syrische Dokumente. Nur bei 424 davon hatten sie etwas zu beanstanden.

Da kaum noch neue Flüchtlinge nachkommen, seitdem die Balkanroute geschlossen ist, glaubt Amtschef Weise nun, die Registrierungslücke deutlich schneller schließen zu können als bisher angenommen. Im September sollen alle Altfälle registriert sein.

© SZ vom 27.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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