US-Wahlkampf:Nicht alle Amerikaner sind entsetzt, dass Trump den Soldatenvater angreift

  • Demokraten, führende Republikaner und konservative Kommentatoren greifen Donald Trump für seine Kritik an dem Ehepaar Khan an, das einen Sohn im Irakkrieg verloren hat.
  • Trump-Fans zweifeln hingegen nicht an der Anständigkeit ihres Kandidaten, sondern hinterfragen die Motive Khans, der auf dem Parteitag der Demokraten geredet hatte.

Von Matthias Kolb, Washington

An diesem Wochenende schien es so weit zu sein: Der Niedergang des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump sei eingeleitet, unkten konservative Kommentatoren.

"Ich habe mich noch nie so geekelt", sagte der konservative Intellektuelle David Brooks in der TV-Show "Meet the Press". Brooks von der New York Times sprach über Donald Trump und dessen abfällige Kommentare über Khizr und Ghazala Khan, deren Sohn als US-Soldat im Irak gefallen war - und die den Republikaner für dessen Anti-Muslimen-Rhetorik beim Demokraten-Parteitag attackiert hatten.

Ähnlich entsetzt ist George Will, konservativer Kommentator bei Fox News und der Washington Post. Will ist wegen Trump aus der Republikanischen Partei ausgetreten. "Immer wenn man denkt, dass man am Tiefpunkt angelangt ist, dann kommt Herr Trump und sagt noch schlimmere Sachen", schimpfte Will in der Sonntags-Show von Fox News.

Bisher ist schwer zu sagen, ob der leicht reizbare Trump spontan auf die Attacke von Khizr Khan ("Haben Sie jemals die US-Verfassung gelesen?") reagiert hat und sich nun nur nicht entschuldigen will (Trump gesteht aus Prinzip keine Fehler ein). Möglicherweise will er mit dieser Rhetorik ("Vielleicht durfte Frau Khan nichts zu sagen haben?") beweisen, dass er für seine "Nur ich kann Amerika vor Terror schützen"-Botschaft jede Art von Kritik auf sich nimmt.

Clinton liegt nun wieder vor Trump

Die ersten Umfragen nach dem Parteitag der Demokraten liefern den Republikanern keine guten Nachrichten: Bei CNN liegt er neun Punkte (43 zu 52) hinter Clinton und bei CBS sind es fünf Punkte Rückstand. Nicht nur wegen der tagelangen und noch immer andauernden Diskussion sind sich viele Umfrage-Experten einig, dass die Khan-Rede der entscheidende Moment von beiden Parteitagen war.

Für Demokraten (und Europäer) offenbarte sich hier Trumps spalterische Rhetorik. Demoskopen glauben, dass diese Aussagen gerade bei Wählerinnen schlecht ankommen, weil sie Zweifel an dessen Charakter wecken - und anders als Angriffe auf Politiker oder Journalisten werden Attacken von Politikern gegen "normale Personen" als unpassend wahrgenommen. Eines ist aber klar: Trump-Fans zweifeln gar nicht an der Anständigkeit ihres Kandidaten, sondern hinterfragen die Motive von Soldatenvater Khan. Ihre Vorwürfe:

  • Den Khans gehe es nicht um Ehre der Soldaten. In einem offenen Brief hinterfragt Ex-Marine Chris Mark die Argumentation der Eltern. Er nennt deren Sohn Humayun einen "Helden", doch er betont, dass dessen Tod kein Opfer war (Vater Khan wirft Trump vor, nichts für Amerika geopfert zu haben): Jeder US-Soldat melde sich freiwillig und gehe das Risiko ein, getötet zu werden. Mark kritisiert zudem, dass Khan kein Wort darüber verlor, dass der im Krieg verwundete Soldat Florent Groberg wenige Minuten zuvor von linken Parteitags-Delegierten ausgebuht wurde. Dieses Schweigen sei "überheblich", klagt Chris Mark - dies beweise, dass es Khan nicht um das Ansehen aller Armeeangehörigen gehe.
  • Khan sei ins Clinton-Netzwerk verstrickt und habe Kontakte zu Saudi-Arabien. Konservative Websites wie Breitbart.com berichten, dass Khizr Khan lange für eine Anwaltskanzlei tätig war, die seit Jahren die saudische Regierung vertrete. Dass diese der Clinton-Familienstiftung viel Geld gespendet habe, ist in konservativen Kreisen Beleg für die Käuflichkeit von Hillary Clinton - weshalb Trump sie auffordert, die Spenden in Millionenhöhe zurückzugeben. Der Washington Examiner betont einen anderen Aspekt: Der Jurist Khizr Khan verdiene heute sein Geld damit, spezielle US-Visa an reiche Ausländer zu vermitteln, die angeblich oft überzogen würden (Details hier). Ein Vergehen Khans kann nicht belegt werden, aber geraunt wird trotzdem.
  • Khan sei mediengeil und wolle sich nur profilieren. Oft zu hören ist die Kritik, dass Khizr und Ghazala Khan ein TV-Interview nach dem anderen geben würden und selbst die Aufmerksamkeit gesucht hätten. Der Ex-Soldat und Ex-Abgeordnete Allen West wirft den Khans - ebenfalls per offenem Brief - vor, mit Noch-Präsident Obama und dessen Wunschnachfolgerin Politiker zu unterstützen, denen Polizisten, Soldaten und jegliche Sicherheitskräfte egal seien. West bringt alle Kritik an Hillary Clinton vor - als Soldaten-Eltern müssten die Khans doch entsetzt sein, wie die Ex-Außenministerin auf die Attacke in Bengasi reagiert habe und mit ihren E-Mails umgegangen sei.

Dass es Khan nur um sein Ego gehe, ist übrigens die neue Verteidigungslinie von Donald Trump:

  • Alles nur ein Medien-Hype. Für Trump-Fans ist CNN nur das "Clinton News Network" und die Washington Post unglaubwürdig, weil sie Amazon-Gründer Jeff Bezos gehöre, den Trump ständig attackiert. Medienbashing ist ihr Lieblingssport und nun werden zwei Punkte betont: Der ABC-Moderator George Stephanopoulos, der Trump kritische Fragen stellte, arbeitete einst für Bill Clinton und hat der Clinton-Stiftung Geld gespendet (Details hier) - und sei daher nicht objektiv. Als zweiter Beleg wird stets die falsche Behauptung genannt, dass die Aussage von Patricia Smith während des Republikaner-Parteitags von den "Clinton-Medien" ignoriert worden sei. Smith hatte Hillary Clinton persönlich für den Tod ihres Sohnes verantwortlich gemacht (mehr in dieser SZ.de-Reportage).

Trump bezeichnet Gegnerin Clinton als "Teufel"

Ob und wie stark die abfälligen Bemerkungen über die Soldateneltern Khan dem Republikaner-Kandidaten Trump wirklich schaden, werden die nächsten Umfragen zeigen (dann haben sich noch mehr US-Bürger ihre Meinung gebildet) - und womöglich entschließen sich noch mehr konservative Senatoren und Abgeordnete zu ähnlich klaren Worten wie John McCain: "Trump verleumdet die besten von uns."

Während Trumps Vize Mike Pence bei seinem Wahlkampfauftritt in Nevada die Wogen zu glätten versuchte ("Captain Khan ist ein amerikanischer Held. Wir ehren ihn und seine Familie"), hält der Geschäftsmann an seiner Rhetorik fest. Bei zwei Auftritten gab er den Kämpfer für die Arbeiterklasse und bezeichnete Hillary Clinton wörtlich als den "Teufel". Erneut umwarb er die Fans von Bernie Sanders (dieser habe einen "Teufelspakt" mit der Ex-Außenministerin geschlossen, die ihn um den Sieg betrogen habe).

Und weil auch Trump nie um eine Verschwörungstheorie verlegen ist, behauptet er flugs, dass die Wahl am 8. November ganz sicher manipuliert werden würde - natürlich gegen ihn und die Republikaner. Vier Tage nach Clintons Abschlussrede beim Parteitag in Philadelphia ist klar: Wer im US-Wahljahr auf eine Art Sommer-Verschnaufpause hoffte, der kennt Donald Trump schlecht.

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