Zuflucht im Frauenhaus Dachau:Vor verschlossener Tür

Pressegespräch

In einer Gesprächsrunde erörtern Ruth Huber, Simone Strohmayr, Oskar Krahmer, Martin Güll und Wiebke Kappaun (v. links) die Probleme des Frauenhauses.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Frauenhaus hat zu wenig Geld und Plätze und muss deshalb viele Opfer häuslicher Gewalt abweisen. Die SPD will das ändern, der Landtagsabgeordnete Martin Güll fordert die Kommunen im Landkreis zur Solidarität auf

Von Petra Schafflik, Dachau

Zuflucht und Sicherheit finden Opfer häuslicher Gewalt oft nur in Frauenhäusern als spezialisierten Schutzeinrichtungen. Doch für ganz Bayern gilt: "Frauenhäuser sind unterfinanziert und es fehlen Plätze." Das betont SPD-Landtagsabgeordnete Simone Strohmayr, die mit ihrer Fraktionskollegin Ruth Müller jetzt auf ihrer "Sommerreise" durch Südbayern in Dachau Station gemacht hat. Eine aktuelle Studie der Universität Erlangen gibt den beiden frauenpolitischen Sprecherinnen der Landtags-SPD genauso Recht, wie Sozialarbeiter und Frauenhausträger in Dachau. Landesweit mussten Frauenhäuser fast so viele Opfer häuslicher Gewalt abweisen, wie sie aufnehmen konnten, so die Studie. Auch in Dachau wünscht sich das Frauenhaus unter der Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt (Awo) "mehr Stunden für die Betreuung und mehr Plätze", sagt Awo-Kreisgeschäftsführerin Wiebke Kappaun.

Mehr sozialer Wohnungsbau nötig

Von einer andere Seite möchte der Dachauer SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll ansetzen: Mehr sozialer Wohnungsbau könnte helfen, dass Frauen schneller die Schutzeinrichtung verlassen und die Plätze öfter neu belegt werden können. "Interkommunale Solidarität ist da gefragt", so Güll. Die finanzielle Ausstattung der Frauenhäuser in Bayern lässt vielfach zu wünschen übrig, weiß die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Simone Strohmayr, die sich seit Jahren für eine Stärkung dieser Schutzeinrichtungen einsetzt. Auslöser der Misere ist, dass die Zufluchtsorte für Opfer häuslicher Gewalt maßgeblich von den Kommunen abhängen.

Der staatliche Förderanteil sei in 20 Jahren genau einmal, nämlich 2009, erhöht worden und insgesamt viel zu niedrig. So ist es auch in Dachau: Hier erhält das Frauenhaus 20 000 Euro im Jahr vom Freistaat, der Landkreis übernimmt mit 120 000 Euro den Löwenanteil der Kosten, die Arbeiterwohlfahrt als Träger schultert noch 5000 Euro aus eigener Kraft. Diese Summen reichen für elf Plätze, die von fünf Frauen und bis zu sechs Kindern belegt werden. Und für 76 Wochenstunden soziale Betreuung der Bewohnerinnen durch ein Team an Fachkräften. Dieses Zeitbudget geht in die Akut-Beratung. "Für Prävention und Nachbetreuung bleibt wenig Luft", betont Kappaun. Eine Aufstockung der Wohnplätze wie eine intensivere Betreuung wären notwendig. Das zeigt auch eine wissenschaftliche Studie, die von der Universität Erlangen im Auftrag des bayerischen Sozialministeriums erstellt worden ist. Für Dachau weist diese Untersuchung einen Bedarf an 15 statt der vorhandenen elf Familienwohnplätze aus. Der Landkreis ist damit keine Ausnahme, landesweit fehlten im Durchschnitt 35 Prozent Plätze in den Frauenhäusern, erklärt Simone Strohmayr. Für die Betreuung der Bewohnerinnen sollten in Dachau laut Studie 141 statt 76 Stunden verfügbar sein.

Frauenhäuser besser ausstatten

Ihre Forderung nach mehr Geld für die Frauenhäuser in Bayern wollen Strohmayr und Müller bei den Haushaltsberatungen des Landtags einbringen. Argumente aus der Praxis sammeln die frauenpolitischen Sprecherinnen gerade bei ihrer "frauenpolitischen Sommerreise." Eine Erkenntnis: Die Situation der Schutzeinrichtungen in Bayern unterscheide sich aktuell enorm. "Je nach finanziellen Möglichkeiten und Problembewusstsein der jeweiligen Kommunen", wie Strohmayr erklärt. Das Ziel der SPD-Politikerinnen: "Frauenhäuser müssen verlässlich finanziert und personell ordentlich ausgestattet sein", betont Müller.

Einen weiteren Ansatz, die Kapazität des Frauenhauses indirekt zu erhöhen, bringt der Abgeordnete Martin Güll ins Gespräch. Der Besuch mit seinen Landtagskolleginnen im Dachauer Frauenhaus hat ihm deutlich werden lassen, wie stark die Arbeit in der Schutzeinrichtung durch die Wohnungsnot im Landkreis aktuell geprägt und auch behindert wird. Weil bezahlbare Wohnungen fehlen, können Frauen nicht in eigene vier Wände umziehen, sobald sie ihr Leben wieder im Griff haben. Weil das Frauenhaus seine Schützlinge aber nicht in die Obdachlosigkeit entlässt, werden Schutzplätze oft von "Fehlbelegerinnen" blockiert.

Abhilfe schaffen könnte eine Stärkung des sozialen Wohnungsbaus. Dabei fordert Güll, der in seinem Heimatort Hilgertshausen-Tandern im Gemeinderat und auch im Dachauer Kreistag sitzt, ganz deutlich die Solidarität der ländlichen Gemeinden ein. "Auch wenn im jeweiligen Ort kein eigener Bedarf an sozialem Wohnraum vorliegt." Kommunen wie Hilgertshausen könnten beispielsweise ein Grundstück bereitstellen, auf dem die Kreiswohnungsbaugesellschaft dann Sozialwohnungen errichtet - für Bürger aus dem gesamten Landkreis. Wenn dadurch die Frauen wieder rascher aus der Schutzeinrichtung heraus eine eigene Wohnung beziehen könnten, sagt Güll, "ließe sich indirekt die Kapazität des Frauenhauses erhöhen". Und das Frauenhaus-Team, das derzeit intensiv mit der Wohnungssuche beschäftigt ist, könnte sich wieder viel mehr um die soziale Betreuung der Opfer häuslicher Gewalt kümmern.

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