Wolfratshausen:Auftragsmord im Hinterhof

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Es war die wohl grausamste Tat, die Wolfratshausen erlebt hat: Vor 33 Jahren wurde Stjepan Durekovic mit Schüssen und Schlägen getötet. Die Ereignisse sind am Tatort immer noch präsent.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Das Haus an der Sauerlacher Straße 1 ist ein schmuckloser Funktionsbau aus den Sechzigerjahren, im Erdgeschoss eine Bäckerei und eine Anwaltskanzlei, darüber Wohnungen mit Balkonen. An der linken Hausseite führt eine Einfahrt hinunter zu den acht Garagen auf der Rückseite des Gebäudes. Auf einem Schild weist die Eigentümergemeinschaft darauf hin, dass das Abstellen von Fahrzeugen im Hof verboten ist. Hier geschah vermutlich die blutigste Tat, die Wolfratshausen je erlebt hat: Am 28. Juli 1983 wurde der Exilkroate Stjepan Durekovic in einem Garagengebäude erschossen und erschlagen. Sechs Kugeln zweier unterschiedlicher Kaliber wurden in seiner Leiche gefunden, sein Schädel war zertrümmert worden.

Zwischen den Garagen befinden sich die Räume einer einstigen Druckerei. Durekovic, vor seinem Exil Manager eines staatlichen jugoslawischen Ölkonzerns, war Publizist und Kritiker des damaligen Regimes in Belgrad. In Wolfratshausen ließ der Dissident zahlreiche Schriften drucken, in denen er mit der kommunistischen Regierung Jugoslawiens abrechnete. Seine Mörder wurden nie gefasst.

Am Mittwoch aber, 33 Jahre nach seiner Hinrichtung, hat das Oberlandesgericht in München die beiden Hintermänner zu lebenslanger Haft verurteilt: den ehemaligen Chef des jugoslawischen Geheimdienstes SDS in der Teilrepublik Kroatien, Zdravko Mustac, heute 74 Jahre alt, und dessen 71-jährigen einstigen Mitarbeiter Josip Perkovic. Nach einem mehr als 20 Monate dauernden Prozess sah es das Gericht als erwiesen an, dass der Mord in Wolfratshausen ein Auftragsmord der ehemaligen jugoslawischen Regierung war. Eine späte Genugtuung für die Hinterbliebenen der mehr als 20 jugoslawischen Dissidenten, die in den Siebziger- und Achtzigerjahren auf deutschem Boden ermordet wurden.

Schuldig: Die Geheimdienstchefs und Auftraggeber Zdravko M. (links) und Josip P. (rechts) sind erst 33 Jahre nach dem Mord verurteilt worden. (Foto: Michaela Rehle/Reuters)

Äußerlich erinnert in dem Wolfratshauser Hinterhof nichts mehr an die Bluttat: Hinter den Lamellenjalousien der Fenster befinden sich zwei akkurat eingerichtete Büros mit Computern und Aktenordnern. Sie gehören zur Kanzlei eines Fachanwalts für Verkehrsrecht, der seit 2011 in dem Haus residiert. Bei denen, die dort leben und arbeiten, ist die grausame Vergangenheit der Räume im Untergeschoss immer noch präsent - schon allein, weil der Tatort in den vergangenen Jahren immer wieder in Augenschein genommen wurde. Im Februar 2008 waren Richter und Staatsanwälte mit Krunoslav P. dort, einem Landsmann Durekovics, der die Druckerei damals gemietet und die Leiche gefunden hatte. Der Geretsrieder wurde kurz darauf wegen Mittäterschaft zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hatte für den SDS jahrelang die Dissidentenszene in Deutschland ausspioniert und auch über Durekovics Tätigkeiten berichtet - und den Killern im Sommer 1983 den Ersatzschlüssel für die Garage zugespielt. Im November 2014 haben dann Mitarbeiter des Landeskriminalamts den unscheinbaren Garagenbau mit Laserscannern und Panoramakameras erfasst, um ein 3D-Modell vom Tatort zu erstellen.

Der spielte auch beim Prozess im Oberlandesgericht eine zentrale Rolle. Ende 2014 wurden dort noch einmal die Zeugen von damals vernommen. Der längst pensionierte Notarzt der Wolfratshauser Kreisklinik konnte sich nach mehr als 30 Jahren nicht erinnern, ob er die Leiche auf Totenflecken untersucht hat. Er habe sich auf das Nötigste beschränkt, sagte er, denn der Mann sei offensichtlich tot gewesen, der da mit gespaltenem Schädel in einer Blutlache lag. Allein der Blutverlust von sicher zwei Litern wäre tödlich gewesen. Ein ehemaliger Polizist der Wolfratshauser Inspektion erinnerte sich vor Gericht an den "bleibenden Eindruck, dass es eine Hinrichtung war".

Der Exilkroate Durekovic wurde 57 Jahre alt. Er fiel wohl einem Auftragsmord der ehemaligen jugoslawischen Regierung zum Opfer. (Foto: dpa)

Ein Zeuge hatte die Ermittler auch auf die Spur der drei mutmaßlichen Täter gebracht, die den Mord verübt haben sollen. Zwei von ihnen sind mittlerweile in Kroatien gestorben, der dritte soll in Schweden leben, wo der Mord bereits verjährt wäre. In der Bäckerei Mühlenbäck im Erdgeschoss der Sauerlacher Straße 1 steht Claudia Eldek am Tresen. Sie sei froh, dass nun die Auftraggeber ins Gefängnis müssen, sagt sie. "Die kommen da nicht mehr raus."

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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