Führungsspitzen:Das ist ja wohl der Hammer

Wer 08/15 sät, wird 08/15 ernten: Wenn Chefs ihre Mitarbeiter auffordern, doch endlich mal kreativ zu sein, erreichen sie meist das Gegenteil.

H. Freiberger

Neulich wieder in der Morgensitzung: "Wir müssen uns noch was einfallen lassen für den Kundenevent in vier Wochen", sagt der Chef, "diesmal was Besonderes, nicht wieder so 08/15 wie beim letzten Mal." Es geht also um Kreativität, und die Mitarbeiter fangen an zu überlegen. Nach einiger Zeit sagt Frau Gruber: "Wie wär's, wenn wir die Kunden mal was ganz Verrücktes machen lassen. Wir geben ihnen einen Hammer und damit sollen sie unsere Produkte zertrümmern." Mit großen Augen schaut der Chef Frau Gruber an, um zu prüfen, ob sie es ernst meint. Er blickt in die Runde, sieht in die ungerührten Mienen von Frau Brunner, Frau Englmann und Herrn Sieber. "Das ist ja wohl total daneben", sagt er dann.

Ohne es zu merken, hat er in diesem Moment für seine Firma wertvolles Kapital vernichtet. Denn mit seiner rüden Reaktion auf den Vorschlag signalisiert er den anderen, dass es in dieser Runde verboten ist, Ungewöhnliches zu denken, geschweige zu sagen. Die Mitarbeiter werden sich künftig hüten, eine verrückte Idee zum Besten zu geben. Sie werden bereits Gedachtes, Gesagtes und Gemachtes wiederholen, weil sie damit auf der sicheren Seite sind und keine Abfuhr vom Chef fürchten müssen. Manche werden gar nichts mehr sagen, sondern nur noch zustimmend nicken und "Mhm" murmeln, wenn der Chef etwas sagt.

Wer 08/15 sät, wird 08/15 ernten

Interessant an dem Fall ist, dass der Teamleiter das Gegenteil dessen bezweckt, was er eigentlich bezwecken wollte, nämlich dass seine Mitarbeiter kreativ sind, besondere Ideen entwickeln. Oder will er es vielleicht gar nicht? Fühlt er sich ganz wohl dabei, eingetretene Pfade zu beschreiten, es so zu machen, wie es immer gemacht worden ist, weil es etwas anderes noch nie gegeben hat, wo kämen wir da schließlich hin? Wer 08/15 sät, wird 08/15 ernten.

Was hätte alles aus der Idee von Frau Gruber entstehen können, wenn man sie weitergesponnen hätte? Das Wort "spinnen" ist in diesem Zusammenhang wichtig. Wer Kreativität fördern will, muss seine Mitarbeiter spinnen lassen. Aus einer zunächst abseitigen Idee kann sich im Prozess der freien Assoziation etwas Einzigartiges entwickeln, also praktisch ein Alleinstellungsmerkmal. Anders gesagt: Wer seine Mitarbeiter nicht ab und zu spinnen lässt, der spinnt.

Ein Schraubenzieher an die Hand

Was wäre also passiert, wenn der Chef die Idee von Frau Gruber nicht abgebürstet hätte, sondern erst einmal hätte wirken lassen? Vielleicht hätte Frau Brunner gesagt: "Witzig ist es ja schon, aber den Hammer finde ich etwas hart." Herr Sieber hätte womöglich eine Säge vorgeschlagen, und langsam hätte sich herausgeschält, dass der Reiz der Idee darin besteht, den Kunden ins Innere des Produktes schauen zu lassen, ihm eine neue Sicht auf das Ding zu eröffnen und so die Kundenbindung zu festigen. Vielleicht, so der Vorschlag von Frau Englmann, sollte man ihn das Produkt nicht zerstören, sondern auf gewaltfreie Art öffnen lassen. Wie wäre es also, wenn man ihm auf dem Kundenevent einen Schraubenzieher an die Hand gäbe?

Leider wird es dazu nicht kommen. Das Team wird wieder Luftballons und Kugelschreiber an die Kunden verteilen, same procedure as every year. "Diesmal drucken wir das Firmenlogo aber nicht quer, sondern längs drauf", kündigt der Chef an. Frau Brunner, Frau Englmann und Herr Sieber nicken stumm. Nur Frau Gruber überlegt, ob sie sich einen anderen Job suchen soll.

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