Gruselige Stadtgeschichte:Freisings dunkle Seiten

Von Folter und Hinrichtungen berichtet Ernst Graßy, wenn er zweimal in der Woche Besucher durch das Alte Gefängnis führt. Ein besonders unrühmliches Kapitel der Stadtgeschichte sind die Zauberbubenprozesse.

Von Clara Lipkowski, Freising

Am Alten Gefängnis lässt sich schön sehen, dass auch schon im 18. Jahrhundert Freisinger über Lärmbelästigung klagten. Zu der Zeit war es aber nicht laute Musik nach 22 Uhr, die die Fischergässler aufmischte, sondern störende Geräusche, die aus dem Gefängnisturm nach draußen drangen. Die rührten her von den "hochnotpeinlichen Verhören", also Folterungen, erklärt Ernst Graßy, Stadtkabarettist und Gefängnisführer. Das war den Anwohnern doch zu laut, immer diese Schreie.

Acht Zellen habe es im 18. Jahrhundert im Turm gegeben und lediglich drei Arten mit mutmaßlich Kriminellen umzugehen, erklärt Graßy weiter: "Erstens: Freispruch, zweitens: Geldstrafe, drittens: Hinrichtung." Im 19. Jahrhundert wurde dann ein zusätzlicher Trakt mit 22 Zellen für knapp 100 Häftlinge angebaut.

Zweimal in der Woche führt Graßy Besucher durch das Gebäude und zum Gelände vor dem Hintereingang, wo noch Überreste der Außenmauer des Zellen-Traktes zu sehen sind. 1982 war der abgerissen worden, warum dies geschah, lässt sich heutzutage nicht mehr nachvollziehen.

Das Museum ist im Hexenturm untergebracht

2005 hatte sich der Förderverein Altes Gefängnis gegründet, weil das Gebäude immer mehr verfiel. Zu diesem Zeitpunkt stand es 40 Jahre leer. "Mit viel Unterstützung, aber auch eigener Arbeit haben wir das Gebäude restauriert und saniert", erzählt Graßy, der Verein finanziert sich aus Spenden und Beiträgen. Seit der Sanierung ist das Alte Gefängnis wieder zu einem echten Hingucker geworden, im Lokal im Erdgeschoss werden Wein und Brotzeiten serviert, in den Räumen im Obergeschoss Ausstellungen gezeigt und der sogenannte Hexenturm als Museum präsentiert. Wäre da nicht die Asam-Baustelle, die den Weg zum Haupteingang derzeit versperrt.

Gruselige Stadtgeschichte: Nichts für schwache Nerven: Daumenschrauben sind ein beliebtes Folterinstrument der Vergangenheit.

Nichts für schwache Nerven: Daumenschrauben sind ein beliebtes Folterinstrument der Vergangenheit.

(Foto: Marco Einfeldt)

Inhaftiert waren bisweilen recht bekannte angebliche Kriminelle. Ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte Freisings war der Zauberbubenprozess, der 1715, ein Jahr nach Bau des Gefängnisses, begann. Damals saß eine Gruppe Minderjähriger ein, die damit geprahlt haben soll, zaubern zu können, berichtet Graßy. Nach ausgiebiger Folter hätten die Buben die gewünschten Geständnisse abgelegt und seien allesamt zum Tode durch das Schwert verurteilt worden. Einem Minderjährigen seien vorab aber noch die Adern geöffnet worden, erklärt Graßy, damit er die Hinrichtung selbst nicht miterleben musste.

Die letzte Hinrichtung fand im 18. Jahrhundert statt

Wem das zu gruselig ist, den lässt eine weitere Jahreszahl aufatmen: 1724 fand die wohl letzte Hinrichtung statt, wie Graßy sagt. Zu Ehren des Stadtpatrons Korbinian kam etwa 1000 Jahre nach dessen Ankunft in Freising der gesamte Adel des süddeutschen Raums in der Stadt zusammen. Da waren Skandale unerwünscht. 1802 wurde mit etwas größeren Zellen ein humanerer Strafvollzug eingeführt. Viel später, nach Ende des Zweiten Weltkriegs, war die Freisingerin Rosina Bichlmaier für kurze Zeit inhaftiert und dann nach München überstellt worden, wo ihr der Prozess gemacht wurde. Sie soll einen amerikanischen Soldaten zerstückelt haben, erzählt der Kabarettist, wurde aber freigesprochen. Dann soll sie ihren Anwalt geehelicht haben, mutmaßt man im Nachhinein, wie Graßy mit einem schelmischen Grinsen zu berichten weiß.

Die Gefängnisräume bleiben dem Besucher natürlich nicht vorenthalten. Auch die Zauberbuben mussten in einer Zelle mit bedrückend niedriger Decke ausharren. Sie war, feucht, kalt und nur durch ein kleines Fenster erhellt. Ein anderer Raum diente den berüchtigten Verhören. Dort stellt das Museum einige Folterinstrumente aus. Nur wer laut "Nein" sagt oder einen großen Schritt zurück macht, den verschont Gefängnisführer Graßy, wenn er die Exponate vorführt. Dann legt er dem einen oder anderen schon mal gern die Daumenschraube an.

Wer mehr erfahren will über die dunkle Geschichte Freisings, hat noch bis Oktober jeden Samstag um 14 und 15 Uhr Gelegenheit. Nach der Führung lässt es sich bei schönem Wetter im Innenhof des Weinlokals gut aushalten.

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