Streit um Strandbekleidung:Im Bann des Burkini

Streit um Strandbekleidung: Wenig Verständnis für so viel Stoff: Der Burkini solle von Frankreichs Stränden möglichst verschwinden, fordert nun auch Premier Valls.

Wenig Verständnis für so viel Stoff: Der Burkini solle von Frankreichs Stränden möglichst verschwinden, fordert nun auch Premier Valls.

(Foto: Fethi Belaid/AFP)

Frankreich führt eine erregte Debatte, jetzt will auch Premierminister Valls das Badekleid ächten. Es sei "keine Mode", sondern Zeichen eines "politischen Projekts".

Von Christian Wernicke, Paris

Nun hat sich sogar der Premierminister zu Wort gemeldet im Zank um die korrekte französische Bademode. "Die Werte Frankreichs und der Republik" sieht Regierungschef Manuel Valls bedroht, seit sich in diesem Sommer vermehrt muslimische Frauen im Burkini an den Stränden der Côte d'Azur und des Atlantiks zeigen.

Der Burkini - eine Art Ganzkörper-Badeanzug, der meist nur Hände, Füße und das Gesicht unbedeckt lässt - erregt die Gemüter, seit der berühmte Badeort Cannes sowie drei andere französische Gemeinden das Kleidungsstück verboten haben. Die Bürgermeister geben vor, sie bangten um die "öffentliche Ordnung". Islamische Verbände sowie die Liga für Menschenrechte sehen derweil Gewissens- und Religionsfreiheit bedroht - und ziehen vor den Staatsrat, Frankreichs höchstes Verwaltungsgericht.

Premier Valls stärkt den vier zumeist konservativen Bürgermeistern nun ausdrücklich den Rücken. "Der Burkini", so urteilt der Sozialist und überzeugte Anhänger einer strikten Trennung von Staat und Religion, sei nämlich "nicht ein neue Art des Badeanzugs, keine Mode". Sondern?

"Dies ist die Umsetzung eines politischen Projekts, einer Gegen-Gesellschaft, die auf der Unterdrückung der Frau gründet." Der Laizist mahnt, "die Strände wie der gesamte öffentliche Raum müssen geschützt werden vor religiösen Ansprüchen". Allerdings schloss Valls aus, den Burkini durch ein nationales Gesetz zu verbieten.

Der Regierungschef ahnt, dass ein solcher Burkini-Bann wohl verfassungswidrig wäre. Unter Verweis auf die strikte religiöse Neutralität des Staates untersagt Frankreich seit 2004 zwar das Tragen religiöser Symbole in den Schulen (um Kinder und Jugendliche vor religiöser Beeinflussung zu bewahren).

In der allgemeinen Öffentlichkeit jedoch sind islamisches Kopftuch, die jüdische Kippa oder christliche Kreuze als Schmuck völlig zulässig. Und das seit 2010 geltende Gesetz, das die Verschleierung von Frauen per Burka oder Niqab unter Strafe stellt, ist formal ein Vermummungsverbot, das ebenso mit Motorradhelmen bewehrte Demonstranten treffen kann.

Gegner der städtischen Burkini-Verbote fürchten denn auch, dass die neuen, strikt republikanischen Strand-Regeln sich uferlos ausweiten würden. "Diese Verordnungen öffnen die Tür für ein allgemeines Verbot aller religiösen Zeichen - überall," argwöhnt Sefen Guez Guez, der Anwalt des nationalen Verbands gegen Islamophobie (CCIF, Collectif contre l'islamophobie en France). Per Eilverfahren will der CCIF beim hohen Staatsrat in Paris eine Grundsatzentscheidung erwirken, die sämtliche Verbote außer Kraft setzt.

Schwimmen im Burkini - 38 Euro Strafe

Kritiker deuten den Streit um den Badeanzug als Symptom für das verhärtete Klima seit den Terroranschlägen im vorigen Juli. Dabei waren am Nationalfeiertag in Nizza 85 Menschen getötet worden, zwölf Tage später hatten islamistische Gewalttäter im Örtchen Saint-Étienne-du-Rouvray einen Priester während der Messe ermordet.

Die Stadt Cannes etwa begründete ihr Burkini-Verbot nicht nur mit den laizistischen Prinzipien einer strikten Trennung von Kirche und Staat sowie hygienischen Bedenken gegen den Ganzkörper-Anzug. Das Rathaus-Dekret verweist ausdrücklich auf den in Frankreich geltenden Ausnahmezustand und auf "die jüngsten islamischen Attentate", um dann "das Tragen auffälliger religiöser Zeichen" zu ächten.

Ein Amtsrichter in Nizza hatte diese Logik Ende voriger Woche ausdrücklich gebilligt. Verfassungsrechtler halten die Vermischung hingegen für bedenklich. "Es gibt keinerlei Zusammenhang zwischen den Anschlägen von Nizza und dem Tragen eines Burkini. Die Emotionen der öffentlichen Meinung allein rechtfertigen keine solche Beschränkung der Freiheit", meint Jean-Michel Ducomte, Rechtsprofessor an der Universität Sciences-Po in Toulouse.

Vorerst aber gilt der Burkini-Bann. Wer an der Croisette, dem berühmten Strand von Cannes, mit Burkini in die Fluten taucht, dem winken 38 Euro Geldstrafe. Bis Mittwoch sollen Polizisten drei Frauen mit Strafbescheiden vom Ufer entfernt haben. Drei weitere gingen freiwillig, ohne Bußzahlung.

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