Rap:Ihre Stimme ist ihre Waffe

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Rapperin Sonita Alizadeh

(Foto: AFP)

Sonita Alizadeh ist aus Afghanistan vor den Taliban, ihrer Familie und einer Zwangsheirat geflohen. In den USA begann sie gegen das Unrecht zu rappen. Nun wird von ihr erwartet, dass sie die Welt verändert.

Von Sacha Batthyany

Sie war zehn Jahre alt, als sie zum ersten Mal einem fremden Mann verkauft wurde. Mit 16 wurde Sonita Alizadeh für 9000 Dollar ein zweites Mal einem Mann versprochen, doch die junge Frau aus Afghanistan wehrte sich. Erst gegen die Mutter, dann gegen ihre Brüder und schließlich gegen eine jahrhundertealte Tradition. Sonitas Geschichte ist die Geschichte eines Ausbruchs. Und ihre Waffe ist ihre Stimme.

"Ich bin eine Rapperin", war der erste englische Satz, den sie über die Lippen brachte. Sonita rappt gegen die Unterdrückung der Frauen, gegen die Zwangsheirat und gegen Kinderarbeit, und ist in ihrer Heimat Afghanistan ein Star. "Es ist mein Werkzeug, um mich auszudrücken", sagt sie. Ihre Lieder werden tausendfach im Internet angeklickt und verlinkt. Der Dokumentarfilm über sie, "Sonita", gilt als einer der besten dieses Jahres. Immer mehr Mädchen melden sich bei ihr, um ihr mitzuteilen, wie sehr sie ihnen geholfen habe. Dabei ist sie doch selbst noch ein Kind — oder besser gesagt, ein Teenager, der nie Kind sein durfte.

Sie ist vor den Taliban, vor ihrer Familie und der Zwangsheirat geflohen

Sonita Alizadeh lebt seit einem Jahr in den USA, ausgerechnet im Mormonen-Staat Utah. Für sie ist es "das Paradies", wie sie ihre Schule außerhalb von Salt Lake City nennt. Kein Wunder. Sie hat George W. Bushs Krieg gegen den Terror überlebt, sie ist vor den Taliban, vor ihrer Familie und der Zwangsheirat geflohen und lernt heute, mit 19 Jahren, zum ersten Mal Algebra, Informatik und Geschichte. Gerade erst hat sie entdeckt, dass es Zwangsehen nicht nur in ihrer Heimat Afghanistan gibt, sondern auf der ganzen Welt, Indien, China, Jordanien, Marokko, Albanien. Sie saß vor dem Bildschirm und konnte es nicht fassen. "Millionen von Mädchen da draußen werden täglich entführt, denn eine Zwangsehe ist nichts anders als eine Entführung. Wieso tut niemand was dagegen?"

15 Millionen junge Mädchen werden jährlich zwangsverheiratet und müssen die Schule abbrechen. Zwangsehen führen bei Frauen zu Bildungsmangel, Armut, Diskriminierung, Gewalt, Abhängigkeit und sexueller Ausbeutung. Letztlich bedeuten Zwangsehen nichts anderes als Menschenhandel. In Syrien wird jedes dritte Mädchen zwangsverheiratet, vor Ausbruch des Krieges waren es 13 Prozent. Viele Eltern brauchen das Brautgeld für ihre Flucht in ein anderes Land. Die New York Times schrieb über Geschäftsmänner aus Jordanien, die ins syrische Grenzgebiet fahren, wo "14-jährige Mädchen leichter zu kaufen sind, als eine Dose Thunfisch".

Sonita ist aber nicht nur in Afghanistan ein Star. Sie wird auch immer öfter auf internationale Konferenzen eingeladen, um ihre Geschichte zu erzählen und zu rappen. Es lastet viel Druck auf den schmächtigen Schultern dieses Mädchens, von dem plötzlich erwartet wird, das sich mit ihren Liedern die Welt verändert.

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