Obersalzberg:Abrissbirne statt Denkmalschutz

Zum Jubiläum des Dokumentationszentrums auf dem Obersalzberg ist viel vom Wert der Erinnerung die Rede. Doch Denkmalschützer kritisieren den übereilten Abbruch von NS-Gebäuden.

H. Effern

Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des NS-Dokumentationszentrums auf dem Obersalzberg ist viel vom Wert der Erinnerung die Rede. Finanzstaatssekretär Franz Pschierer betonte die "weltweite Anerkennung" der Ausstellung, die Teil eines staatlichen Konzepts zur Nachnutzung des NS-Areals ist.

Gleichzeitig prangern aber Denkmalschützer an, wie rigoros die Staatsregierung viele NS-Gebäude mit Erinnerungswert auf dem Obersalzberg abreißen ließ. Dabei soll es zwischen 2002 und 2007 auch zu Verstößen gegen den gesetzlich vorgeschriebenen Denkmalschutz gekommen sein. "Aufgrund einer politischen Entscheidung sollte der Denkmalschutz dort nicht mehr wirksam werden. Die Aufgabe der Erinnerung sollte ausschließlich das Dokumentationszentrum übernehmen", sagte ein Sprecher des Landesamts für Denkmalschutz.

Die Behörde wurde nach eigenen Angaben etwa beim Abbruch von Kellern der SS-Kaserne, eines ehemaligen Gewächshauses oder Teilen des Gutshofes nicht angehört, obwohl das gesetzlich vorgeschrieben sei. Man gehe davon aus, dass noch deutlich mehr Denkmäler aus der NS-Zeit als bisher bekannt ohne Kenntnis der Behörde vernichtet wurden. Es sei "seit 1999 im Zuge der Hotelplanungen weitere historische Bausubstanz in ganz erheblichem Umfang beseitigt worden", sagte ein Sprecher. Lediglich beim Abriss des Gästehauses "Hoher Göll" und des Platterhofs wurden die Denkmalschützer gehört.

In den siebziger Jahren beschloss die Staatsregierung, die NS-Anlagen auf dem Obersalzberg nicht als eingetragene Baudenkmäler auf die offizielle Liste zu setzen. Man versuchte so, "eine Verherrlichung von Bauten des Nationalsozialismus möglichst zu verhindern, dabei aber auch ihren dokumentarischen Wert zu beachten", heißt es aus dem Finanzministerium, das die NS-Gebäude in den neunziger Jahren nach dem Abzug der Amerikaner übernommen hatte.

Intern sollten die Anlagen aber den vollen Rechtsschutz eines Denkmals besitzen. "Die jeweiligen Eigentümer wurden darauf hingewiesen, dass die Objekte nach den einschlägigen Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes zu behandeln sind", betont das Wissenschaftsministerium.

Im Jahr 1999 übergab das Finanzministerium das frühere zweite Machtzentrum der Nazis zu einem großen Teil an die Firma Gewerbegrund, eine Tochter der halbstaatlichen Bayerischen Landesbank. Sie hat wie vom Freistaat gefordert auf dem sogenannten Göringhügel ein Luxushotel errichtet. Eine Vorgabe, am Obersalzberg "alle NS-Anlagen abzutragen, ist dem Finanzministerium nicht bekannt", sagte ein Sprecher.

Nach 30 Jahren ist nun diese Woche eine Wende in der Politik erfolgt. Das Wissenschaftsministerium erlaubt in einem Brief vom 20. Oktober dem Landesamt, alle Denkmäler auf dem Obersalzberg zu veröffentlichen. Mit Hilfe von Laser-Scannern, alten Luftbildern und Archivrecherchen will die Behörde nun zuerst aber alle Denkmäler erfassen. Darunter könnten nach Angaben des Obersalzberg-Forschers Florian Beierl auch die kilometerlangen Bunkeranlagen im Untergrund und verschüttete Reste von Hitlers Berghof fallen.

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